Sony feilt an flexiblem DRM-Standard für Videos

Alle gegen iTunes: So sieht Sony das DRM-Geschäft der Zukunft. Nur ein Domänen-basierendes Rechtekontrollsystem habe noch Chancen, Apples Dominanz im Bereich DRM-geschützter Videos brechen.

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Von
  • Gerald Himmelein

Viele Portale bieten digitale Video-Downloads, wenige setzen sich am Markt durch. Was aus Sicht von Apple vermutlich rosig aussieht, ist für die Konkurrenten eine mittlere Katastrophe – zu wenige Kunden zeigen Interesse daran, sich beim Medienkonsum mit DRM-Fesseln herumzuschlagen.

Also unterbreitet Sony den Anbietern digitaler Inhalte ein neues Modell mit dem Namen "Open Market". Dabei scheint es sich um eine Weiterentwicklung der vor drei Jahren initiierten Marlin-Initiative zu handeln. Der Website TechCrunch zufolge will Open Market im kommenden Monat an die Öffentlichkeit treten; eine Präsentation (PDF-Datei) von Sony-CTO Mitch Singer verrät erste Details.

Singer sieht die Ursache für die mangelnde Akzeptanz nicht in DRM an sich, sondern in der Umsetzung. Alle derzeitigen Portale zum Video-Download seien Insel-Angebote, die Kunden an ihr jeweiliges DRM-Modell binden. Dies liegt Singer zufolge daran, dass den Video-Anbietern nicht nur der Verkaufskanal untersteht, sondern auch die Verwaltung des DRM-Systems. Würden DVDs so verkauft wie derzeit DRM-geschützte Video-Downloads, würde eine bei Händler A gekaufte Scheibe in einem Player von Händler B die Wiedergabe verweigern. Unterzeile der das Problem illustrierenden Folie in Singers Präsentation: "Die Leute würden uns für verrückt halten."

Video-Downloads versuchen aber, Kunden in exakt so ein Modell zu drängen. Jeder Anbieter zwingt seinen Kunden per DRM spezifische Nutzungsbeschränkungen auf, viele binden die Wiedergabe an bestimmte Gerätetypen. Als Lösung schlägt Sony eine zentrale DRM-Domäne vor, die zwischen die Video-Anbieter und ihre Kunden geschaltet wird. So ließen sich Video-Downloads auf einer Vielzahl von Geräten wiedergeben, gleich wer die Wiedergabelizenz verkauft hat.

Eine Folie der Präsentation vergleicht unterschiedliche Nutzungsmodelle für digitale Videos in Relation zum Schutz der Inhalte und der Flexibilität bei der Nutzung. Die marktüblichen DRM-Methoden funktionieren nur auf wenigen Playern, sind nicht ausbaufähig und bieten nur beschränkte Upgrade- und Backup-Möglichkeiten. Über eine zentral verwaltete DRM-Domäne bereitgestellte Videos ließen sich hingegen auf einer größeren Player-Vielfalt wiedergeben und böten sowohl die Möglichkeit zur Sicherung und zur Migration auf andere Player.

TechCrunch zufolge unterstützen fast alle Hollywood-Studios den Open-Market-Standard – Disney und Konsorten seien verständlicherweise weiterhin auf Apple-Seite. Die Sony-Präsentation ist mit den Logos zahlreicher US-amerikanischer Handelsketten und Kommunikationsanbieter gespickt, von Amazon über Google bis hin zu Walmart und 7-Eleven. Ob sich diese namhaften Unternehmen tatsächlich alle dem Open Market verschrieben haben, wird erst die offizielle Ankündigung zeigen. Schließlich hält das Durchsetzungsvermögen eines Standards maßgeblich davon ab, wer dahinter steht. Allerdings ist in der Masse auch ein Piktogramm von iTunes zu sehen. Dies deutet darauf hin, dass die Logos lediglich zur Illustration dienen.

Ungeschützte Video-Angebote ("In the clear") kommen in der Sony-Präsentation übrigens auch vor – mit mehr Nach- als Vorteilen. Demnach lassen sich Videos ohne DRM zwar auf beliebigen Geräten wiedergeben und sichern. Aber sie stünden nicht unter dem Schutz des US-Urheberrechts (DMCA), der Kunde gehe beim Kauf keine Verpflichtungen ein und könne die Inhalte ohne Einschränkungen weitergeben. Auch Subskriptions- und Mietdienste ließen sich ohne DRM nicht umsetzen. Der Autor der Präsentation hat die Merkmale ungeschützter Video-Angebote blutrot hinterlegt.

Die Analyse von TechCrunch sieht in Sonys Initiative den letzten Versuch, Online-Video-Angebote vor dem Schicksal zu bewahren, das die Musikbranche heimgesucht hat: Immer mehr Download-Portale verkaufen ihre Titel ganz ohne digitale Fesseln, darunter auch Label-spezifische Shops wie Musicbox.de von Sony BMG. (ghi)