Roboterbeine bewegen sich mit Muskelkraft

Aus Muskelzellen von Ratten züchteten japanische Forscher Bänder aus Muskelgewebe. Damit zeigen sie die Fortschritte bei biohybriden Robotern.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen

(Bild: Shoji Takeuchi research group, University of Tokyo)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die Forschung an "biohybriden Robotern", die biologische und mechanische Komponenten verbinden, entwickelt sich dynamisch, denn biologische Materialien sind vergleichsweise leicht und flexibel, setzen Energie ziemlich effizient in Bewegung um und können sich auch selbst regenerieren. Jedenfalls ist das die große Hoffnung. Eine Laufmaschine mit gezüchteten Muskelzellen, die japanische Forschende jetzt präsentiert haben, zeigt zumindest das Potenzial dieser Technologie auf.

Shoji Takeuchi und seine Kollegen von der Universität Tokio haben Muskelzellen von Ratten im Labor gezüchtet, und diese Zellen dann in mehreren Lagen auf einem flexiblen Substrat aufgebracht, wo sie sich miteinander vernetzt haben. Auf diese Weise entstanden flache Bänder aus Muskelgewebe die sie an einem Kunststoff-Skelettkonstrukt aus dem 3D-Drucker befestigten. Von elektrischen Pulsen angetrieben, bewegt sich der kleine Zweibeiner mit rund fünf Millimeter pro Minute vorwärts. Technische Einzelheiten beschreiben die Forschenden in einem Aufsatz in der Fachzeitschrift "Matter".

Die japanischen Forscher sind nicht die ersten, die hybride, halb lebendige, halb maschinelle Wesen erschaffen haben. In jüngster Vergangenheit gab es auf diesem Gebiet einige spektakuläre Erfolge. So konstruierte etwa 2016 ein Team der Harvard University eine Art Mini-Rochen, der von Herzmuskelzellen von Ratten angetrieben wurde, die in ein Elastomer eingebettet waren. Die Zellen waren genetisch verändert, so dass sie durch Lichtpulse getriggert werden konnten, und sich daraufhin zusammenzogen.

2022 präsentierte dieses Team dann einen autonomem Roboterfisch, der von menschlichen Herzzellen angetrieben wurde. Im Unterschied zu früheren Projekten musste dieser hybride Roboter nicht extern durch Strom oder Licht angetrieben werden. Denn der biohybride, nach dem Vorbild von Zebrafischen konstruierte Mechanismus enthielt zwei Schichten von Muskelzellen, eine auf jeder Seite der Schwanzflosse. Wenn sich eine Seite zusammenzog, dehnt sich die andere aus, was dazu führte, dass Kanäle in den Membranen der Zelle geöffnet wurden, was in der Folge zu einer Kontraktion dieser Zellen führte. Das System konnte den Fisch mehr als 100 Tage lang antreiben. Aufsehen erregten 2022 auch die Xenobots. Die Zellverbände, die von Forschenden der Vermont University und der Tufts University geschaffen wurden, können sich selbst kopieren.

Die japanische Gruppe, die jetzt den Laufroboter präsentiert hat, arbeitet schon länger an dem Problem. Bereits 2018 veröffentlichte sie ein erstes Paper dazu in "Science Robotics". Ursprünglich waren die künstlichen Muskelgewebe, die sie erzeugen konnten, allerdings noch sehr klein.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externes Video (Kaltura Inc.) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Kaltura Inc.) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Mittlerweile produzieren sie flexible Bänder, die bis zu zwei Newtonmeter Arbeit verrichten können. Das Zusammenziehen eines der Muskelbänder löst ein Bein vom Boden. Weil der Roboter leicht nach vorne geneigt ist, schwingt das Bein nach vorne. Wird das Gewebe wieder entspannt, setzt der Fuß auf dem Boden auf. Indem die elektrische Stimulation alle fünf Sekunden zwischen dem linken und dem rechten Bein abgewechselt wurde, gelang es dem Biohybrid-Roboter, mit einer Geschwindigkeit von 5,4 Millimeter zu laufen – allerdings nur unter Wasser, denn ein entscheidender Bestandteil der Konstruktion ist ein Schwimmer, der das Konstrukt aufrecht hält und entlastet.

Das Wasser sorgt zudem dafür, dass die Muskelzellen nicht austrocknen. Um den Roboter an Land zu betreiben, müsste man das künstliche Gewebe beispielsweise durch Collagen kapseln, schreiben die Forscher in ihrem Paper. Damit das ganze dauerhaft funktioniert, muss man die Zellen auch mit Nährstoff versorgen. Um die Geschwindigkeit zu steigern, könne man zudem die manuelle Stimulation der Zellen durch eine automatische Triggerung ersetzen.

Noch sind die Fähigkeiten solcher Roboter sehr begrenzt, aber das Potenzial der Maschinen ist sehr vielversprechend. Denn biologische Materialien sind nicht nur leicht und flexibel. Sie können sich auch an die äußeren Gegebenheiten anpassen.

"Über die Soft-Robotik hinaus werden die Körperteile künftiger Roboter wachsen, sich regenerieren, ihre Form verändern, um sich an physische oder aufgabenbedingte Einschränkungen anzupassen, und biologisch abbaubar sein", schreiben Barbara Mazzolai vom Italian Insitute of Technology (IIT) und Cecilia Laschi von der Scuola Superiore Sant'Anna in Pisa in einem Artikel in "Science Robotics". "Über die evolutionäre Robotik hinaus wird sich die Morphologie des Roboters nicht nur in der Entwurfsphase an die Aufgabe und die Umgebung anpassen, sondern sich auch mit zunehmender Übung und Erfahrung verbessern". Roboter, die wachsen, oder sich gar evolutionär an ihre Aufgabe anpassen, werden zur Zeit zwar schon erforscht, befinden sich aber noch in einem frühen Stadium (wie in diesem Workshop 2022 näher erläutert). Die Änderung ihrer Gestalt funktioniert im Moment nur mit Hilfe von 3D-Druckern – ähnlich wie bei diesem Roboter, der wächst wie eine Ranke.

(wst)