Oracle vs. Google: War Mobile Java schon vor Android im Niedergang begriffen?

Vor den Abschlussplädoyers und der anschließenden Beratung der Jury wurden noch einmal zahlreiche Zeugen befragt, die die Vorwürfe auf Urheberrechtsverletzungen in Android beweisen oder entkräften sollten.

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Oracle vs. Google: War Mobile Java schon vor Android im Niedergang begriffen?
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Von
  • Alexander Neumann
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In den vergangenen Tagen hat Oracle bei den gerichtlichen Auseinandersetzungen zu möglichen Urheberrechtsverletzungen durch die Verwendung mehrerer Java-APIs in Android versucht, den Schaden durch Googles mobiles Betriebssystem für Oracle beziehungsweise Sun Microsystems zu veranschaulichen. Google versuchte laut dem Berichterstatter der IT-Nachrichten-Website Ars Technica hingegen, die Bedeutung des vor Android meist in mobilen Geräten genutzten Java herunterzuspielen.

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Vor Gericht sagte Neil Civjan, von 2003 bis 2010 Sun Vice President Worldwide Sales, aus, dass Sun einst 2,6 Milliarden Java-basierter Telefone gezählt habe, die 85 Prozent aller Mobilgeräte ausgemacht hätten. Doch dann habe Android sehr plötzlich und mit schnell wachsendem Erfolg die Bühne betreten, da es kostenlos zu haben gewesen war. Die Lizenzeinnahmen seien drastisch gesunken, weil Sun entweder Kunden verloren habe oder beim Preis gedrückt worden sei.

Kunden, darunter beispielsweise HTC, Sony Ericsson und Samsung, hätten argumentiert: "Wir können Android umsonst nutzen. Warum sollten wir Sun brauchen, da wir es günstiger bekommen können?" Der im Prozess von Oracle als Zeuge aufgerufene Ökonom Adam Jaffe kommentierte die Situation, dass es schwer sei, mit etwas "kostenlosem zu rivalisieren". Technisch seien beide Systeme durchaus vergleichbar gewesen, meinte Jaffe.

Civjan hatte offenbar schon kurz nach der Vorstellung von Android in einer Präsentation an Kollegen gemutmaßt, dass für Sun ein Verlust von 45 Millionen Dollar über einen Zeitraum von drei Jahren entstehen könnte. Googles Anwalt versuchte in der Folge Suns früheren Head of Sales zu korrigieren, indem er darauf hinwies, dass Sun ja weiter Lizenzen für die Java ME (Java Micro Edition), die nahezu allen Java-basierten Geräten zugrunde lag, verkauft habe, Android aber APIs der seit 2006 Open Source verfügbaren Java SE (Java Standard Edition) nutze. Civjan bestätigte auch, dass er in seiner Zeit bei Sun alle vereinbarten Einnahmeziele erreicht habe.

Als weiterer ehemaliger Sun-Angestellter war dann Alan Brenner, Senior VP von Suns Client-Systemen, geladen. Er schilderte, dass Sun durchaus sehr hartnäckig bei der Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte sein konnte und konterte damit Jonathan Schwartz Aussage aus der Vorwoche. Der ehemalige Sun-Chef hatte bei seiner Befragung eher den Eindruck erweckt, dass Sun mit Forks wie GNU Classpath und Apache Harmony habe leben müssen und es keine gängige Praxis gewesen sei, gegen diese rechtlich vorzugehen.

Googles Anwalt brachte nun außerdem eine interne Präsentation von Brenner zu Tage, die eine optimistische und eine konservative Schätzung lieferte, wie das Java-Lizenzgeschäft von 2007 bis 2010 zu erwarten wäre. Die optimistische sah einen Rückgang von 140 Millionen auf 105 Millionen Dollar pro Jahr vor, während die defensive Schätzung gar einen Rückgang auf 50 Millionen Dollar vorsah. Das sind für die Google-Seite klare Signale dafür, dass schon vor Android ein Niedergang bei Java verzeichnet wurde.

