NASA: Mit Patriotismus zurück ins All

Das Fehlen eigener Transporter zur ISS schmerzt die US-Seele. Boeing und SpaceX sollen die Schmach beseitigen. Die NASA selbst konzentriert sich derweil auf Flüge über den Mond hinaus.

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"Stolzer könnte ich nicht sein." NASA-Chef Charles Bolden platzte fast vor Freude, als er Dienstagabend die Vergabe von Aufträgen an Boeing und SpaceX bekannt gab. Die beiden Unternehmen sollen ab 2017 Astronauten und Fracht zur Internationalen Raumstation (ISS) und zurück bringen. "Es ist das ambitionierteste und aufregendste Kapitel in der Geschichte der NASA", sagte Bolden.

Das klingt schräg, Flüge zu einer Raumstation in einer niederen Umlaufbahn sind ja keine neue Errungenschaft der Menschheit. Auch wenn sie deutlich günstiger sind, als die Flüge des Space Shuttle. Doch die NASA sieht das so: Jetzt, wo der Weg geebnet scheint, dass bald wieder US-Raumfahrzeuge von US-Boden aus US-Personal zur ISS bringen, kann sich die NASA auf die echten nächsten Errungenschaften konzentrieren.

NASA-Chef Charles Bolden war verzückt: "Ich bin ausgelassen heute. Ich gebe es zu. Ich könnte nicht glücklicher sein."

(Bild: NASA-TV Screenshot)

Bolden gab die Ziele vor: "Die erste Mannschaft die einen Asteroiden besucht und mit Proben zurückkehrt. Die erste Mannschaft die über die Umlaufbahn des Mondes hinaus fliegt. Die erste Mannschaft die ihre eigene Nahrung züchtet – und isst! Die erste Mannschaft am Mars." Das sind in der Tat ambitionierte Ziele.

Das zu erreichen wird viel mehr als die maximal 6,8 Milliarden US-Dollar kosten, die die neuen Verträge für Boeing und SpaceX vorsehen. Dabei wurde die NASA in letzter Zeit nicht gerade mit großzügigen Budgeterhöhungen bedacht. Selbst das Budget für das kommende Jahr ist noch nicht vom Parlament beschlossen worden, womit auch die Aufträge für die ISS-Flüge ein bisschen im Vakuum hängen.

Boeing und SpaceX (5 Bilder)

Für die Kooperation mit Boeing gibt es bereits ein erstes Plakat...
(Bild: NASA)

Die Strategie der NASA ist offenbar, große Ankündigungen zu machen und dabei die Patriotismus-Trommel zu rühren (um nicht zu sagen die Nationalismus-Keule zu schwingen). Das erschwert es US-Abgeordneten, die erforderlichen NASA-Budget abzulehnen. "Es geht nicht darum, was (die neuen Aufträge) für die bemannte Raumfahrt der NASA bedeuten", schwelgte Bob Cabana, Chef des John F. Kennedy Space Center am Cape Canaveral, "Sondern was sie für die bemannte Raumfahrt bedeuten. Für jedermann."

"Die Regierung Obama hat vom ersten Tag an klar gemacht, dass die größte Nation der Erde auf niemanden anderen angewiesen sein sollte um eine Person ins All zu befördern", legte Bolden den Finger in eine Wunde der US-Seele. Waren es doch gerade die Russen, die den Amerikanern aus der Patsche halfen, als deren Space-Shuttle-Programms unrühmlich zu Ende gegangen war. Ein später Triumph für das sowjetische Raumfahrtprogramm.

Am Eingang des Besucherkomplexes des Kennedy Space Center wird der Besucher daran erinnert, dass der gegenwärtige US-Präsident nicht der erste Meister salbungsvoller Worte ist.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Und dann zitierte der NASA-Chef noch Präsident Obama selbst, wie sich dieser in einer Rede zur Bedeutung der US-Raumfahrt geäußert hatte: "Wir werden nicht nur die Reichweite der Menschheit im Weltraum ausdehnen, wir werden Amerikas Vorherrschaft hier auf der Erde stärken."

Für dieses Ziel keine Mittel zu genehmigen wäre höchst unamerikanisch. Republikaner tun sich dabei vielleicht noch schwerer als Demokraten, nein zu sagen. Und vielleicht steht dann auch der Hass auf Obama nicht mehr so ganz im Mittelpunkt, denn die potenziellen Erfolge würde ein anderer US-Präsident einheimsen. Die Frage ist, ob der rhetorische Trick funktioniert. Die Krisenherde auf der Erde werden sich kaum dadurch beruhigen lassen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika ein paar Leute samt Gemüsebeet zum Mars schießen.

Nachdem die ISS-Flüge nun quasi outgesourced wurden, konzentriert sich die NASA also auf bemannte Reisen in fernere Weiten. Für die Flüge über den niedrigen Orbit einer Raumstation hinaus wird das Orion Multi-Purpose Crew-Vehicle (Orion Mehrzweck-Mannschaftsfahrzeug) entwickelt. Auch die Europäische Weltraumagentur (ESA) ist am Orion-Programm beteiligt, was das NASA-Budget schont. Die NASA-Version baut Lockheed Martin, die ESA-Version kommt von Airbus Defence and Space. Aufgabe der ESA ist außerdem die Ausarbeitung des Orion Service Moduls, das für Antrieb und Energieversorgung des Orion MPCV zuständig ist.

Um die für lange Reisen erforderlichen Lasten von der Erde ins All hieven zu können, braucht es kräftige Raketen. Dafür entwickelt die NASA das Space Launch System (SLS), welches ebenfalls ab 2017 in Dienst gehen sollte. Der US-Rechnungshof (Government Accountability Office) bezweifelt angesichts der knappen Geldmittel aber, dass dieser Zeitplan eingehalten werden kann. Inzwischen spricht auch die NASA vom November 2018 als Termin für den ersten Testflug.

Im August ist ein Orion-Dummy in den Pazifik geschmissen und von der US Navy wieder herausgeholt worden. Auch das trug zu Boldens guter Laune bei. Namentlich lobte er Dienstagabend die befehlshabenden Militäroffiziere. Und am Freitag hatte er in New Orleans den weltgrößten Schweißer eröffnet. Dort soll die knapp 65 Meter hohe SLS-Kernstufe zusammengeschweißt werden. (ds)