Staatstrojaner: EU-Länder wollen Blankoscheck zum Ausspionieren von Journalisten

Eigentlich soll das geplante Medienfreiheitsgesetz Medien besser vor Überwachung durch Behörden schützen. Der EU-Rat hält mit "nationaler Sicherheit" dagegen.

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(Bild: peterschreiber.media/Shutterstock.com)

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Rückschlag für das Bemühen der EU-Kommission, Journalisten und ihre Quellen mit einem Medienfreiheitsgesetz stärker vor staatlicher Überwachung zu schützen. Die Mitgliedstaaten sollen laut ihrem Plan Spähsoftware nicht mehr "in Geräten oder Maschinen einsetzen" dürfen, die von Mediendiensteanbietern, ihren Beschäftigten oder deren Familienangehörigen verwendet werden. Diese vor allem auf Staatstrojaner gemünzte Bestimmung geht den nationalen Regierungen zu weit. In einem Kompromissentwurf der schwedischen Präsidentschaft des EU-Rates zu der Initiative heißt es: "Die Verantwortung der Mitgliedstaaten für den Schutz der nationalen Sicherheit bleibt von diesem Artikel unberührt."

Schon die ursprüngliche Anti-Spyware-Klausel, mit dem die Kommission auf die Skandale rund um Spyware wie Pegasus in vielen EU-Ländern reagieren wollte, war löchrig: So sollen solche Überwachungsprogramme "im Einzelfall aus Gründen der nationalen Sicherheit" verwendet werden dürfen oder "im Rahmen von Ermittlungen zu schweren Straftaten". Laut dem vom Portal Netzpolitik.org und dem Rechercheteam Investigate Europe geleakten Ratspapier würde aus dieser beschränkten Ausnahme aber ein Blankoscheck zum Ausspionieren von Journalisten im Sicherheitsinteresse. Dies würde zugleich den Quellenschutz massiv aushöhlen.

Den Zusatz im entscheidenden Artikel 4 des Entwurfs für einen Media Freedom Act fügten die Schweden vor allem auf Drängen Frankreichs ein. Rückendeckung erhielt die Regierung in Paris unter anderem aus Deutschland und Griechenland, das mit der "Predator-Affäre" zu kämpfen hat. Dies verrät eine ebenfalls an die Öffentlichkeit gelangte diplomatische Korrespondenz des Auswärtigen Amtes. Ein Sprecher der Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth (Grüne), erklärte gegenüber den beiden Medienkanälen, es sei "in keiner Weise" das Ziel der Bundesregierung, "die Ausspähung von Journalisten zu legalisieren". Der Hinweis auf die nationale Sicherheit in dem Entwurf solle nur sicherstellen, dass die in den EU-Verträgen bestimmten Kompetenzen der Mitgliedstaaten in diesem Bereich "unberührt bleiben".

Den Europäischen Journalistenverband überzeugt das nicht. Er moniert, dass die Blankoausnahme keinerlei Vorgaben zum Schutz der Grundrechte enthalte. Dadurch ignoriere der Rat die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Demzufolge befreit die Zuständigkeit für die nationale Sicherheit die EU-Staaten nicht von ihrer Pflicht, die Rechtsstaatlichkeit zu wahren. Sollte die Formulierung auch im EU-Parlament durchgehen, wäre die Verordnung nur noch eine "leere Hülle".

Zuvor hatte der EU-Datenschutzbeauftragte Wojciech Wiewiórowski eine bessere Absicherung von Journalisten und ein weitgehendes Verbot von Spyware im Rahmen des Gesetzesvorhabens gefordert. Er zeigte sich im November besorgt darüber, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen gegen den Einsatz "hochentwickelter militärischer Spionagesoftware" wie Pegasus oder Predator nicht ausreichten, um die Grundrechte einschließlich der Medienfreiheit effektiv zu schützen. Ausnahmen für die Entwicklung oder die Anwendung dieser Art von Staatstrojanern "sollten äußerst begrenzt und mit großer Präzision definiert sowie durch strenge Datenschutzgarantien ergänzt werden".

(bme)