Mögliche Corona-Impfpflicht: Bundestagsgutachten sehen hohe Hürden

In Deutschland wird immer lauter über eine Corona-Impfpflicht diskutiert. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat dafür Voraussetzungen formuliert.

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(Bild: Andrey_Popov/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Harald Neuber
Inhaltsverzeichnis

Die Einführung einer Impfpflicht zur Eindämmung der Corona-Infektionszahlen müsste nach Ansicht des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags an zahlreiche juristische Voraussetzungen geknüpft werden, um verfassungsrechtlich Bestand zu haben. Zudem müsste ein entsprechendes Gesetz angesichts des dynamischen Pandemiegeschehens stetig an aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst werden. Das geht aus zwei Einschätzungen des Parlamentsdienstes hervor, über die das Online-Magazin Telepolis am Freitag exklusiv berichtet.

Laut Telepolis sprechen sich die Bundestagsexperten dafür aus, dass Genesene von einer möglichen Impfpflicht ausgenommen werden. Sie gehörten zu den Gruppen, "bei denen bereits ein ausreichender Immunstatus besteht". Für die Dauer der natürlichen Immunisierung müsste daher eine Ausnahme von der Impfverpflichtung gemacht werden. Nicht geklärt sei bislang jedoch, wie lange die Immunisierung nach Infektion anhalte.

Dem Bundestagsgutachten zufolge müsste eine gesetzliche Verpflichtung zur Impfung, wie sie in Deutschland derzeit nur gegen die Verbreitung des Masern-Virus besteht, unter anderem das Infektionsgeschehen, die freiwillige Impfbereitschaft sowie eventuelle Nebenwirkungen und Langzeitfolgen der Impfungen berücksichtigen, zitiert Telepolis weiter.

Zwar sei unstrittig, dass Ungeimpfte "bei der Epidemiologie der Erkrankung weiterhin eine wesentliche Rolle" spielten. Die Legitimität einer Impfpflicht hänge dennoch davon ab, ob der erhoffte Nutzen in einem angemessenen Verhältnis zur Intensität des Grundrechtseingriffs für die Betroffenen stehe, heißt es in den Gutachten.

Mit Blick auf die juristische Debatte sehen die Bundestagsexperten auch bei einer Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen die Notwendigkeit einer fundierten gesetzlichen Regelung.

Mit Erlass des Infektionsschutzgesetzes im Jahr 2000 sei das Gesundheitsministerium zwar ermächtigt worden, Impfungen für bedrohte Teile der Bevölkerung anzuordnen. Es sei aber fraglich, ob die Lehr- und Pflegekräfte zu den dort aufgeführten "bedrohten Teilen der Bevölkerung" gezählt werden könnten. Lehr- und Pflegekräfte seien selbst nicht in größerem Maße gefährdet als andere Gruppen.

Ein Gesetz müsste daher Klarheit schaffen, ob nicht nur der Schutz der bedrohten Personen, sondern auch der Fremdschutz eine Impfpflicht in Lehre und Pflege legitimiere. Dies wäre der Fall, wenn eine gesetzliche Regelung Lehr- und Pflegekräfte als "Infektionsmultiplikatoren" einordne, die dann neben den unmittelbar gefährdeten Bevölkerungsgruppen zur Impfung verpflichtet seien.

Mit der laufenden Impfkampagne solle verhindert werden, dass das Gesundheitssystem zusammenbricht, um so weiterhin die Behandlung von schwer erkrankten Menschen zu gewährleisten. Weil der Schutz der Pflegebedürftigen und alten Menschen sowie der Schülerinnen und Schüler zu diesem Ansinnen beitrage, sei ein solcher legitimer Grund gegeben, heißt es in einem der Gutachten. Eine Impfpflicht allein zum Schutz der Geimpften – also etwa von Lehr- oder Pflegekräften – wäre hingegen kein legitimes Ziel.

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Die zunehmenden Impfdurchbrüche, also Infektionen trotz Impfung, stellten die grundsätzliche Eignung der Impfung zu einem weitgehenden Schutz hingegen nicht in Frage, schreiben die Bundestagsexperten. Auch sei keine verfassungsrechtliche Unterscheidung zwischen einer Pflicht für eine einmalige Impfung und regelmäßigen Auffrischungsimpfungen ersichtlich.

In der Darstellung der laufenden wissenschaftlichen und politischen Diskussion gehen die Gutachten auch auf weitere mildere Mittel ein, um die Pandemie unter Kontrolle zu bekommen. Grundsätzlich gehörten dazu auch Testpflichten.

Details zu den Bundestagsgutachten über die Corona-Impfpflicht bringt Telepolis:

(mho)