Seehofer, Beck und Rüttgers für strengeres Datenschutzrecht

In Bund und Ländern mehren sich innerhalb der großen Koalition die Stimmen, die schärfere gesetzliche Regelungen gegen den illegalen Handel mit Kundendaten fordern. Die Wirtschaft warnt dagegen vor Schnellschüssen.

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Im Bund mehren sich innerhalb der großen Koalition die Stimmen, die schärfere gesetzliche Regelungen gegen den florierenden illegalen Handel mit Kundendaten fordern; aber auch Politiker aus den Bundesländern stimmen in den Chor ein. Nach Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) und Unionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) plädieren mittlerweile auch Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU), SPD-Chef Kurt Beck und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) für einen wirksameren Schutz der Verbraucher vor Datenmissbrauch. Hauptsächlich geht es den Politikern dabei um die Umkehr der bisherigen Regelung im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), wonach sich Konsumenten ausdrücklich gemäß dem Opt-out-Prinzip gegen die Weitergabe ihrer persönlichen Informationen aussprechen müssen.

"Wir müssen skrupellosen Geldmachern, die illegal mit persönlichen Daten handeln, das Handwerk möglichst schnell so schwer wie möglich machen", sagte Seehofer der "Bild"-Zeitung. Seehofer schlägt konkret im Anklang an Forderungen von Verbraucher- und Datenschützern drei Änderungen am BDSG vor: Ohne ausdrückliche Zustimmung per Opt-in sollten persönliche Daten künftig nicht mehr gehandelt werden dürfen. Wer Daten weiterverkaufe, müsse deren Nutzung dokumentieren. Zudem sollten marktbeherrschende Firmen nicht mehr an Vertragsabschlüsse die Zustimmung zur Datenverwertung in sogenannten Kopplungsgeschäften knüpfen dürfen. Nichts hält der CSU-Politiker dagegen von Plädoyers, den Datenschutz ins Grundgesetz aufzunehmen oder das Strafmaß zu erhöhen.

SPD-Chef Beck hat sich derweil laut dpa für eine "Generalrevision" aller Datenschutz-Vorschriften ausgesprochen. Es müsse vor allem mehr Transparenz für die Kunden geben. Was man in den vergangenen Tagen erlebt habe, sei nicht hinnehmbar. In der ARD führte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident aus, dass gegen den inakzeptablen Datenmissbrauch auch eine Verschärfung des Strafrechts zu erwägen sei. Generell müsse der Datenschutz "intensiviert" und seine Einhaltung besser kontrolliert werden. Eine Arbeitsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion prüfe die jüngsten Vorfälle in Kooperation mit Zypries. Beck versprach: "Wir werden das auf der Tagesordnung halten."

Rüttgers unterstrich bei einer Feierstunde zum 50-jährigen Bestehen der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf laut Redemanuskript, dass "wir die Probleme beim Datenschutz nun dringend anpacken müssen". Bei der Erhebung und beim Umgang mit hochsensiblen Kundendaten müssten höchste Sicherheitsstandards gewährleistet sein: "Hier sind die Unternehmen gefordert, aber natürlich auch die Behörden und die Ämter." Der Ministerpräsident ermahnte aber zudem die Verbraucher, nicht leichtfertig persönliche Informationen im Internet oder am Telefon preiszugeben.

Spiros Simitis, Leiter der Forschungsstelle Datenschutz der Universität Frankfurt, sieht derweil den Bundestag gefordert. "Wer intervenieren muss, und zwar nachdrücklich und fordernd, ist das Parlament", erklärte er im Deutschlandfunk. Es brauche eine Initiative der Abgeordneten, die sage, "der Datenschutz ist an einem Punkt angekommen, wo er von Grund auf reformiert werden muss". Das Flicken am BDSG sei nicht mehr ausreichend. Eine umfängliche Reform müsse unter anderem den Grundsatz der absoluten Zweckbindung im Umgang mit persönlichen Daten stärken und klare Kontrollvorkehrungen aufstellen. Den vielfach angeführten Punkt der erforderlichen Einwilligung in eine Datenweitergabe hält Simitis dagegen nur für sinnvoll, wenn der Verbraucher gezwungen werde, sich über seine Zustimmung und die Folgen auch Gedanken zu machen.

Der im Bereich Datenschutz federführende Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat bislang keine eigenen Vorschläge zur Reaktion auf den Datenhandel-Skandal. Der CDU-Politiker will nach seiner Rückkehr aus Peking Einladungen für ein Spitzengespräch mit Experten aus Politik und Wirtschaft aussprechen. Dabei wolle das Ministerium eine "moderierende Rolle" einnehmen, erklärte ein Behördensprecher. Die Ministerien für Wirtschaft und Justiz sowie die Datenschützer von Bund und Ländern sollen an der Runde zu beteiligt werden.

Wirtschaftsverbände haben zugleich vor gesetzgeberischen Schnellschüssen gewarnt. Nach Einschätzung der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherung (GDD) sind die aktuellen Fälle von Datenmissbrauch auf kriminelles Handeln zurückzuführen. Insofern seien sie nach den bestehenden Strafvorschriften insbesondere gegen das Ausspähen von Daten in den "Hackerparagraphen" zu verfolgen. Auch die Datenschutzaufsichtsbehörden sollten besser ausgestattet werden für Kontrollen von Firmen, bei denen die Datenverarbeitung zum Kerngeschäft gehöre. Eine strikte Opt-in-Bestimmung bei der Datenweitergabe etwa auch für Werbezwecke, würde dagegen über das Ziel hinausschießen. Schon heute sei es allein zulässig, Adressdaten sowie ein zusätzliches Merkmal wie zu einem Produktinteresse zu verkaufen.

Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) erteilte generell Forderungen zur Verschärfung gesetzlicher Regelungen, Strafen und Sanktionen eine "klare Absage". Die Unternehmen der digitalen Branche würden sich beim Datenschutz im Internet überwiegend "ganz strikt an die gesetzlichen Vorgaben halten". Die offen gelegten Missbrauchsfälle hätten zwar eine "erhebliche Dimension". Solche Einzelvorkommnisse dürften aber nicht eine Vielzahl von Firmen in Verruf bringen. Wichtig sei "eine Sensibilisierung aller Beteiligten im Umgang mit personenbezogenen Daten".

Zum Skandal um den illegalen Handel mit Kunden- und Kontendaten siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)