Neuer Anlauf für Rotlichtbezirk im Internet

Unerwartet veröffentlichte die Internet-Verwaltung ICANN einen neuen Vertragsentwurf für eine .xxx-Domain als Bereich für Erotik- und Pornografie-Websites.

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Von
  • Monika Ermert

Unerwartet startete die Internet-Verwaltung Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) einen neuen Versuch für eine .xxx-Domain als Bereich für Erotik- und Pornografie-Websites. In der Nacht zum Samstag veröffentlichte die Organisation einen Vertragsentwurf mit ICM Registry und International Foundation for Online Responsibility (IFFOR) für einen solchen Rotlichtbezirk im Internet.

Die ICANN hatte im vergangenen Mai einen ersten Vertragsentwurf für die geplante .xxx-Adresszone nicht zuletzt auf Druck verschiedener Regierungen abgelehnt. Vor allem in den USA waren konservative Organisationen gegen die.xxx-Domain Sturm gelaufen, aber auch die britische Regierung hatte interveniert. Nach der Ablehnung monierten einzelne Regierungen wiederum die Einflussnahme durch die US-Regierung. ICM-Präsident Stuart Lawley blieb beharrlich und handelte mit ICANN nun neue Bedingungen aus.

Zusätzlich zu den klassischen Vertragsbedingungen unterwirft sich ICM als Registry (Betreiber der Registrierungsdatenbank für die Domain) einem strengen Korsett von Regeln. Eigens noch einmal unterschreiben müssen die .xxx-Betreiber, dass sie gegen Kinderpornografie kämpfen werden – eigentlich eine nicht nur juristische Selbstverständlichkeit. Daneben aber sichert ICM vertraglich zu, die potenziellen Domainkunden zu verpflichten, ihre Inhalte durch entsprechende Metatags klar zu klassifizieren. Nutzer sollen bei Filtertechnik, mit der dann gezielt ausgewählt werden kann, unterstützt werden. Ins Auge gefasst wird dafür offenbar das altbekannte System von ICRA.

Damit schwarze Schafe im Rotlichtbezirk keine Chance haben, muss ICM laut dem neuen Vertrag unabhängige Firmen mit einem kontinuierlichen Monitoring der .xxx-Adresszone beauftragen. Um die Kontrolle noch weiter zu verbessern, erhält ICANN schließlich sogar ein vertraglich abgesichertes Mitspracherecht bei der Auswahl der Monitoring-Partner: Passt dem ICANN-Büro die Prüferorganisation nicht, kann sie den Start der .xxx-Adresszone aussetzen.

Auch Veränderungen innerhalb der eigentlichen "Sponsor-Organisation" IFFOR dürfen nur mit Zustimmung von ICANN erfolgen. Damit unterwerfen sich ICM und IFFOR für zentrale Geschäftsentscheidungen dem ICANN-Mandat – und damit auch dem Mandat der innerhalb der ICANN aktiven Regierungen. Letztere hatte man bereits durch verschiedene Bonbons im wieder und wieder nachgebesserten ersten Vertragsentwurf gewinnen wollen. So erhalten Regierungen das Recht, religiös und kulturell "sensitive Begriffe" kostenlos vorab zu registrieren beziehungsweise zu blockieren. IFFORs Aktivitäten bei der Erarbeitung von empfohlenen Vorgehensweisen für die Erotikbranche und bei der Förderung von Kinderzonen im Netz werden mit immerhin 10 Dollar pro Domain unterstützt. ICM und IFFOR verpflichten sich außerdem, auf Regierungen zuzugehen, um anstehende Fragen und Bedenken zu klären und über .xxx zu informieren.

Ob die nicht leicht berechenbare Regierungsgruppe in der ICANN sich dieses Mal besänftigen lässt, ist derzeit noch nicht klar. Die ersten Kommentare von Unternehmen oder Privatnutzern, die bereits am Wochenende auf der von ICANN frei geschalteten Anhörungsseite veröffentlicht wurden, wiederholen die altbekannten Argumente für und gegen die Rotlichtdomain. Gegen .xxx hatte ICANN schon bei der ersten Ablehnung ins Feld geführt, dass ICM und IFFOR von einigen Vertretern der Erotikbranche als Betreiber einer Erotik-Adresszone abgelehnt würden. Kommentare zum neuen Vertrag werden noch bis 5. Februar entgegengenommen.

Gerade in der vergangenen Woche kündigte ICANN an, man werde die Ende 2003 gestartete Runde zur Einführung neuer Spezialdomains jetzt schließen. Von den zehn angetretenen Bewerbern sind nach drei Jahren die Adresszonen .cat, .jobs, .mobi und .travel im Netz, noch bei den Startvorbereitungen sind .tel und .asia. Zurückgezogen hat Jeff Pulver die Bewerbung für .tel und VeriSign für .mail. Noch in Verhandlungen ist neben .xxx die Universal Post Union (UPU). Für .post soll bis spätestens 30. Juni eine endgültige Entscheidung getroffen werden. Immerhin will man möglichst noch in diesem Jahr ein neues Standardverfahren für die Einführung neuer Adresszonen vorantreiben oder sogar gleich starten. (Monika Ermert) / (jk)