IFA

Schwerer Start für Digital-Fernsehen MHP

Nun ruht die Hoffnung der Branche auf dem Pay-TV-Sender Premiere.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Christoph Dernbach
  • dpa

Das interaktive Digital-TV verspricht die schöne neue Fernsehwelt. Über die Multimedia Home Plattform (MHP) sollen die Zuschauer nicht nur beste Qualität bei Bild und Ton wie bei einer DVD geboten bekommen, sondern sich über einen Rückkanal selbst in die Programmgestaltung einschalten oder online über den TV-Apparat einkaufen können. Doch obwohl Fernsehsender und TV-Hersteller schon seit Jahren an MHP arbeiten, kann bislang nur eine extrem kleine Minderheit der TV-Zuschauer in Deutschland interaktives Fernsehen erleben. Auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin erwarten nun die Experten eine wichtige Weichenstellung, die den Zug MHP auf die Erfolgsstrecke leiten soll.

Bereits Ende 1999 hatte sich der Lenkungsausschuss für die Technik des digitalen Fernsehens auf den offenen Standard MHP geeinigt, der heute von 37 Ländern unterstützt wird. Im September 2001 entschieden sich ARD, ZDF, RTL und die damalige KirchGruppe in der Mainzer Erklärung für MHP -- doch eine konkrete Umsetzung des Standards im TV-Dauerbetrieb ließ auf sich warten. Ende Mai 2003 kündigten ARD und ZDF an, ihre bisherigen interaktiven Serviceangebote im OpenTV-Standard Ende des Jahres einzustellen und von 2004 an nur noch auf Basis der MHP-Plattform zu produzieren.

Auf der IFA 2003 wollen Sender und Geräteindustrie das Thema MHP weiter vorantreiben: So werden unter dem Funkturm 13 Aussteller neue Produkte und Programme präsentieren. Das Angebot umfasst nach Angaben der MHP-MarCom-Gruppe einen neuartigen Super TeleText, einen elektronischen Programmführer (EPG), Zusatzdienste mit ergänzenden Informationen beispielsweise bei Sportübertragungen und variantenreiche Wetterdienste. Außerdem werden News- und Börsenticker gezeigt, Informationen über Verkehrswege, Flughäfen oder Bahnhöfe bis hin zu interaktiven Spielshows, neue Formen der interaktiven Werbung, Online-Shopping oder E-Mail und Internetzugriff über die Set-Top-Box oder den MHP-fähigen Fernseher.

RTL demonstriert, wie von einem modernen Kamera-Handy aus Urlaubsbilder direkt auf einen Fernseher gefunkt werden können, das ZDF präsentiert unter anderem eine interaktive Version der Talkshow "Berlin Mitte", ProSieben sein iTV-Portal, in dem unter anderen Neckermann und der Reiseveranstalter Thomas Cook ihre Produkte verkaufen. Und auch die TV-Hersteller setzen auf MHP. So führen Unternehmen wie Philips, Sony, Samsung und Panasonic ihre neuesten Set-Top-Boxen und MHP-Fernseher vor. Doch trotz des breiten Angebots der TV-Sender und Geräteindustrie könnten die MHP-Anwender während der IFA vermutlich in einer kleinen Turnhalle Platz finden.

Als entscheidende Hürde für den Massenerfolg von MHP haben viele Experten den Pay-TV-Sender Premiere ausgemacht. Mit seinen digitalen Set-Top-Boxen vom Typ D-Box dominiert der Bezahlsender das Digitalfernsehen in Deutschland -- und die D-Box ist nicht MHP- kompatibel. Zwar soll bereits eine MHP-Software für die D-Box vom langjährigen Premiere-Technik-Partner Beta Research fertig vorliegen. Doch Premiere hat derzeit andere Ziele, als ausgerechnet MHP zum Durchbruch zu verhelfen.

Premiere-Chef Georg Kofler muss nach Ansicht von Experten für seine Investoren vor allem neue Abonnenten ranschaffen. Dabei hat die Einführung des MHP-Standards in Deutschland keinen hohen Stellenwert. Und bei technischen Änderungen hat derzeit die Austauschaktion der Verschlüsselungskarten Vorrang, mit der Premiere die Schwarzseher endgültig abklemmen möchte. Dennoch erwartet die Branche gespannt den Auftritt von Kofler auf einem MHP-Forum auf der IFA, denn der Premiere-Chef ist für eine Überraschung immer gut. (Christoph Dernbach, dpa)/ (tol)