Verfassungsgericht: KI-gestützte Videoüberwachung für Sommerolympiade rechtmäßig

Die französische Regierung kann ihren Plan zur "intelligenten" Videoüberwachung der Sommerspiele 2024 in Paris umsetzen, haben die Verfassungsrichter geurteilt.

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(Bild: Axel Bueckert/Shutterstock.com)

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Frankreichs Verfassungsgericht hat am Mittwoch den Einsatz von Überwachungskameras mit Erkennungssystemen auf Basis Künstlicher Intelligenz (KI) bei den Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris für rechtmäßig erklärt. Das einschlägige Gesetz, gegen das rund 60 oppositionelle Abgeordnete klagten, verstößt laut dem Conseil constitutionnel nicht gegen das Recht auf Privatsphäre. Es werde sichergestellt, dass Menschen "das Design, die Implementierung und mögliche Weiterentwicklung der algorithmischen Verarbeitung" dauerhaft kontrollierten.

Das französische Parlament beschloss im April den umstrittenen Gesetzentwurf, der die breite experimentelle Anwendung Algorithmen-gestützter Kamerasysteme auch mithilfe von Drohnen und Flugzeugen zur Erkennung verdächtigen Verhaltens in Echtzeit rund um die Olympischen Spiele zulässt. Mit dem Vorhaben will die Regierung es den Sicherheitsbehörden ermöglichen, vor allem im Kampf gegen den Terror "verdächtiges Verhalten", unbeaufsichtigtes Gepäck und Menschenansammlungen alarmierenden Ausmaßes ausfindig zu machen. Das Überwachungsprogramm soll über die Wettkämpfe hinaus bis März 2025 laufen.

Vor der Abstimmung der Gesetzgeber hatten 37 zivilgesellschaftliche Organisationen gewarnt, die Initiative ebne einer "invasiven, Algorithmen-gesteuerten Videoüberwachung unter dem Vorwand" den Weg, "Großveranstaltungen zu sichern". Mit dem Gesetz werde Frankreich der erste EU-Mitgliedstaat, "der solche Praktiken ausdrücklich legalisiert". Die vorgeschlagenen Überwachungsbefugnisse verstießen aber "gegen internationale Menschenrechtsvorschriften". Die Bürgerrechtler befürchten, dass die Initiative den Weg für eine biometrische Massenüberwachung ebne.

Die klagenden Volksvertreter monierten vor allem, dass das Vorhaben gegen die Rechte auf Bewegungs-, Versammlungs- und Meinungsfreiheit sowie auf Achtung des Privatlebens verstoße. Die "intelligente" Kamerabeobachtung sei nicht mit ausreichenden Schutzgarantien versehen. Die Abgeordneten machten insbesondere geltend, dass der Anwendungsbereich dieser Bestimmungen nicht auf Ereignisse im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen beschränkt und zu weit gefasst sei. Zudem führe die Erkennung bestimmter Ereignisse zwangsläufig zur Verarbeitung biometrischer Daten, obwohl das Gesetz dies eigentlich verbiete.

Die Verfassungsrichter räumen in ihrem Urteil ein, dass das vorgesehene Instrument eine "systematische und automatisierte Analyse" aufgenommener Bilder nötig mache, um die Anzahl und Genauigkeit der daraus extrahierten Informationen zu erhöhen. Dies müsse mit spezifischen Absicherungen für die Grundrechte einhergehen. Das System ziele letztlich darauf ab, "Verstöße gegen die öffentliche Ordnung zu verhindern". Dies stehe mit der Verfassung im Einklang. Ferner dürften die Kameras nur bei Sport-, Freizeit- oder Kulturveranstaltungen genutzt werden, bei denen ein hohes Risiko besteht, zu Zielen von Terroranschlägen zu werden.

Eine automatisierte Gesichtserkennung sei untersagt, hält das oberste französische Gericht dem Gesetzgeber zudem zugute. Die Behörden müssen sicherstellen, dass keine biometrische Überwachung erforderlich sei und die von den Kameras gesammelten Aufnahmen und Informationen nicht mit anderen Datenbanken verknüpft würden. Eine Nutzung der Systeme müsse sofort eingestellt werden, "wenn die gesetzlichen Bedingungen nicht mehr erfüllt sind". Eine klare Darlegung der Verantwortlichen für die Verarbeitung personenbezogener Daten, welche Ereignisse warum, wo und wie lange inspiziert werden, obliege den Behörden. Einzelne entsprechende Anordnungen könnten vor Gericht angefochten werden.

Die französische Regierung begrüßte die Entscheidung. Damit sei es jetzt möglich, "die Sicherheit jeder Dimension der Spiele zu stärken" und die Bevölkerung besser zu schützen. Die Bürgerrechtler von La Quadrature du Net riefen dagegen zu Protesten auf: "Organisieren Sie sich, um all diese Experimente zu bekämpfen" und die "Ausweitung der biometrischen Überwachung zu verhindern". Schon im Vorfeld hatten 40 EU-Abgeordnete in einem Appell an ihre französischen Kollegen zu bedenken gegeben, das Gesetz könnte unvereinbar sein mit der geplanten europäischen KI-Verordnung. Die federführenden Ausschüsse des EU-Parlaments forderten vorige Woche hier ein Verbot von Systemen zur Erkennung von Emotionen sowie zur biometrischen Kategorisierung und Identifizierung in öffentlichen Räumen.

(bme)