Oberster US-Gerichtshof will Entscheidung zu Trivialpatenten fällen

Der Supreme Court nimmt sich eines Falles an, in dem die Kriterien zur Offensichtlichkeit gewerblicher Schutzrechte überprüft werden sollen. Microsoft und Cisco plädieren dabei für höhere Hürden zur Patenterteilung.

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Der Oberste US-Gerichtshof nimmt sich eines Falles an, in dem die Kriterien zur Offensichtlichkeit gewerblicher Schutzrechte überprüft werden sollen. Die kanadische Autozulieferfirma KSR International hatte nach einer langjährigen juristischen Auseinandersetzung um eine Technik zur elektronischen Pedalsteuerung mit der US-Firma Teleflex Ende 2005 den Supreme Court angerufen. Sie hofft auf eine Grundsatzentscheidung zur Eindämmung trivialer Patente. Die höchsten Richter der USA haben nun beschlossen, tatsächlich ein Urteil zu dem Streit zu fällen.

Die Firma Teleflex behauptete 2001, dass ihre Patente alle Formen der Pedalsteuerung über elektronische Sensoren abdecken, und forderte Lizenzzahlungen von KSR. Die Kanadier berufen sich dagegen darauf, dass die von Teleflex zum Patent angemeldete Kombination "bereits existierender, vom Regal weg zu kaufender Komponenten" offensichtlich und nicht schützenswert sei. Ein Detroiter Bundesrichter gab der Zulieferfirma zunächst Recht und erklärte das Teleflex-Patent für nichtig. Im Januar 2005 entschied das zuständige Bundesberufungsgericht, der Federal Circuit Court of Appeals, aber größtenteils zugunsten des US-Unternehmens. KSR hat nach Ansicht der Richter keine ausreichenden Nachweise über bereits vor der Patenterteilung bestehende ähnliche Erfindungen vorgelegt. Die "Offensichtlichkeit" der Technik hätte nicht ausreichend begründet werden können.

Die Kanadier wollen letztlich mit ihrer Klage vor dem Supreme Court erreichen, dass das US-Patentamt überhaupt keine Patente mehr gewährt, wenn die erhobenen Schutzansprüche sich allein auf die Verknüpfung bereits bekannter Funktionen beziehen. Das Berufungsgericht hat laut KSR unrechtmäßig eine schädliche Rechtsprechungspraxis im Bereich der "Offensichtlichkeit" von Patentansprüchen entwickelt. Gemäß einem US-Bundesgesetz von 1952 hat im Patentrecht eine "Erfindung" als trivial und damit nicht schutzwürdig zu gelten, wenn ein Experte auf dem betroffenen Fachgebiet sie als offensichtlich bezeichnet. Vergleichbare Formulierungen kennt auch das europäische Patentrecht.

Das Bundesberufungsbericht hält es jedoch zusätzlich in seiner Einschränkung der Offensichtlichkeitsregel für erforderlich, dass es "eine Unterrichtung, einen Hinweis oder eine Motivation" gegeben haben muss, bevor eine Erfindung als trivial bezeichnet werden kann. Demnach ist eine neue Kombination bereits bekannter Techniken hinreichend, um einen Monopolanspruch zu erhalten. Nur für den Fall, dass ein Kläger Hinweise auf identische bestehende Erfindungen vorlegt, wird die Offensichtlichkeit des Anspruchs akzeptiert.

KSR hält diese weitgehende Absolution trivialer Patente für nicht vereinbar mit der ursprünglichen Definition offensichtlicher und damit abzulehnender Schutzansprüche, wie die Firma in ihrer Beschwerde (PDF-Datei) vor dem Obersten Gerichtshof erläutert. Schwergewichtige Unterstützung haben die Kanadier aus der Computerindustrie erhalten. So haben Cisco und Microsoft eine Eingabe (PDF-Datei) an den Supreme Court verfasst. Darin erklären sie, dass der Berufungsgerichtshof einen zu "schwachen Standard für die Patentierbarkeit etabliert". Dies könne die "wahre Innovation" behindern, weil es die Verbreitung von Ideen mit einer Hypothek belaste, die weit über die gesetzlichen Grenzen zum Schutz patentierbarer Erfindungen hinausgehe.

Weiter argumentieren die beiden Computerfirmen, dass "die freie und öffentliche Verwendung von Informationen in der Public Domain durch neue Monopole erschwert wird, wenn routinemäßige Variationen früherer Erfindungen erneut patentiert werden können". Die Öffentlichkeit habe auch nichts von der Offenlegung solcher Patente, da die so deutlich werdenden Änderungen zum Stand der Technik irrelevant seien. Darüber hinaus unterstützt selbst die US-Regierung die kanadische Firma in ihrer Klage. Auch sie sorgt sich, dass die Zusammenführung "bekannter Elemente" als schutzwürdige Erfindungen durchgehen. Beobachter bauen darauf, dass der hoch aufgehängte Fall auch die Debatte um die Reform des US-Patentwesens beflügelt. Abgeordnete wollen mit gesetzgeberischen Initiativen insbesondere Abhilfen gegen "Patent-Trolle" schaffen, die das System für Lizenzforderungen oder gerichtliche Auseinandersetzungen missbrauchen. Ein Ausschluss etwa von Software oder Geschäftsmethoden von der Patentierbarkeit steht dabei aber nicht auf der Agenda.

Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (jk)