Sabotage: EU-Kommission will Pipelines und Seekabel besser schützen

Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat einen Aktionsplan zum Schutz von Unterwasserinfrastrukturen angekündigt. Zu wenig, zu spät, monieren EU-Abgeordnete.

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Gasrohre

(Bild: noomcpk / Shutterstock.com)

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In einer Rede vor dem Europäischen Parlament hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch einen Fünf-Punkte-Plan für den Schutz kritischer Unterwasserinfrastrukturen wie Pipelines und Seekabel in Aussicht gestellt. Die CDU-Politikerin sprach von einem "dringenden Problem, das wir jetzt angehen müssen." Die "Sabotageakte gegen die Nord Stream-Pipelines" in der Ostsee hätten gezeigt, "wie anfällig unsere Energieinfrastruktur ist". Zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte sei sie zu einem Angriffsziel geworden.

Bei heftigen Detonationen am Meeresgrund nahe der dänischen Insel Bornholm waren die Leitungen Nord Stream 1 und 2 Ende September schwer beschädigt worden. Neben Methan strömte tagelang Erdgas aus, das sich aus Betriebsgründen in den Rohren befand. Schwedische Behörden sehen nach ersten Untersuchungen den Sabotageverdacht erhärtet.

"Pipelines und Unterwasserkabel verbinden die Menschen und Unternehmen in Europa mit der Welt", betonte von der Leyen. "Sie sind die Lebensader für Daten und Energie. Es liegt im Interesse aller Menschen in Europa, diese kritische Infrastruktur besser zu schützen." Die EU müsse daher zunächst besser vorbereitet sein auf potenzielle Angriffe.

Die Ex-Bundesverteidigungsministerin kündigte zudem an: "Wir werden mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um wirksame Stresstests im Energiesektor sicherzustellen." Es sei nötig, Schwachstellen in dessen Infrastruktur zu ermitteln. Darauf sollten dann "andere Sektoren mit hohem Risiko folgen, wie etwa der digitale Offshore-Bereich und die Strominfrastruktur".

Auch die Reaktionsfähigkeit der Gemeinschaft werde "im Rahmen unseres bereits bestehenden Katastrophenschutzverfahrens" erhöht, stellte von der Leyen klar. "Damit können wir die Mitgliedstaaten bei der Behebung von Störungen kritischer Infrastruktur unterstützen", etwa mit Brennstoff, Generatoren oder Kapazitäten für Notunterkünfte. Ferner "werden wir unsere Satellitenüberwachungskapazitäten bestmöglich nutzen, um potenzielle Bedrohungen zu erkennen". Schließlich werde die EU die Zusammenarbeit mit der Nato und wichtigen Partnern wie den USA "in diesen kritischen Fragen verstärken".

EU-Abgeordnete reagierten verhalten auf die Versprechen. Es sei zwar gut, dass die Kommissionspräsidentin "endlich die Gefahr von Sabotageakten gegen lebenswichtige Unterwasserinfrastrukturen" erwähne, erklärte der niederländische Liberale Bart Groothuis auf Twitter. Die präsentierte Lösung sei aber "nicht einmal annähernd das, was wir brauchen". Er werde daher in den nächsten Monaten "einen umfassenden Plan vorlegen, um uns unterhalb des Meeresspiegels sicher zu machen".

Im Parlamentsplenum stellte der Berichterstatter für die Novelle der Richtlinie über die Netzwerk- und Informationssicherheit (NIS) bereits einige eigene Forderungen auf. So müssten die Küstenwachen der Mitgliedsstaaten in ein "neuen paramilitärischen Knotenpunkt" umgewandelt, Sensoren unter Wasser platziert und Industriedaten genutzt werden. Es gelte, "unsere U-Boote für diese Aufgabe technisch aufzurüsten". Zudem müssten die Verursacher der aktuellen Lecks ausfindig gemacht, benannt und verfolgt werden.

Die EU habe den Bereich bislang vernachlässigt, ist einem im Juni veröffentlichten Bericht für die Volksvertreter zu entnehmen. "Während Kabel und andere maritime Infrastrukturen in den EU-Strategien häufig erwähnt werden, gibt es kaum Maßnahmen und Programme, die sich direkt mit dem Thema befassen." Der Europäische Auswärtige Dienst und die Europäische Verteidigungsagentur führten zwar entsprechende Arbeiten durch, blieben dabei aber am Rand des Problems. Auch für die Beziehungen zwischen der EU und der Nato sowie zu Großbritannien sei der Aspekt wichtig.

"Das globale Unterwasser-Datenkabelnetz ist eine wichtige kritische Infrastruktur", heben die Forscher hervor. "Bis zu 99 Prozent der weltweiten digitalen Kommunikation laufen über dieses Netz, und die Weltwirtschaft und die digitalen Dienste sind vollständig davon abhängig." Laut der Analyse nehmen Bedrohungen der EU-Konnektivität durch Russland, China oder andere Staaten sowie durch extremistische und kriminelle Netzwerke zu.

(axk)