Nikon-Steuer und KI versus Copyright – die Fotonews der Woche 8/2023

Die Messe CP+ brachte vor allem neue Objektive, auch für Nikon Z, und aus den USA gibt es gute und schlechte Nachrichten zu KI-generierten Bildern.

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Kleiner kostet mehr - Sonys neues 50mm F/1.4 (rechts) hat gegenüber dem Vorgänger einen saftigen Aufpreis.

(Bild: heise online/cbr)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Nico Ernst
Inhaltsverzeichnis

Fotografen sind eine ganz eigene Spezies – und die kennt die Firmen, die ihr Handwerkszeug herstellen, ziemlich genau. Daher sind Firmenpolitik und Marketing meist ziemlich schnell durchschaut, vor allem, wenn sie über Jahrzehnte nach dem gleichen Muster durchgezogen werden. Ein Dauerärgernis ist, wie die Kamerahersteller mit Drittanbietern von Objektiven umgehen, beispielsweise Tamron oder Sigma.

Ihnen machen die Hersteller das Leben so schwer wie möglich. Die alternativen Linsen kosten manchmal bei fast identischer Leistung nur die Hälfte – das verdirbt das Geschäft. Lange mussten die Fremdanbieter dafür Mechanik und Elektronik nachbauen, das sogenannte Reverse Engineering. Viel ließ sich dabei nicht patentieren. Doch seitdem Objektive kleine Computer sind und mit der Kamera kommunizieren, ist das anders.

Beim Wechsel zu den spiegellosen Systemen haben die Kamerahersteller rechtlich aufgerüstet: Die Software in den Objektiven ist ebenso neu wie die Protokolle zur Datenübertragung, und juristisch wohl ziemlich gut geschützt. Anders ist kaum zu erklären, dass in dieser Woche Sigma drei Festbrennweiten für den Z-Mount vorstellt, mit dem ausdrücklichen Hinweis, diese seien mit Lizenzen von Nikon entstanden. Das kann man als Entschuldigung für vermutlich höhere Preise verstehen, aber auch als Vermerk der Art: Könnt Ihr beruhigt kaufen, wird nicht durchs nächste Firmwareupdate der Kamera unbrauchbar.

Insbesondere Canon und Nikon gerieten hier im spiegellosen Zeitalter immer wieder in die Kritik. Die optisch identischen Drittobjektive sind oft deutlich teurer als etwa die für Sonys E-Mount. Das bleibt bei den Kunden nicht unbemerkt, und im Heise-Forum wurde dafür der schöne Begriff der Nikon-Steuer verwandt, der sich aber auch schon früher im Internet findet. Wir haben das für die Überschrift dieser Kolumne mal ausgeborgt, Titelschutz ließ sich für den Gag nämlich nicht finden.

Beim Streit um Objektive für Dritthersteller geht es inzwischen nicht nur ums Geld, es ist ja verständlich, dass die Kamerahersteller ihre Investition in Forschung und Entwicklung schützen und wieder verdienen wollen. Die restriktive Firmenpolitik hat dazu geführt, dass man auf bereits existierende Linsen, wie hier von Sigma, Jahre auf Modelle für ein neues Bajonett warten muss. Bis dahin ist die Auswahl schlicht geringer. Drei verschiedene Brennweiten mit f/1.4 für den Z-Mount mit Autofokus gab es bisher nicht. Und auch echte Schnäppchen wie das vor 13 Jahren vorgestellte Tamron SP AF 70-300mm (ab 349 €) 4.0-5.6 Di VC USD sind vom Markt verschwunden. Lange war dieses überraschend scharfe Tele für rund 300 Euro zu haben – viel Glück beim Suchen nach einem solchen Objektiv für neue Kameras.

