Open Access erneut auf der Agenda der europäischen Forschungspolitik

Die Arbeit am Europäischen Forschungsraum geht weiter: Ab heute können Interessierte im Rahmen des Konsultationsverfahrens daran mitwirken. Ein Punkt der Anhörung ist erneut das Problem des freien Zugangs zu wissenschaftlichen Ergebnissen.

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Von
  • Richard Sietmann

EU-Forschungskommissar Janez Potocnik macht sich dafür stark, die Freizügigkeit des Wissens als fünfte Säule neben dem in den EU-Verträgen angestrebten freien Binnenmarkt für Waren, Dienstleistungen, Kapital und Arbeit zu etablieren. In dem von ihm erarbeiteten Grünbuch "Der Europäische Forschungsraum: Neue Perspektiven" (PDF-Datei), das die Brüsseler Kommission im April verabschiedete, hatte Potocnik sechs Bereiche skizziert, auf denen die Gemeinschaft vorankommen muss, wenn sie das im Jahre 2000 auf dem Lissaboner Gipfel gesteckte Ziel eines einheitlichen Forschungsraumes in Europa erreichen will.

So müsse dazu unter anderem die Fragmentierung des öffentlichen Forschungssektors überwunden werden, die sich zunehmend als Standortnachteil für Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen der Wirtschaft erweise. Vielen Forschungseinrichtungen in Europa fehle die kritische Masse, so dass sie unter den Beschränkungen der "suboptimalen nationalen Systeme" Schwierigkeiten hätten, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln die in sie gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Im Durchschnitt sei die Qualität der öffentlichen Forschung zwar gut, doch in vielen Einrichtungen entspreche sie nicht dem höchsten internationalen Niveau. "Daher sind Konzentration und Spezialisierung notwendig", heißt es in dem Grünbuch.

Ob das auch die Schließung nationaler Einrichtungen zugunsten der europäischen Harmonisierung beinhaltet, geht daraus nicht hervor; diplomatisch heißt es nur, "zwischen Wettbewerb und Zusammenarbeit muss das richtige Gleichgewicht gefunden werden". An der Suche können sich ab heute im Rahmen einer Konsultation bis zum 31. August alle Interessierten und Betroffenen – Forscher, Wissenschaftsorganisationen, Universitäten, Unternehmen, Organisationen der Zivilgesellschaft wie auch einzelne Bürger – beteiligen. Auf der Basis des Konsultationsverfahrens will die Brüsseler Kommission im kommenden Jahr gezielte Initiativen entwickeln und vorstellen.

In dem Katalog von 35 Fragen, mit dem der Forschungskommissar zur Diskussion anregt, geht es beispielsweise auch um die Förderung der europaweiten Mobilität für Wissenschaftler durch harmonisierte arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen. So lautet eine der in diesem Zusammenhang zur Diskussion gestellten Fragen, wie sich für Forscher "Flexicurity" – die Verbindung von Beschäftigungssicherheit und Flexibilität – auf dem Arbeitsmarkt erreichen lässt.

"Die Erzeugung, Verbreitung und Nutzung von Wissen bilden den Kern des Forschungssystems", betont das Grünbuch unter der Überschrift "Austausch von Wissen"; "der zuverlässige, kostengünstige und dauerhafte Zugang zu wissenschaftlichen Forschungsergebnissen, sowie deren weite Verbreitung, sollten daher das Fundament der europäischen Forschungslandschaft bilden". Gleichwohl stellt die Kommission nun noch einmal das "Open-Access"-Modell des für jedermann kostenfreien Zugang zu den Ergebnissen der öffentlich geförderten Forschung zur Diskussion: "Bedarf es auf EU-Ebene Regularien und Verfahren", will sie in dem Fragenkatalog wissen, "um den freien Zugang zu den Rohdaten und zu den wissenschaftlichen Veröffentlichungen der Ergebnisse aus der öffentlich geförderten Forschung sicherzustellen und zu verbessern?"

Dabei schien diese Frage längst positiv beantwortet. Speziell zu Open Access hatte die Kommission schon einmal eine Konsultation durchgeführt, nachdem eine von ihr in Auftrag gegebene Studie (PDF-Datei) zu dem Ergebnis kam, dass ökonomische Fehlentwicklungen des traditionellen Publikationswesens die Verbreitung des Wissens und den wissenschaftlichen Fortschritt in einer Zeit behindern, in der das Internet das Potenzial zu einer dramatischen Verbesserung bietet. Und die Anfang des Jahres ins Netz gestellte Petition europäischer Forschungsorganisationen mit der Forderung nach einer Verpflichtung der Zuwendungsempfänger bei der Mittelbewilligung, dass "Veröffentlichungen aus der EU-finanzierten Forschung nach einer gewissen Zeitspanne in Open-Access-Archiven verfügbar sein sollten", haben inzwischen mehr als 25.000 Unterstützer unterzeichnet.

Doch bei der Vorlage des Strategiepapiers "Wissenschaftliche Informationen im Digitalzeitalter" (PDF-Datei) im Februar konnte sich die Kommission nicht einmal dazu durchringen, der Empfehlung ihres European Research Advisory Board (EURAB) zu folgen. Auch dieses Gremium, das je zur Hälfte aus Vertretern der Wirtschaft und der Wissenschaft besteht, hatte der Kommission nahegelegt, dass Forscher, die Mittel aus dem Siebten Forschungsrahmenprogramm der EU erhalten, ihre Arbeiten spätestens ein halbes Jahr nach der Publikation in einer Zeitschrift frei im Internet zugänglich machen sollten. (Richard Sietmann) / (anw)