Recht auf "schnelles" Internet: Regulierer erwartet bis zu 330.000 Berechtigte

Rund 50 Ausnahmefälle pro Jahr könnten laut Bundesnetzagentur mit Satelliteninternet versorgt werden, das bei der geplanten Latenz nicht mithalten kann.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 50 Kommentare lesen
VDSL-Kabelverweiger Berlin

VDSL-Kabelverweiger der Telekom in Berlin

(Bild: vbr)

Lesezeit: 5 Min.

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf für die Mindestanforderungen des Rechts auf "schnelles" Internet verteidigt. Dabei gehe es darum, eine Art "Sicherheitsnetz" für bislang nicht oder nicht hinreichend mit Netz Versorgte zu bilden, betonte der Vizepräsident der Behörde, Wilhelm Eschweiler, am Montag bei einer Anhörung im Digitalausschuss des Bundestags.

Die Initiative sieht eine Mindestbandbreite von 10 MBit/s im Download und 1,7 MBit/s im Upload vor. Die zulässige Latenz soll maximal 150 Millisekunden (ms) betragen. Damit werde ein verhältnismäßiger Ausgleich "zwischen der Tiefe des Eingriffs in die Privatwirtschaft und dem Sicherstellen einer adäquaten Grundversorgung" geschaffen, betonte Eschweiler. Die Werte lägen 30 Prozent über denen im ursprünglichen Gutachten von Sachverständigen. Damit würden die Lebenswirklichkeit der Nutzer aufgegriffen.

Mit Fortschritten beim Gigabitausbau würden die jährlich überprüften Werte "nach oben schießen", meinte der Regulierer. Die Behörde rechne insgesamt mit 330.000 Anspruchsberechtigten, die sich bei einer aktuellen Nichtversorgung bereits direkt dort melden könnten. Ein Anschluss solle "im Kern leitungsgebunden" sein, also in der Regel nicht über Mobilfunk oder Satelliteninternet erfolgen. Um letztere einzubeziehen, sei eine Einzelfallprüfung nötig.

Da die Latenz bei geostationären Satelliten über Anbieter wie Eutelsat oder Viasat oft größer als 300 ms betrage, müsste deren Einsatz "sehr gut begründet werden", hob Eschweiler hervor. Es werde hier wohl bei "absoluten Ausnahmefällen" in der Größenordnung von bis zu 50 pro Jahr bleiben. Die für alle erschwinglich zu haltenden Preise für die Grundversorgung diskutierte man derzeit noch mit der Branche. Die Prinzipien dafür sollen bis Anfang Juni stehen.

Mit ihrem ursprünglichen, vom Bundeskabinett im Wesentlichen nur noch beim Upload-Faktor veränderten Verordnungsentwurf hat sich die BNetzA zwischen alle Stühle gesetzt. Die Branche könne es nicht leisten, für einen Anschluss nach dem erweiterten Universaldienst "einen einzelnen Bagger zu einem einzelnen Bürger" zu schicken, gab Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Verbands der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM), zu bedenken. Ohne Geosatelliten werde die Grundversorgung in vielen Fällen nicht möglich sein.

Die Erdtrabanten "haben halt ihre Grenzen" und befänden sich teils am untersten Limit der Nutzerzufriedenheit, räumte Grützner ein. Es sollte aber nicht darum gehen, "über mathematische Untersuchungen" zu streiten, sondern den Bürgern eine praxisnahe Lösung zu bieten. Bei einer aktuellen Installation mit geostationären Satelliten habe die Latenz im Testlauf am Montag im Zweiweg Zeit- und Frequenzvergleich zwischen 680 und 720 ms gelegen. Trotzdem habe hier bei einer Videokonferenz "nix geruckelt". Auch ein Virtual Private Network (VPN) mit Verschlüsselung laufe. Dafür müsse man nur ein Häkchen setzen und dem System so signalisieren: "Brich nicht nach 200 Millisekunden ab."

"Videokonferenzen funktionieren problemlos mit geostationären Satelliten", bestätigte Rainer Johann Wansch vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen (IIS), das ein Gutachten für den Verordnungsentwurf beisteuerte. Mit solchen Erdtrabanten ließen sich hierzulande aktuell über 20.000 Haushalte versorgen, von 2025 an rund 40.000. Niedriger fliegende Konstellationen wie Starlink, die schon beim Anschlusspreis aber deutlich teurer seien, dürften rund 75.000 Heime abdecken. Die Latenz würde er persönlich daher in der Verordnung gar nicht mitdefinieren.

Lina Ehrig vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) erinnerte dagegen daran, dass bestimmte Dienste auch für die Heimarbeit mit VPN "stets" möglich sein müssten. Sie plädierte für eine Downloadrate von mindestens 30 MBit/s und monierte, dass das Regierungspapier noch immer eine Öffnungsklausel enthalte, wonach die Mindestwerte nur "regelmäßig" eingehalten werden müssten. Geostationäre Satelliten erreichten diese aber meist nicht. So werde "ohne hinreichende Grundlage eine rote Linie unterschritten".

Stephan Breide, Kommunikationstechniker an der FH Südwestfalen, und Dominik Bay vom Netzbetreiber Rrbone plädierten dafür, auch die Paketverlustrate zu berücksichtigen. Diese spielte eine mindestens so signifikante Rolle für eine zuverlässige Verbindung wie die Datenrate. Etwa bei der Cloud-Synchronisation werde teils Bandbreite verschwendet, was in die Qualitätsbeurteilung mit einzubeziehen sei. Breide lobte, dass mit dem Anspruch das Internet wird Infrastruktur Gas, Elektrizität und Wasser nahezu gleichgestellt werde.

Der Universaldienst sei nichts, "was uns zufrieden machen wird langfristig", warb die Gutachterin Cara Schwarz-Schilling vom Forschungsinstitut WIK für Verständnis. Es könnten nur Übergangsregeln sein, "um die Lage einzelner Haushalte zu verbessern". Um die weißen Flecken zielgenau zu schließen, bedürfe es einer klareren Datenbasis mit einer häuserscharfen Darstellung im Breitbandatlas.

(vbr)