NetzDG-Reform: Forschung zu Strukturen von Hetze ermöglicht

Die jüngste Novelle des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) tritt in Kraft. Gezielte Hasskampagnen sollen damit einfacher ausfindig gemacht werden können.

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(Bild: Lukasz Stefanski/Shutterstock.com)

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Facebook, YouTube, TikTok, Twitter & Co. müssen aufgrund neuer Transparenzvorgaben nun auch Angaben gegenüber Forschern machen, inwieweit die Verbreitung rechtswidriger Inhalte "zu spezifischer Betroffenheit bestimmter Nutzerkreise führt". Die Diensteanbieter sollen in öffentlichen Berichten darlegen, ob sie der Wissenschaft Hinweise über "organisierte Strukturen oder abgestimmte Verhaltensweisen" etwa von Hetzern gegeben haben.

Diese Vorschriften sind Teil einer größeren Reform des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG), die am heutigen Montag zu großen Teilen in Kraft tritt. Der Bundestag hatte die Novelle Anfang Mai beschlossen, am 9. Juni war sie im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden, sodass die Regeln nun greifen.

Mit den neuen Richtlinien sollen Forscher laut dem Gesetzgeber eine weitergehende "anonymisierte Auswertung" potenzieller gezielter Hasskampagnen vornehmen können. "Aus Rückmeldungen ist bekannt, dass sich strafbare Hassrede oft gegen bestimmte Gruppen richtet", heißt es dazu in der Gesetzesbegründung. Insbesondere Frauen und Minderheiten seien "in besonderer Weise" betroffen. Mit den erweiterten Hinweisen in den halbjährlichen Transparenzberichten der großen Plattformen könnten Wissenschaftler "systematische Analysen durchführen" und tiefergehende Erkenntnisse über das Gefüge von "Hasskriminalität" gewinnen.

Forscher können von den Betreibern zudem nun für Arbeiten von öffentlichem Interesse "qualifizierte Auskünfte" verlangen etwa über "den Einsatz und die konkrete Wirkweise von Verfahren zur automatisierten Erkennung von Inhalten, die entfernt oder gesperrt werden sollen". Dabei gehe es etwa um Zwecke, Kriterien, Parameter und die Arten der verwendeten Upload-Filter. Auch über den Verbreitungsgrad von rechtswidrigen oder gemeldeten Beiträgen sind Angaben zu machen.

Voraussetzung ist, dass die Wissenschaftler ein Konzept zum Schutz der erbetenen Informationen vorlegen. Anbieter haben laut der "Forschungsklausel" zudem Anspruch auf Erstattung der verursachten Kosten "in angemessener Höhe", wobei die Höchstgrenze in der Regel bei 5000 Euro liegt.

Nutzern soll es ferner einfacher fallen, einem sozialen Netzwerk Hinweise auf rechtswidrige Inhalte zu übermitteln. Schwer auffindbare, lange und komplizierte Wege, um strafbare Beiträge zu melden, seien nicht mit dem NetzDG vereinbar, heißt es dazu vom Bundesjustizministerium. Jetzt wurde ausdrücklich klargestellt, dass Meldewege leicht auffindbar und für jeden einfach zu bedienen sein müssten – und zwar direkt vom Inhalt aus, der dem sozialen Netzwerk als rechtswidrig gemeldet werden soll.

Dazu kommt ein neues "Gegenvorstellungsverfahren". Es soll bei unterschiedlichen Auffassungen zwischen einem Nutzer und dem Anbieter eines sozialen Netzwerks darüber greifen, ob gemeldete Inhalte gelöscht werden müssen oder nicht. Die Betreiber werden so dazu verpflichtet, auf Antrag eines Mitglieds ihre Entscheidungen zum Entfernen oder Beibehalten von Beiträgen – auch aufgrund ihrer Geschäftsbedingungen – zu überprüfen und das Ergebnis gegenüber dem Betroffenen "in jedem Einzelfall zu begründen".

Bei diesem "Put-Back-Mechanismus" sollen Facebook & Co. sicherstellen, "dass eine Offenlegung der Identität des Beschwerdeführers und des Nutzers in dem Verfahren nicht erfolgt". Name und Anschrift dürften auch nicht "etwa versehentlich mit dem Antrag" an den Nutzer weitergeleitet werden, "für den der Inhalt gespeichert wird". Die Anbieter müssen die jeweilige Gegenseite nicht zwingend über den Eingang eines solchen Ersuchens unterrichten, sofern sie diesem – etwa bei einem Missbrauch des Verfahrens – nicht abhelfen wollen. Dies soll vor "Spam" schützen. Der Rechtsweg zu den Gerichten bleibt "in jeder Lage des Verfahrens unbenommen".

Nutzer können zudem fortan an den bereits zu benennenden "Zustellungsbevollmächtigten" der Betreiber auch Schriftstücke bei "Wiederherstellungsklagen" schicken. Vorgesehen sind ferner private Schlichtungsstellen bei Streitigkeiten, um diese schneller und für alle Beteiligten kostengünstiger beizulegen. Wer Ziel von Beleidigungen oder Bedrohungen wird, kann jetzt auch Auskunftsansprüche gegenüber Social-Media-Betreibern leichter gerichtlich durchsetzen. Das bislang zweistufige Verfahren wird auf eine Entscheidung beschränkt: Das Gericht, das über die Zulässigkeit der Herausgabe von Nutzerdaten entscheidet, kann letztere zugleich auch anordnen.

(mho)