Neuer Chef der US-Regulierungsbehörde patzt bei der Netzneutralität

Tom Wheeler, frisch gebackener Vorsitzender der Federal Communications Commission, hat erstmals seine Idee eines "offenen Internets" erläutert. Ein Zwei-Klassen-Netz schließt er dabei nicht aus.

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Tom Wheeler, frisch gebackener Vorsitzender der Federal Communications Commission (FCC), hat erstmals seine Idee eines "offenen Internets" erläutert. Ähnlich wie die EU-Kommission sieht der neue Chef der US-Regulierungsbehörde dieses nicht im Widerspruch zu einem Zwei-Klassen-Netz mit einem normalen Übertragungspfad für den Großteil der übertragenen Datenpakete und einer mautpflichtigen Überholspur für spezielle Inhalte.

Der Markt werde sich wohl so fortentwickeln, dass es unterschiedliche Preis- und Servicemodelle gibt, erklärte der frühere Lobbyist für die Mobilfunk- und TV-Kabelbranche Anfang der Woche in einer Fragerunde nach seiner ersten offiziellen öffentlichen Rede an der Ohio State University. Und er glaube nun einmal ganz stark an die Kräfte des Marktes.

Initiativen für alternative Abrechnungsmodelle unter Verweis auf verschiedene Servicequalitäten werden von Providern und Ausrüstern seit Langem als Strategie zum Aufweichen der Netzneutralität ins Feld geführt. Sie wollen damit dem traditionellen "Best-Effort"-Internet, in dem alle Datenpakete möglichst mit gleicher Priorität transportiert werden, teurere "Spezialdienste" an die Seite stellen.

Wheeler denkt in diesem Sinne an einen künftigen "zweiseitigen Markt". In diesem Umfeld könnten sich große Inhalteanbieter wie der US-Videodienst Netflix selbst darauf kommen, dass sie einen Aufpreis zahlen, um ihren Kunden einen Film per bestmöglicher Übertragungsqualität auszuliefern. Er stehe aber natürlich zu den FCC-Prinzipien zur Netzneutralität. Die Behörde werde weiter beobachten, wie sich das offene Internet entwickle und darauf basierend Entscheidungen treffen.

US-Bürgerrechtsorganisationen wie Public Knowledge werfen dem Regulierer aber vor, gerade bei der Marktanalyse schon jetzt zu versagen und zu wenig für den Wettbewerb zu tun. Sie fordern Wheeler auf, seine Vorstellung eines "offenen Internets" zu überdenken und klarzustellen, inwieweit er gegebenenfalls auch gegen Verstöße gegen die Netzneutralität vorgehen wolle.

2011 sind die Leitlinien der FCC in Kraft getreten. Sie verpflichten Netzbetreiber, die Verbreitung "rechtmäßiger" Inhalte, Anwendungen und Dienste in ihren Leitungen sowie den Anschluss von Endgeräten nicht zu behindern. Eine "unangemessene Unterscheidung" zwischen Datenpaketen beim Transfer legitimen Netzverkehrs wird untersagt. Spezielle Breitband-Zusatzdienste etwa in den Bereichen E-Health oder Internet-TV sollen zunächst von der Regulierung ausgenommen und im Gegenzug gesondert im Blick gehalten werden. Gegen die Prinzipien sind mehrere Klagen anhängig. (anw)