SAP macht sich für europäisches Cloud-Netzwerk stark

Auf einem Symposium zum "Internet der Dienste" warben SAP-Manager für den Aufbau eines europäischen, vor allem mobile Anwendungen ins Auge nehmenden Partnernetzwerks für das Cloud Computing, in das die Walldorfer Open-Source-Lösungen einbringen wollen.

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Auf einem Symposium zum "Internet der Dienste" warben SAP-Manager am heutigen Dienstag in Berlin für den Aufbau eines europäischen, vor allem mobile Anwendungen ins Auge nehmenden Partnernetzwerks fürs Cloud Computing. Während das verbraucherorientierte Internet von US-Konzernen vorangetrieben worden sei, könnten Computer- und Telekommunikationsfirmen diesseits des Atlantiks beim Aufbau eines auf den Geschäftsbereich fokussierten "Business Net" die Nase vorn haben, sagte der Forschungschef der Walldorfer, Hervé Couturier, auf der Veranstaltung der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech). Über das Vorantreiben von Techniken und Lösungen für Breitband, Netzwerkmanagement und zur Monetarisierung von Inhalten könne ein Innovationsökosystem in Form einer "europäischen Cloud" mit Schwerpunkt auf dem mobilen Internet entstehen.

Einen entsprechenden Vorschlag hat SAP nach Couturiers Angaben in den Prozess des nationalen IT-Gipfels eingebracht. Die Walldorfer selbst dächten als Teil ihres Beitrags über "Open-Source-Versionen einiger unserer Mobillösungen" nach. Es gehe nun darum, "schnell mit Partnern Prototypen zu entwickeln". Die Entstehung des prognostizierten Geschäftsinternets sieht der Forschungschef mit den drei Trends unternehmensübergreifender Kollaborationsformen etwa durch die Integration sozialer Netzwerke in Unternehmen, eine rasante Verkürzung der Entwicklungszyklen von Software im Sinne der "App-Ökonomie" und der Verschmelzung des Datenraums mit der physikalischen Welt verknüpft. Damit werde sich das Datenvolumen alle 18 Monate verdoppeln. Es komme daher besonders darauf an, die Massen an Bits und Bytes sowie darauf aufbauende Prozesse "effizient und sicher nutzbar zu machen". Fatal wäre es so, "wenn wir die Integrität der Daten nicht garantieren könnten".

Als überkommen bezeichnete Couturier in diesem Zusammenhang ein Modell, in dem Diensteanbieter Informationen über ihre Kunden selbst speichern. Nötig sei eine "unabhängige Clearing-Stelle", die den Austausch "sicher und transparent" abwickle. Auch der Staat sei gefordert. Er sollte etwa Verabschiedung neuer Standards für die Bereitstellung von Diensten im Internet wie den der Unified Service Description Language (USDL), die hierzulande im semantischen Suchprojekt Theseus vorangetrieben wird, beflügeln. Weiter müsse die Politik über eine weitere Regulierung der derzeit hohen Roaming-Preise bei Datendiensten nachdenken. Die derzeit von den Netzbetreibern hochgezogenen virtuellen Grenzen in einer globalisierten Welt seien für die nächste Generation des mobilen Internets "nicht geeignet".

Martin Jetter, Chef von IBM Deutschland, warnte dagegen vor einer europäischen oder gar deutschen Cloud. Eine solche stelle "einen Widerspruch in sich dar", da man das weltweite Netz nicht territorial derart eingrenzen könne. Als elementarer sieht der Schwabe die Arbeit an "offenen Standards" fürs Cloud Computing an: "Mit proprietären Technologien wird es nicht gehen." Gleichzeitig "müssen meine persönlichen Daten in meiner Verantwortung sein und bleiben". Nur pseudo- oder anonymisiert dürften sie für die Forschung etwa im medizinischen Sektor verwendet werden. Im Bereich Datensicherheit ist für den Big-Blue-Vertreter das Glas hierzulande auch schon zumindest "permanent halbvoll". So sei bereits viel in Fragen der Verschlüsselung oder der Authentisierung gesetzlich geregelt. Mit den SAP-Kollegen stimmte Jetter aber überein, dass es "zu einer Datenexplosion kommt". Ein Energieversorger, der einen digitalen Zähler viermal pro Stunde in Echtzeit abfrage, komme so etwa bei zehn Millionen Haushalten von zehn auf 350 Millionen Datensets pro Jahr. Der Kreditkartenkonzern Visa habe es derzeit jährlich mit 90 Milliarden Transaktionen zu tun.

Für den medizinischen Bereich skizzierte Siemens-Vorstandsmitglied Hermann Requardt eine nahe Zukunft auf Basis des Theseus-Moduls Medico, in der Rechner über Internetdienste Bilder mit anderen Patientendaten verknüpfen und daraus Schlüsse ziehen können. Anhand eines Abgleichs solle ein Programm eigenständig einschätzen, ob ein Arzt etwa eine per Computer-Tomographie (CT) erstellte Aufnahme selbst betrachten und dann möglicherweise eine rasche Behandlungsmaßnahme einleiten müsse. Ziel sei es, das Erfahrungswissen des Mediziners ein Stück weit zur Vorfilterung der bei der CT mittlerweile auftretenden "riesigen Datensprünge" zu systematisieren. Es sollten Datenbasen aufgebaut werden, "die eine Wissensextraktion erlauben". Damit änderten sich auch die Geschäftsmodelle, sodass etwa der Zugriff auf Patientendatenbanken oder der Einbezug von Koryphäen aus aller Welt verkauft werden könnten. Persönlich zugeordnete Daten sollten dabei weiter dem Patienten gehören, "generalisierte" aber beispielsweise einer Allgemeinheit, die für die Zusammenstellung der Informationen bezahlt habe.

Auch wenn konkrete Anwender für das vielbeschworene Internet der Dienste noch rar sind, bezeichnete Bernd Pfaffenbach, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Theseus als "Leuchtturm-Projekt, das inzwischen weit über Deutschland hinausstrahlt". Es müsse nun "weiter schnell in Produkte" umgesetzt werden. Eine Verknüpfung mit dem Cloud Computing werde aber nur Erfolg haben, "wenn das Vertrauen der Kunden nicht enttäuscht wird". Das Wirtschaftsressort habe daher einen neuen Technologiewettbewerb mit dem Titel "Sichere Internet-Dienste für Mittelstand und öffentlichen Sektor (TrustedCloud)" aufgelegt, um den Aufbau entsprechender vertrauenswürdiger Plattformen zu fördern. (jo)