EU-Kommission fördert Open-Access-Publikationen

Mit insgesamt 85 Millionen Euro will Brüssel den Aufbau von Infrastrukturen, die digitale Archivierung sowie die Interoperabilität und Mehrsprachigkeit rund um kostenlos zugängliche wissenschaftliche Veröffentlichungen verbessern.

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Die EU-Kommission hat ein 85 Millionen Euro schweres Programm zur Förderung wissenschaftlicher Veröffentlichungen in der EU gemäß dem "Open Access"-Modell aufgelegt. Dabei geht es um die zeitnahe Publikation von Forschungsergebnissen in speziellen Online-Archiven ohne Kosten für die Nutzung durch die Allgemeinheit. "Neue Ideen beruhen gewöhnlich auf den Ergebnissen vorheriger Forschungsarbeiten", erklärte Wissenschaftskommissar Janez Potocnik bei der Vorstellung eines entsprechenden Grundsatzpapiers (PDF-Datei) der Brüsseler Behörde über "Wissenschaftliche Informationen im Digitalzeitalter". Es müsse daher sichergestellt werden, "dass der wissenschaftliche Informationsfluss einen Beitrag zur Innovationstätigkeit und Forschungsexzellenz im europäischen Forschungsraum leistet."

In dem Strategiepapier schließt sich die Kommission einer Ministererklärung der OECD sowie der Forderung aus einer aktuellen, von rund 20.000 Surfern unterzeichneten Petition von Wissenschaftsvereinigungen an, wonach "Forschungsdaten von vollständig öffentlich finanzierter Forschung im Prinzip allen zugänglich sein sollten." Außerdem hat die Brüsseler Behörde insbesondere "die Notwendigkeit klarer Strategien zur digitalen Bewahrung wissenschaftlicher Informationen" im Blick. Sie hält allgemein Maßnahmen für notwendig, "die zu besserem Zugang zu und weiterer Verbreitung von wissenschaftlichen Informationen führen". Was wissenschaftliche Artikel anbelangt, so "beobachtet die Kommission Experimente mit Open-Access-Veröffentlichungen und zieht solche in Betracht." Dabei beruft sie sich unter anderem auf die von knapp 200 Organisationen gestützten Berliner Erklärung zur Verbreitung von Wissen gemäß dem Open-Access-Prinzip.

Konkret sollen beispielsweise im Umfeld des siebten Forschungsrahmenprogramms durch Veröffentlichungen entstehende Projektkosten etwa für die Anlage von frei zugänglichen Archiven als förderfähig angesehen und rückerstattet werden. Die Kommission will die Forschungsgemeinschaft "darin bestärken, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen", und etwa spezifische Leitlinien zur Publikation von Artikeln in offenen Datenbanken nach einer Sperrfrist herausgeben. Ferner hat die Kommission für den Zeitraum 2007 bis 2008 annähernd 50 Millionen Euro zur Unterstützung der Koordinierung und Vernetzung von Infrastrukturen für die europaweite Speicherung wissenschaftlicher Daten und 25 Millionen Euro für Forschung im Bereich der Erhaltung digitaler Inhalte vorgesehen.

Im Rahmen des Programms "eContentplus" sollen weitere zehn Millionen Euro für die Verbesserung der Interoperabilität und des mehrsprachigen Zugangs zu wissenschaftlichen Sammlungen fließen. Um die Debatte und den politischen Prozess zu befördern, kündigte die Kommission zudem an, noch in diesem Jahr eine Studie über die wirtschaftlichen Implikationen der Bewahrung digitaler Inhalte zu lancieren.

In dem zehnseitigen Grundsatzpapier merkt die Brüsseler Behörde kritisch an, dass in den letzten zwanzig Jahren die Kosten für das Abonnieren von wissenschaftlichen Zeitschriften durchschnittlich um mehr als die Inflationsrate gestiegen seien. Das habe öffentlich getragene Bibliotheken als ihre Hauptkunden vor finanzielle Probleme gestellt und in einigen Fällen zur Kündigung von Abonnements geführt. Verleger wiederum würden argumentieren, dass die Preissteigerungen auf die wachsende Zahl an unterbreiteten Artikeln, das steigende Volumen von Zeitschriften und höhere Benutzungsquoten zurückzuführen sei. Die von Verlegern den Bibliotheken und deren Konsortien angeboten Pauschalangebote seien Forschungsorganisationen in ganz Europa zwar einerseits zugute gekommen. Andererseits hätten sie aber zu dem neuen Problem geführt, dass die Haushalte von Bibliotheken nun durch mehrjährige und relativ rigide Verträge inflexibel würden.

Die Verlegerseite reagierte im Rahmen einer zweitägigen Konferenz in Brüssel über künftige digitale Geschäftsmodelle angespannt auf die Mitteilung der Kommission. Der Geschäftsführer der Branchenvereinigung STM (International Association Scientific, Technical & Medical Publishers), Michael Mabe, betonte die Notwendigkeit, "in den Debatten mit dem Ministerrat und dem europäischen Parlament eine Balance in diesen komplexen Angelegenheiten zu erzielen".

In ihrer "Brüsseler Erklärung" (PDF-Datei) verwies die STM zuvor auf die Gefahr, dass offene Archive mit angenommenen Manuskripten wissenschaftlicher Artikel die Abonnement-Umsätze der Zeitschriften "destabilisieren" und die zuvor erfolgende kostspielige Begutachtung der Beiträge durch Experten gemäß dem "Peer Review"-Prinzip unterwandern könnte. Mabe ergänzte, dass das Grundsatzpapier der Kommission nicht deutlich gemacht habe, warum ein staatlicher Eingriff in das Publikationswesen überhaupt nötig sei. Es drohe, "ein Geschäftsmodell über das andere" gestellt zu werden. Alle Beteiligten würden verlieren, wenn das für die Wissenschaft und die Gesellschaft so wichtige "Peer Review"-System leide.

Zum Open-Access-Modell für wissenschaftliche Veröffentlichungen siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)