Neue Sorgen um rechtliche Hintertür für Softwarepatente

Der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) lehnt den jüngsten Vorstoß aus Brüssel für eine einheitliche Patentgerichtsbarkeit ab, weil dabei der Europäische Gerichtshof nicht das letzte Wort haben solle.

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Der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) warnt erneut vor einer Legalisierung von Softwarepatenten in Europa durch die Hintertür. Ein Dorn im Auge ist der Mittelstandsvereinigung der jüngste Vorstoß aus Brüssel für eine einheitliche Patentgerichtsbarkeit. Mit dem von der EU-Kommission im März vorgeschlagenen United Patent Litigation System (UPLS) hätten Patentrichter – und nicht der Europäische Gerichtshof (EuGH) – das letzte Wort zur Rechtmäßigkeit der vom Europäischen Patentamt (EPA) in einer weiten Auslegung des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) vergebenen gewerblichen Schutzrechte auf "computerimplementierte Erfindungen", fürchtet der FFII. Das im Raum stehende Abkommen sei so verfasst, dass eine Intervention des EuGH bei Fragen des materiellen Patentrechts kaum mehr möglich sei.

Der vorherige, anfangs vom EPA selbst vorangetriebene Vorstoß in Europa zur Schaffung eines zentralen Patentgerichts über ein Europäisches Übereinkommen über Patentstreitigkeiten (EPLA) scheiterte im EU-Rat, weil sich die Mitgliedsstaaten nicht auf eine gemeinsame Linie einigen konnten. Umkämpft war dabei vor allem die Zuständigkeit für die vom Europäischen Patentamt vergebenen "Bündelpatente" für verschiedene nationale Schutzrechte und dem von der Kommission gewünschten echten Gemeinschaftspatent. Dieses noch in den Sternen stehende Schutzrecht soll dieses Mal von vornherein besser in das "einheitliche" System für die Schlichtung von Patentauseinandersetzungen integriert werden.

Dass es dabei keine allgemeine dritte, unabhängige Berufungsinstanz geben soll, beunruhigt die Vertreter des FFII. Damit bestehe die Gefahr, dass spezialisierte Patentgerichte über wichtige Fragen der Grenzen der Patentierbarkeit in Europa entscheiden. Dies sei typisch etwa auch für die Situation in Deutschland, wo der Bundespatentgerichtshof Streitfälle nicht dem Bundesverfassungsgericht vorlege. Grünes rechtliches Licht könnte es so bald auf EU-Ebene für die umstrittene Praxis des EPA zur Vergabe von Softwarepatenten entgegen der Ausschlussbedingungen des Europäischen Patentübereinkommens geben.

Die Münchner Behörde prüft zunächst den "technischen Charakter" auch bei Computerprogrammen, denen "als solchen" kein gewerblicher Rechtsschutz offen stehen soll. Als technisch sieht das EPA eine Datenverarbeitung etwa an, wenn sie sich auf physikalische Datenparameter oder die Kontrolle eines industriellen Prozesses bezieht. Aber auch, wenn es um die Veränderung der grundsätzlichen Arbeitsweise eines Computers etwa durch eine effizientere Speicheraufteilung oder eine Erhöhung der Geschwindigkeit oder Sicherheit eines Prozesses geht, läuft der Prüfvorgang weiter. Einklagbar ist die Geltung der so vergebenen Softwarepatente in Europa bislang aber in der Regel nicht.

Auch der US-Forscher Brian Kahin, der die Computer & Communications Industry Association (CCIA) vertritt, kritisiert die auch auf Ratsebene mit einem 76-seitigen Arbeitspapier (PDF-Datei) diskutierte Initiative für eine einheitliche EU-Patentgerichtsbarkeit in ihrer derzeitigen Form. In den USA habe der Oberste Gerichtshof jüngst in einigen entscheidenden Patentierungsfragen dem zuständigen Berufungsgericht in Form des Court of Appeals for the Federal Circuit im Sinne eines allgemeinen Interessensausgleichs Halt gebieten müssen. Angesichts dieser Erfahrungen sei klar, dass der EuGH auf dem alten Kontinent genauso wie der Supreme Court in den USA die Entwicklung des Patentrechts kontrollieren können müsse. Sonst würde die Patentgemeinde mithilfe ihrer rechtlichen Mittel ständig im eigenen Sinne auf die Ausweitung des Patentwesens drängen.

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(Stefan Krempl) / (jk)