Nokia baut an der Tür ins Netz

Der finnische Mobilfunkriese feilt weiter an seiner Dienste-Strategie und stellt neue Angebote für die Netzplattform "Ovi" ("Tür") vor.

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Bei der Handyherstellung macht den Finnen niemand etwas vor, schon lange ist Nokia unangefochtener Marktführer. Doch ist der Mobilfunkriese auch auf neuem Terrain unterwegs, auf dem er sich stärkerer Konkurrenz gegenübersieht. Mit Ovi versuchen die Finnen seit einem Jahr eine Plattform zu etablieren, auf der die Welten Internet und Mobilfunk zu einer praktischen Nutzererfahrung vereint werden sollen. Zunächst eröffnete "Ovi" (finnisch für "Tür") den Zugang zu kostenpflichtigen Angeboten wie Nokia Maps, dem Nokia Music Store und einem unter der glücklosen Marke N-Gage firmierenden Shop für mobile Spielchen. Das groß angekündigte Projekt entwickelte sich in den vergangenen Monaten eher zögerlich, wie es heißt unter anderem wegen Software-Problemen.

Am heutigen Dienstag stellt der Konzern mit neuen Diensten die nächste Ausbaustufe der Plattform vor. Die zunächst als Beta-Version angebotenen Dienste umfassen Speicherplatz für Dateien und Fotos, Kalender und Adressverwaltung sowie die Synchronisation mit geeigneten Nokia-Handys oder dem PC. Neu bei Ovi ist der Online-Speicherplatz und die Integration der anderen Dienste – den Foto- und Mediendienst Share hatte Nokia bereits im Frühjahr vorgestellt. Nokia begreift Ovi als "Work in Progress": Mit der Einführung neuer Dienste sei "die Entwicklung noch nicht abgeschlossen", ergänzt Nokias Vizepräsident für Produktmanagement, Jussi Nevanlinna. "Sie bildet vielmehr erst den Anfang."

Nokia verpasst der Synchronisationsplattform ein hübsches Web-2.0-Outfit und erinnert damit an integrierte Dienste von Microsoft, Google, Yahoo und Apple oder Angebote wie Flickr – das sind die Spieler, mit denen sich die Finnen hier messen wollen. Dahinter steckt Nokias erklärte Strategie, sich verstärkt im Dienstegeschäft zu etablieren und damit weniger abhängig vom Handy-Geschäft zu werden. Der Mobilfunkmarkt weist nur noch in Schwellenländern wirkliches Wachstumspotenzial auf. Das führte zu sinkenden Einnahmen pro Handy. Erst am vergangenen Freitag hatte Nokia die Prognose für den eigenen Weltmarktanteil senken müssen.

Der Abstecher ins Dienstegeschäft ist bei weitem kein Selbstläufer für die Finnen. Nokias Engagement im Dienste-Bereich wird auch bei den Netzbetreibern argwöhnisch beobachtet, die dort selbst ihre Chance auf weiteres Wachstum sehen. Nokia muss sich diesen Bedenken stellen und seine besten Kunden besänftigen: Von der Kooperation der Carrier und ihrer Preispolitik für Datenübertragung wird auch der Erfolg neuer mobiler Dienste abhängen. Ein weiterer Erfolgsfaktor werden eine niedrige Einstiegsschwelle und breite Kompatibilität sein.

Doch Nokias "Tür ins Netz" öffnet sich nicht für jeden. Die zur Synchronisation nötige Software gibt es zunächst nur für Windows-PCs, eine Mac-OS-X-Version soll folgen. Auch Ovi Files, der kostenpflichtige Web-Datenspeicher, lässt sich nur mit Windows XP oder Vista nutzen. Beschränkungen machen den Nutzern auch bei anderen Mediendiensten des Mobilfunkriesen zu schaffen. Proprietäre Kopierschutzmaßnahmen verengen den Zugang zum Music Store und auch das angekündigte "Comes With Music" kommt eher mit Fragezeichen: Medienberichten zufolge soll der in Großbritannien beim Carrier Carphone Warehouse startende Dienst, bei dem eine einjährige Musikflatrate über den erhöhten Gerätepreis abgegolten wird, eins nicht können: Musik per Mobilfunk direkt auf das Handy zu laden. (vbr)