Oberstes US-Gericht lotet Sinn von Softwarepatenten aus

Die Richter des Supreme Court ließen in der mündlichen Verhandlung des "Bilski-Falls" deutliche Skepsis gegenüber gewerblichen Schutzrechten auf Geschäftsmethoden und Computerprogramme erkennen.

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Die Richter des Obersten US-Gerichthofs ließen in der mündlichen Verhandlung zum viel beachteten Fall des US-Programmierers Bernard Bilski durch die Bank deutliche Skepsis gegenüber gewerblichen Schutzrechten auf Geschäftsmethoden und Computerprogramme erkennen. Laut dem Protokoll (PDF-Datei) der gut einstündigen Anhörung suchten die Hüter der US-Verfassung vor allem nach praktikablen Grenzen der Patentierbarkeit. So fragte sich selbst die Richterin Sonia Sotomayor, die als einstige Patentanwältin als Fürsprecherin einer Ausweitung der Rechte an immateriellen Gütern galt, ob nach dem Bestreben des Klägers nicht auch eine "Methode fürs Speed-Dating" schutzwürdig sei.

Auch die anderen Vertreter des Supreme Courts warfen immer wieder hypothetische Fragen auf, um sich die Dimension der behandelten Materie vor Augen zu führen. Richter Stephen Breyer wunderte sich, ob gemäß dem Ansatz Bilskis nicht auch seine Methode zur Unterrichtung von Kartellrecht patentierbar sein müsste, bei der "80 Prozent der Studenten wach bleiben". Sein Kollegen Anthony Kennedy und Antonin Scalia fragten nach der Schutzwürdigkeit der "Erfindungen" eines komödiantischen Radio-Moderators oder eines Verfahrens zur Berechnung der Lebenserwartung der Bevölkerung anhand offizieller statistischer Daten.

Zur Debatte stand der Anspruch des Klägers und eines Kollegen auf einen zeitlich beschränkten Monopolschutz für ein Verfahren, mit dem angeblich durch externe Faktoren verursachte Schwankungen in der Verbrauchernachfrage nach allgemein verfügbaren Gütern wie Energie vorhergesagt werden können. Das US-Patentamt hatte den Antrag zurückgewiesen, da es sich um ein rein ökonomisches Verfahren ohne expliziten Bezug zur Technik handle. Dieser Ansicht hatte sich das Berufungsgericht in Washington vor einem Jahr angeschlossen. Es verwies darauf, dass patentierbare Programme oder Verfahren auf eine spezielle Maschine oder einen Apparat bezogen sein oder einen bestimmten Gegenstand in einen anderen Zustand oder eine andere Sache umwandeln müssen. Bilski und sein Partner befürchten angesichts dieses "Tests" einen "Rückfalls ins 19. Jahrhundert".

Der Anwalt des um seinen Patentanspruch streitenden Klägers, Michael Jakes, betonte, dass sich alle einig seien, dass etwa Werke der "schönen Künste" wie Gedichte oder Romane nicht für einen gewerblichen Rechtsschutz in Frage kämen. Sobald eine Erfindung aber neuartig, nützlich und nicht offensichtlich sei, dürfe ihr der Patentschutz nicht generell aberkannt werden. Während Jakes' weit gehende Haltung offenbar war, kam der Abgesandte der Verteidigung, Malcolm Stewart aus dem US-Justizministerium, ab und an ins Schwimmen bei der Abgrenzung zwischen den seiner Ansicht nach berechtigten Schutzansprüchen auf Geschäftsmethoden und Software einerseits und den von Patentansprüchen auszuschließenden Trivialpatenten andererseits. So schien den Richtern sein Beispiel, wonach Graham Bells Schutzrecht auf das Telefon sich auf die physische Übertragung und Manipulation elektronischer Signale beziehe und somit deutlich etwa von einem Schreibstil eines Bestseller-Autors abzugrenzen sei, nur neue Ungewissheiten aufzubringen.

Der Präsident des Gerichts, John Roberts, schüttelte zugleich den Kopf über ein weiteres von Stewart bemühtes Beispiel, wonach eine Methode zur elektronischen Preisabsprache durchaus patentierbar sein könnte. Das wäre genauso, wie wenn man den Prozess auf einem Drucker ausdrucken würde und ihn dann für schutzwürdig erklärte, meinte Roberts. Stewart versuchte zu kontern, dass es sicher nicht ausreiche, etwa einen Taschenrechner mit seinen vorgegebenen Faktoren zu nutzen. Aber wenn ein Computer mit neuer Software gefüttert werde und damit zusätzliche Funktionen erhalte, komme man der Sache schon näher. Der Anwalt beschwor daher die Richter, in dem Fall keine Grundsatzentscheidung zu fällen und harte Bedingungen aufzustellen, unter denen Innovationen im Bereich von Computerprogrammen oder medizinischen Diagnose-Techniken nur noch patentwürdig seien.

Trotz der kniffligen Fragen ließen die Richter nicht erkennen, ob sie mit einem Urteil die über die Jahre hinweg immer wieder ausgedehnte Materie schutzfähiger Erfindungen einschränken wollen. Breyer etwa räumte ein, dass er keine Vorstellung davon habe, welche Grenzen der Patentierbarkeit die Anforderungen des Berufungsgerichts für die Computerwelt oder den medizinischen Sektor genau mit sich brächten. Die niedere Instanz habe viel Raum gelassen für künftige Interpretationen seines Tests. Die Richterin Ruth Bader Ginsburg schien mit einem System wie in Europa zu liebäugeln, das ihrem Verständnis nach eine schutzwürdige Erfindung an das Feld von "Wissenschaft und Technologie" knüpfe. Zugleich fürchtete sie, dass zu strenge Regeln des Gerichts Innovationen der Zukunft nicht berücksichtigen könnten. (jk)