Der Alphabet- und frühere Google-CEO Larry Page verteidigte vor Gericht die Verwendung der Java-APIs in Android, da sie "frei und offen" gewesen seien. Ansonsten war von Page wenig Überraschendes zu vernehmen. Auf die Frage, ob Google nicht eine Lizenz hätte einholen müssen, wich der Manager aus, dass er sich nicht besonders mit Lizenzfragen auskenne. Zur Sprache kam außerdem die Mail von Android-Chefentwickler Andy Rubin, in der dieser darauf hingewiesen hatte, dass die Java-APIs urheberrechtlich geschützt seien. Diese war aber nicht explizit an Page gerichtet und durfte jetzt nicht gerichtlich verwendet werden. Page meinte zudem, dass er nie nach einer Lizenzierung für Java gefragt habe.

Nicht einverstanden war Page mit der Formulierung, dass die Google-Entwickler Java-Code kopiert hätten. Denn die "Deklaration" von APIs habe nichts mit seinem Verständnis von Code zu tun. Außerdem sei es gängige Praxis in der Branche gewesen, dass sich APIs und die Header dieser Dinge einfach nehmen und neu implementieren ließen. Das sei sehr oft, aber behutsam geschehen, und in diesen Fällen sei bewusst keine bereits bestehende Implementierung genommen worden. Nach Pages Ansicht ist Google verantwortungsvoll und vorsichtig mit diesen Urheberrechtsfällen umgegangen.

Zuletzt brachte Google selbst einen Wirtschaftswissenschaftler ins Spiel, der darlegen sollte, dass Android keinen Einfluss auf den Java-Lizenzmarkt gehabt habe. Denn Android sei ein Betriebssystem für Smartphones und keines für Feature-Phones, denen zumeist die von Sun lizenzierte Java ME zugrunde gelegen habe. Außerdem seien die 37 zur Debatte stehenden Java-APIs nicht zentral für den Erfolg von Android gewesen, erläuterte der Ökonom. Beispielsweise hätte sich Google auch einer anderen Programmiersprache wie C++ bedienen und genauso erfolgreich wie bisher sein können.

Am nächsten Montag will die in den Prozess involvierte Jury wieder zusammenkommen, um sich die Schlussplädoyers anzuhören und sich daraufhin zu beraten.

Es ist mittlerweile knapp sechs Jahre her, dass Oracle Google verklagt hatte; erst kurz zuvor war Oracle durch die Übernahme von Sun Microsystems in den Besitz der Patente und Rechte um Java gekommen. Der Datenbankriese sieht mittlerweile einen Schaden von 9,3 Milliarden US-Dollar, was der zehnfachen Summe des ursprünglich veranschlagten Summe entspricht. Die Neubewertung erfolgt über einen Gesamtgewinn von 42 Milliarden Dollar, den Google über Android eingefahren haben soll.

In der ersten gerichtlichen Auseinandersetzung hatte der zuständige Bezirksrichter den Vorwurf zurückgewiesen, dass mit der Übernahme von 37 Java-APIs in Android Urheberrechte verletzt würden. Allerdings hatte das US-amerikanische Bundesberufungsgericht in der Folge dessen Urteil aufgehoben, und das Verfahren wurde, nachdem Google beim obersten Gerichtshof mit einer Petition über die Beurteilung der Fair-Use-Klausel gescheitert war, an das Bezirksgericht zurückgegeben.

Googles Strategie dieser Tage zielt darauf, ein Fair-Use-Urteil zu erreichen. Das hätte zur Folge, dass die Geldstrafe geringer ausfallen würde, als wenn sich das Gericht für eine Urheberrechtsverletzung ohne Fair Use aussprechen würde. Jedoch hat es zwischen Sun und Google nie eine Auseinandersetzung darüber gegeben, ob die Nutzung der Java-APIs in Android einem Fair Use entsprechen. (ane)