Nationale Cybersicherheitskonferenz: BND warnt vor Zweifel als Waffe

Zum Abschluss der Cyberkriegerkonferenz erklärt der Bundesnachrichtendienst, dass Sanktionen gegen Russland wirken und China die größere Bedrohung darstellt.

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Würfel mit Buchstaben buchstabieren "CYBERCRIME"; ein Finge dreht gerade einige Buchstaben um, um daraus "CYBERSECURITY" zu machen.

(Bild: deepadesigns/Shutterstock.com)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Falk Steiner
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Dass viele Fachleute die Sicherheitslage im digitalen Raum nicht gerade als gut bezeichnen, haben bereits Vorträge und Diskussionen des ersten Tages der zwölften "Potsdamer Konferenz für nationale Cybersicherheit" gezeigt. Am Donnerstag schloss die Konferenz mit interessanten Details – und etwas Ratlosigkeit.

Die Folgen von Russlands Großangriff auf die Ukraine beschäftigen den Bundesnachrichtendienst (BND) intensiv. "Obwohl Schäden und Auswirkungen bislang überschaubar sind, sollten wir nicht den Fehler machen, die Bedrohung für den Westen zu unterschätzen", mahnte BND-Vizepräsident Dag Baehr am Donnerstag am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam-Griebnitzsee. Für die Auslandsaufklärungsbehörde mit Sitz in Berlin und Pullach bei München gibt es dabei eine ganze Reihe an Erkenntnissen.

Besonders wichtig, erklärte Baehr, der wie viele BND-Mitarbeiter aus der Bundeswehr stammt und dort den Rang eines Generalmajors bekleidet, seien neben den Erkenntnissen zu Sanktionsumgehungen auch die Aktivitäten anderer Dienste. Man könne die regierungsnahen APTs (Advanced Persistent Threats) dabei beobachten, wie sie sich für die ukrainischen Anwendungen interessierten, mit denen sie etwa aus Drohnen-Daten, klassischen Zieldaten und sonstigen Quellen mittels Machine Learning Lagebilder erstellen. Das sei etwa auch für China ein überaus interessantes Ziel, das zugleich auch in Russland Erkenntnisse sammle.

Das gesteigerte Interesse an den digital-militärischen Fähigkeiten der Ukraine gehe dabei deutlich über die Grenze des Landes hinaus, berichtete Baehr: Drohnenüberflüge über westliche Truppenübungsplätze, wo ukrainische Soldaten ausgebildet werden, würden komplementär auch durch Angriffe im digitalen Raum ergänzt.

Für den BND-Vizepräsidenten gibt es zudem weitere bemerkenswerte Entwicklungen: Die Reiseaktivität von Russlands Präsident Wladimir Putin sei für ihn ein Zeichen, dass die Substitution westlicher Technologie in Russland scheitere, die Sanktionsumgehung also trotz der Fälschung von Zollpapieren etwa nicht funktioniere. Der russische Präsident reiste zuerst nach Nordkorea und reist heute nach Vietnam weiter.

Bei den Cyberangriffen auf Ziele auch in Deutschland sieht Baehr Russland zwar aktuell als Gefahr, mittelfristig jedoch nicht als die Hauptbedrohung. Wie auch schon andere Akteure am Vortag der Potsdamer Konferenz, ist für ihn China auf Dauer relevanter: "Im Gegensatz zu Russland würde ich das Vorgehen Chinas als langfristiger und planvoller ansehen", sagte BND-Vize Dag Baehr. Die Volksrepublik verfüge über eine deutlich größere Manpower und eine an den offiziellen Staatszielen orientierte Strategie, wirtschaftliche und politische Prozesse und Cyberangriffe würden gezielter aufeinander abgestimmt. Deutschland als "Immer-Noch-High-Tech-Nation" müsse das beobachten und sich adäquat schützen. Chinesische Angreifer nutzten zudem zunehmend eigene Verschleierungsnetzwerke, die die Attribution von Angriffen maßgeblich erschweren würden, so der BND-Vize.

Anders sei die Lage bei der Desinformation: Ausschließlich auf dem Boden des Westens werde der Informationskrieg derzeit ausgetragen, trug Baehr vor. Kommunistische und autokratische Staaten hätten nach Ende des Kalten Krieges erkannt, dass die Attraktivität ein entscheidender Faktor für die Systemstabilität sei – und würden darauf nun im Westen zielen, Bruchlinien innerhalb von Gesellschaften zu verstärken versuchten. Der BND-Vize warnte vor einer "Weaponization of doubt", bei dem Zweifel gezielt zur Destabilisierung gestreut würden. Die westlichen Gesellschaften "mit Ausnahme vielleicht der nordischen und baltischen Staaten" würden bislang wenig Gegenwehr gegen russische Einflussnahme unternehmen, meinte Baehr. Russland bereite sich jedoch langfristig vor und die Netzwerke für Desinformationskampagnen könnten kurzfristig aktiviert werden.

Sein etwas betrübt wirkendes Fazit: "Wir haben für viele Dinge, die hier passieren, sehr wenig Zeit, nehmen uns aber Zeit." Geschwindigkeit sei seiner Bewertung nach entscheidend. Die Haupterkenntnis sei, dass es nach den Ereignissen in der Ukraine auf allen Ebenen Veränderung "zwischen den Ohren stattfinden muss, um Fortschritt zu erreichen."