Neuer Medienstaatsvertrag: "Die knappe Ressource ist Sichtbarkeit"

Seite 2: Intermediäre auf Augenhöhe mit Sendern

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Der Zeitplan

(Bild: heise online/Kleinz)

Diesen Intermediäre sollen Regulierungen aufgetragen werden, wie sie bisher eher Rundfunkanbietern vorbehalten waren. Neben neuen Verpflichtungen zum Jugendschutz sollen sie auch ein Diskriminierungsverbot und Must-Carry-Regelungen enthalten, die Anbietern vorschreiben, bestimmte Inhalte auf ihren Plattformen auszuspielen. Zudem ist im Gespräch, Inhalte mit "public value" – also: öffentlichem Interesse – eine besondere Sichtbarkeit zu garantieren.

Den Intermediären soll an anderer Stelle etwas mehr Spielraum gegeben werden. Die Regelungen zur "Signalauthentizität" sollen zum Beispiel gelockert werden, so dass es prinzipiell auch möglich sein könnte, TV-Inhalte mit anderen Inhalten zu überblenden. Diese sollten aber genau vom Nutzer kontrolliert werden. "Wir gehen hier vom mündigen Bürger aus", sagte Raab.

Während in Köln Marktteilnehmer und Regulierer die Pläne als Schritt in die richtige Richtung bezeichneten, zeigten sich im Detail deutliche Unterschiede. So bestand Staatssekretärin Raab darauf, dass das rheinland-pfälzische Landesprogramm des SWR auch in Berlin über DVB-T-Antenne zu empfangen sein müsse – für sie ein Ausdruck des demokratischen Föderalismus.

Die Plattformbetreiber sehen solche Ansinnen eher kritisch. Alexander Scheuer, Leiter Medienpolitik und Medienregulierung der Deutschen Telekom, sieht weitgehende Vorschriften an der Grenze zur Europarechtswidrigkeit. Zudem müssen man sich die Frage stellen, welche Inhalte überhaupt nicht privilegiert werden sollten. "Rote Rosen sehe ich nicht als public value. Frauentausch sehe ich nicht als public value. RTL gesamt sehe ich nicht als public value." Einen Regelungsbedarf gebe es hier gar nicht: Schon aus Eigeninteresse seien Fernsehsender auf den Plattformen des Telekommunikationskonzerns prominent platziert. Zudem seien die mündigen Bürger sehr wohl fähig, gewünschte Inhalte zu finden.

Arnd Haller, Leiter der Rechtsabteilung von Google Germany, stellte in Frage, wieso der Medienstaatsvertrag Regelungen für Medienvielfalt enthält. "Wir sind keine Gatekeeper", betonte er – stattdessen öffneten Unternehmen wie Google die Tür für neue Inhalte, die bisher im Rundfunksystem keinen Platz haben. Deshalb sei die Medienvielfalt heute größer als je zuvor.

Auch Haller warnte vor weitgehenden Regelungen, die im Endeffekt nicht erfüllt werden könne. So sei Google bereits heute sehr transparent, wie Suchergebnisse zustande kommen. Wenn Landesmedienanstalten kontrollieren wollten, aufgrund welcher Überlegungen ein Ergebnis auf welchem Platz einer Suchergebnisliste gelandet sei, könne Google hier keine weiteren Angaben machen, da der Platzierung keine Kategorien zugrunde lägen, wie sie von Medienregulierern verwendet werden. Stattdessen seien die Platzierungen Ergebnis mathematischer Gleichungen, die von Medienregulierern höchstens kontrolliert werden könnten, wenn sie die Algorithmen im Einzelnen prüften. Die seien jedoch Geschäftsgeheimnis und würden Medienregulierern sowieso nicht weiterhelfen.

Gleichzeitig warnte Haller davor, dass gerade diejenigen, die auf Desinformation zu politischen Zwecken setzten, von den geplanten Regelungen profitierten könnten. Diese würden voraussichtlich versuchen, prominente Plätze bei Suchmaschinen und Portalen einzuklagen.

Widerspruch bekam er von Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen. So seien Vorschriften zum Schutz der Medienvielfalt notwendig, noch bevor eine konkrete Gefahr sichtbar sei. "Wenn sich einmal Meinungsmacht durchgesetzt hat, ist sie nicht mehr reversibel", sagte Schmid. Zudem zeigte sich schon heute, dass Intermediäre ihre eigenen Angebote bevorzugten, was beispielsweise bei den Audio-Assistenten von Amazon deutlich werden, die natürlich Musik vom eigenen Streaming-Dienst abspielten. "Radio Köln hat mir Alexa nie angeboten", sagte Schmid. (mho)