Siemens wird radikal umgebaut: Conti kauft Siemens-VDO

Der deutsche Autozulieferer zahlt 11,4 Milliarden Euro für die Siemens-Sparte, während Siemens eine US-Firma für Medizintechnik übernimmt. Siemens müsse schneller, stärker fokussiert und weniger komplex werden, meinte der neue Chef Peter Löscher.

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  • dpa

Der Siemens-Konzern setzt seinen radikalen Umbau mit dem Verkauf des Autozulieferers VDO und einem Milliarden-Zukauf in den USA unter dem neuen Chef Peter Löscher mit hohem Tempo fort. "Alles in allem muss Siemens schneller, stärker fokussiert und weniger komplex werden", sagte Löscher am heutigen Mittwoch in München. Der Verkauf von VDO mit seinen 50.000 Mitarbeitern und die Stärkung des Zukunftsfeldes Medizintechnik durch den Kauf der US-Firma Dade Behring seien bereits Teil dieser Strategie. In den weiteren Umbau geht Siemens mit gehörigem Rückenwind. Umsatz und operatives Ergebnis legten im abgelaufenen Quartal deutlich zu.

Der Siemens-Aufsichtsrat segnete am Mittwoch die weit reichenden Portfolio-Veränderungen ab. VDO wird für 11,4 Milliarden Euro an Conti verkauft. Ursprünglich war ein Börsengang von VDO geplant. Allerdings zahlt Conti nun deutlich mehr, als dabei nach Einschätzung von Analysten zu erzielen gewesen wäre. Als Konkurrent von Conti für die Übernahme von VDO war der US-Zulieferer TRW, hinter dem die Investmentgesellschaft Blackstone steht, angetreten.

Parallel zum VDO-Verkauf will Siemens rund sieben Milliarden Dollar für Dade Behring auf den Tisch legen. Das Unternehmen ist im Bereich der medizinischen Labordiagnostik aktiv. Im vergangenen Jahr hatte Siemens in diesem Feld bereits die Diagnostic Products Corp und Bayer Diagnostics erworben. Nun sei man "in der Position, die Nummer eins in der Labordiagnostik zu werden", hieß es.

Geschäftlich ist Siemens weiterhin gut unterwegs. Im dritten Quartal 2006/07 (30. September) stiegen die Erlöse um acht Prozent auf 20,2 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis der Bereiche – für Siemens wichtigste Ertragskennziffer – legte um 22 Prozent auf gut 1,5 Milliarden Euro zu. Das Ergebnis der fortgeführten Bereiche sank unter dem Strich allerdings wegen einer Reihe von Sondereffekten deutlich auf 716 Millionen Euro. Getrübt wurde die Bilanz durch Verluste beim Gemeinschaftsunternehmen Nokia Siemens Networks, in das Siemens seine Telekommunikationsaktivitäten eingebracht hatte. Siemens bezifferte das negative Beteiligungsergebnis auf 371 Millionen Euro.

Siemens wurde in den vergangenen Monaten von einem Schmiergeldskandal erschüttert. Allein in den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres seien Aufwendungen für externe Berater in Höhe von 188 Millionen Euro angefallen, teilte Siemens mit. Die Höhe der Gesamtbelastungen kann der Konzern noch nicht abschätzen. Es gebe bereits eine Reihe von Rechtsstreitigkeiten, in denen "Schadenersatzansprüche in substanzieller oder unbestimmter Höhe" geltend gemacht würden.

Siemens-Chef Peter Löscher: "Alles in allem muss Siemens schneller, stärker fokussiert und weniger komplex werden" [Bild: Siemens]

Löscher ließ keinen Zweifel daran, dass er den radikalen Umbau fortsetzen will. "Im vierten Quartal werde ich mich auf fünf Themen konzentrieren: Compliance, Führungskultur und Organisationsstruktur, Geschäftsportfolio, starke Wachstumsmärkte sowie Innovationen", sagte er. Löscher hatte zum 1. Juli die Nachfolge von Klaus Kleinfeld angetreten, dessen Vertrag im Zuge der Schmiergeldaffäre nicht verlängert wurde.

Der Automobilzulieferer Siemens VDO ist eine der größten Sparten des Siemens-Konzerns. Das Unternehmen, das weltweit rund 53.000 Mitarbeiter beschäftigt, ist spezialisiert auf elektronische Fahrzeugsysteme. So liefert Siemens VDO beispielsweise Abstandskontrollgeräte, Spurassistenten oder Einparkhilfen sowie verschiedene Motorkomponenten wie Diesel-Einspritzanlagen. Darüber hinaus werden Auto-Unterhaltungsgeräte und Navigationssysteme angeboten. Im Bereich der Cockpitinstrumente ist das Unternehmen einer der führenden Hersteller der Welt.

Siemens VDO entstand 2001 durch die Fusion der früheren Siemens- Automobiltochter in Regensburg mit dem traditionsreichen Tachometer-Anbieter VDO aus dem hessischen Schwalbach. VDO war zuvor Teil der Mannesmann AG und wurde nach der Übernahme durch Vodafone verkauft, da Vodafone hauptsächlich nur am Mannesmann-Mobilfunkgeschäft (D2) interessiert war. Nach dem Zusammenschluss blieb Regensburg, wo mehr als 5000 Menschen bei der Siemens VDO Automotive AG arbeiten, Hauptsitz und einer der wichtigsten Produktionsstandorte. Die Verwaltung wurde dagegen am früheren VDO-Sitz in Schwalbach am Taunus konzentriert.

Im Geschäftsjahr 2005/06 (30. September) hatte Siemens VDO den Umsatz leicht auf gut zehn Milliarden Euro gesteigert, der Auftragseingang lag im gleichen Bereich. Das operative Bereichsergebnis legte um sechs Prozent auf 669 Millionen Euro zu.

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(dpa) / (jk)