Die Originalhersteller lassen sich derweil ihre echten Neuentwicklungen zunehmend teurer bezahlen, was nicht nur für Nikon gilt. Aktuelles Beispiel bei Sony ist das FE 50 mm F1.4 GM, das sagenhafte 1.700 Euro kostet. Der Vorgänger, sogar mit Zeiss-Branding, kostet aktuell um 1.300 Euro, erschien aber auch für einen ähnlichen Preis – nur: Dass sich Marktpreise wieder derart einpendeln, ist nach den Erfahrungen der letzten Jahre nicht mehr zu erwarten. Vor allem, weil es eben weniger Konkurrenz gibt. Das neue Sony ist dennoch ein faszinierendes Kreativgerät und bringt tolle Leistungen.

Eine ebenso unendliche Geschichte wie die der Fremdobjektive ist auch das Urheber- beziehungsweise Verwertungsrecht von Bildern. Wie verkorkst das sein kann, zeigt allein schon die Überschrift zum neuesten Aufreger: "Foto von Fototapete verletzt Urheberrecht des Fototapeten-Fotografen". Die Rechtslage ist dermaßen verzwickt, dass sich das kaum zusammenfassen lässt, da hilft nur, wirklich den ganzen Artikel zu lesen.

Zumindest ein bisschen Regulierung kommt nun bei Generative AI in Schwung, also den durch maschinelles Lernen erzeugten Bildern. Das US Copyright Office hat einer Graphic Novel, vulgo: Comic, zum Teil den Schutz entzogen. Das US-amerikanische Copyright ist nur in Teilen mit dem deutschen Urheberrecht zu vergleichen, denn es regelt vor allem, wer durch Werke wie viel Geld verdienen kann. Die Behörde entschied zwar, dass die Autorin die Rechte an der erzählten Geschichte und dem Text verwerten kann, nicht aber an den Bildern, denn die stammten aus dem Generator Midjourney. Irgendwo sitzt bestimmt gerade jemand, der sich seine fiktionalen Geschichten zu den fiktionalen Bildern gleich von ChatGPT schreiben lässt, was dann das Copyright vor ganz neue Herausforderungen stellt.

Das Problem rechtlich weitgehender ungeregelter computergenerierter Bilder wird auch in anderen Bereichen immer größer. Die vermeintlich künstliche Intelligenz, eigentlich ja die Sammlung der Kreativität von echten Fotografen, erzeugt inzwischen Bilder, die kaum noch von bearbeiteten Arbeiten der tatsächlichen Bildkünstler zu unterscheiden sind. Die Versuchung liegt nahe, sich da gleich als professioneller Porträtfotograf auszugeben – ohne einmal ein Modell vor der Kamera oder gar das Haus verlassen zu haben.

So geschehen ist das nun bei Jos Avery, der mit rund 80 durchaus beeindruckenden Bildern in einigen Monaten seinen Instagram-Account auf über 26.000 Follower aufblasen konnte. Das tat er mit gestalteten Porträts von interessanten Personen und inszenierten, durchdachten Szenen – die aber überwiegend keine echten Menschen zeigen, denn sie stammen aus Midjourney. Avery verschwieg das, und gab auf Nachfragen auf der Plattform auch an, die Bilder seien mit Nikons D810 entstanden. Überspitzt gesagt, hat er nicht nur Fotos gefälscht, sondern gleich den Fotografen.

Inzwischen plagt ihn aber das Gewissen, sodass er die ganze Geschichte Ars Technica erzählte. Fleiß und Kreativität kann man Avery nicht absprechen, denn für die 80 Bilder generierte er mit komplexen Abfragen über 13.000 KI-Darstellungen, verwarf das meiste, und baute die gelungenen Darstellungen aus mehreren Bildern zusammen. Dann noch etwas Lightroom und Photoshop und fertig war das vermeintliche Meisterwerk. Gegenüber echten Fotos fehlt da nur die Arbeit mit Menschen, Licht, Location und Wetter, eben das, was die meiste Mühe macht. Das kann man natürlich als Demokratisierung von Fotokunst verstehen, aber wenn es nicht als KI-generierte Darstellung gekennzeichnet ist, handelt es sich eben doch nur um Mogelei.

(nie)