Mindestlohn für Restaurant-Lieferung: Uber & Co verklagen New York City

New York City schreibt eine Mindestvergütung für Zustellfahrer vor, die Apps wie Uber Eats nutzen. Der Teufel steckt wieder einmal im Detail.​

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Eine Person auf einem Motoroller; hinten ein grüner Würfel mit Aufschrift "Bolt Food"

Ein Zustellfahrer in Lissabon. In New York City nutzen Zustellfahrer häufig E-Fahrräder.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 5 Min.

Selbständig tätige Essenszusteller sollen in New York City rund doppelt so viel Mindestvergütung erhalten, wie Kellner Mindestlohn bekommen. Die Zustellvermittler Uber, Doordash und Grubhub geben an, durchaus für Mindestvergütungen für ihre Zusteller zu sein, die konkrete Vorschrift zerreißen sie aber in der Luft. Sie erheben umfassende Vorwürfe gegen die zuständige Behörde und ziehen vor Gericht.

2021 hat das Stadtparlament New York Citys der zuständigen Verbraucher- und Arbeitnehmerschutzbehörde DCWP aufgetragen, eine Mindestentlohnung für unabhängige Zustellfahrer von Nahrung (third-party food delivery service workers) auszuarbeiten (Local Law 115 of 2021). Die darauf fußende Verordnung sieht vor, dass Zustellfahrer, die mit Vermittlern wie Uber Eats, Doordash, Grubhub, Relay oder Hungrypanda arbeiten, ab 12. Juli mindestens 17,96 US-Dollar pro Stunde erhalten. Der Betrag steigt bis 1. April 2025 auf 19,96 Dollar zuzüglich Inflationsausgleich. Zum Vergleich: Für Kellner gilt in New York City ein Mindestlohn von zehn Dollar, für andere Dienstleister mit Trinkgeld sind es 12,50 Dollar, für sonstige Arbeitnehmer 15 Dollar.

Als Arbeitszeit soll für die Restaurantzusteller allerdings die gesamte Zeit gelten, die sie in einer Vermittlungsapp eingeloggt sind, auch wenn es nichts zuzustellen gibt, und selbst wenn sie die angebotenen Aufträge ablehnen. Sind sie in mehreren Vermittlungsapps gleichzeitig eingeloggt, was weit verbreitet ist, soll jeder App-Betreiber die volle Mindestvergütung zahlen. Die durchschnittliche Zustellung würde sich laut Behördenschätzung um mehr als fünf Dollar verteuern, eventuell auch deutlich mehr. Selbst betrügerischen Zustellfahrern dürften die Vermittler die Vergütung nicht kürzen.

Die Vermittler Uber, Doordash und Grubhub halten die Verordnung für untragbar. Sie erklären, dass sie nicht unbegrenzte Scharen an Zustellfahrern fürs Nichtstun zahlen können. Die Folge: Die Fahrer könnten nicht mehr selbst entscheiden, wo und wann sie ihre Dienste anbieten oder welche Aufträge sie (nicht) annehmen. Außerdem würden die Kosten für Verbraucher stark steigen, was die Nachfrage senken würde. Das schade den Restaurants. Die Behörde selbst hat ausgerechnet, dass die höheren Gebühren für die Restaurants 18 bis 48 Prozent weniger Umsatz bedeuten.

Hinzu kommt, dass die Vermittler den Umkreis um jedes Restaurant, in dem sie dessen Speisen zustellen lassen, verkleinern müssten. Schließlich kommt es bei dem neuen Regime verstärkt darauf an, dass jeder Fahrer möglichst viele Zustellungen pro Stunde abarbeitet. Ein kleinerer Kundenkreis reduziere den Umsatz der Restaurants zusätzlich.

Doordash und Grubhub einerseits und Uber Eats andererseits haben nun die Behörde DCWP verklagt. Sie fordern, dass die Verordnung für rechtswidrig erklärt wird, sowie eine einstweilige Verfügung gegen die Wirksamkeit der Verordnung während des Gerichtsverfahrens. Die Argumente der beiden Klagen ähneln einander.

Der Auftrag der Stadt sehe einen Mindestlohn für alle Nahrungszusteller vor, nicht bloß für Restaurantzusteller. Nach der Verordnung aber gelte beispielsweise für die Zustellung eines Sandwich' von einem bestimmten Geschäft die Mindestvergütung, wenn die Bestellung über Uber Eats erfolgt, nicht aber, wenn sie beispielsweise über Instacart erfolgt – selbst wenn am Ende der exakt selbe Auftragnehmer mit dem gleichen Sandwich in die Pedale steigt.

Der Auftrag der Stadt verlange auch nicht, dass die Zustellfahrer für die Zeit bezahlt werden, in der sie keine Aufträge erhalten oder diese ablehnen. Die Behörde ist hingegen davon ausgegangen, dass sie rechtlich dazu verpflichtet sei, auch diese Zeit mit einzubeziehen.

Eine als Grundlage für die Verordnung genutzte Umfrage unter Zustellfahrern sei ausnehmend einseitig und suggestiv gewesen. Das zugrundeliegende Wirtschaftsmodell sei absurd, weil es davon ausgeht, dass Restaurants immer genau null Prozent Gewinnmarge beim Speisenverkauf über Zustellapps machen. Wäre das der Fall, würden die Restaurants die Apps ja nicht nutzen, argumentieren die Kläger. Außerdem sei es rechtswidrig, dass die Behörde diverse Grundlagen für ihre Entscheidung geheim halte.

Schließlich enthalte die Mindestvergütung einen rechtswidrigen Zuschlag unter dem Titel Arbeitsunfallversicherung. Tatsächlich ist damit keine Arbeitsunfallversicherung verbunden. Die Behörde hat offenbar ausgerechnet, wie hoch die gesamten Versicherungsleistungen der Arbeitsunfallversicherung sind, und das auf die Arbeitsstunde heruntergebrochen: 1,68 Dollar pro Arbeitsstunde. Für Fahrer, die nicht verunfallen, ein nettes Zubrot, doch die tatsächlich verunfallten Fahrer haben davon sehr wenig. Sie wären mit einer Arbeitsunfallversicherung viel besser dran.

Die Verfahren heißen Uber Technologies v NYC Dpt of Consumer and Worker Protection et al, Az. 155943/2023, respektive Doordash et Grubhub v NYC Dpt of Consumer and Worker Protection et al, Az. 155947/2023. Beide Klagen sind am Supreme Court des US-Staates New York im County New York anhängig.

(ds)