Strikte Begrenzung der Telefon-Überwachung gefordert

Datenschützer und Industrie dringen auf eine grundsätzliche Neuordnung der überhand nehmenden Abhörmaßnahmen.

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Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder sowie der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) machen sich in zwei gesonderten Stellungnahmen für eine grundsätzliche Kontrolle und Neuordnung der Telekommunikations-Überwachung stark. Ihr gemeinsames Anliegen ist es, den "gravierenden Eingriff" in die Grundrechte der Betroffenen, den Telefonabhörmaßnahmen den Datenschützern zufolge darstellen, wieder dem Geist der Verfassung entsprechend zum letzten Mittel ("ultima ratio") der Strafverfolgung herabzustufen. Zuletzt hatte ein Gutachten des Max-Planck-Institutes über die "Rechtswirklichkeit und Effizienz" der Telekommunikationsüberwachung gezeigt, dass die Bespitzelungen der Bürger am Telefon rasant zugenommen hat, die Abhöranordnungen in der überwältigenden Mehrheit der Fälle schlecht begründet und die Ermittlungserfolge gering sind.

Die Datenschutzbeauftragten ziehen aus der Studie -- im Gegensatz zum Bundesjustizministerium -- die Schlussfolgerung, dass "strukturelle Mängel" bei der gegenwärtigen Praxis der Telefonüberwachung bestehen. Diese sollten vom Gesetzgeber baldmöglichst beseitigt werden. Konkret dringen sie unter anderem darauf, dass die Spitzeltätigkeiten auch bei einer Eilanordung durch den Staatsanwalt richterlich zu bestätigen seien. Möglichst sollten zudem nur speziell geschulte Richter für die folgenreichen Abhörentscheidungen herangezogen werden, die ihre Beschlüsse künftig detaillierter und auf einzelne Fälle bezogen begründen müssten. Die Höchstdauer der Lauschangriffe ist nach dem Willen der Datenschützer von drei auf zwei Monaten zu begrenzen. Grundsätzlich sollte zudem der in den letzten Jahren ständig erweiterte Straftatenkatalog in Paragraph 100 a der Strafprozessordnung, der die wichtigste gesetzliche Basis für Telefonüberwachungen darstellt, wieder zurechtgestutzt werden.

Ein Dorn im Auge ist den Datenschutzbeauftragten auch die vermeintliche Erleichterung, die das Bundeswirtschaftsministerium Telekommunikationsbetreibern in seinem umstrittenen Entwurf für die Reform des Telekommunikationsgesetzes (TKG) durch die Streichung der genauen Erfassungspflicht von Umfang und Länge von Abhörmaßnahmen bescheren will. Die Berichte der betroffenen Firmen seien erforderlich, um eine "umfassende Kontrolle der Entwicklung" der Abhörtätigkeiten zu gewährleisten. Angesichts neuer Methoden wie dem Einsatz von IMSI-Catchern und so genannten stillen SMS zur Bespitzelung der Mobiltelefonierer dringen die Datenschützer ferner auf eine Fortführung der wissenschaftlichen Überprüfung der Telekommunikations-Überwachung.

Der BDI sieht das Max-Planck-Gutachten in einem aktuellen Positionspapier ebenfalls als Beweis für die grundlegende Fehlentwicklung an, dass in Deutschland im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern die Lauscher "pauschal oder vorsorglich" ihr Ohr am Netz haben. Mitschuld daran ist dem Wirtschaftsverband zufolge, dass der Staat hierzulande die Kosten für die Überwachung größtenteils den in Anspruch genommenen Telekommunikationsdienstleistern aufbürdet.

Nach einer Umfrage des BDI bei seinen Mitgliedsfirmen werden in Deutschland derzeit nur durchschnittlich zwei Prozent der anfallenden Kosten erstattet, sodass jedes einzelne Unternehmen Belastungen in zwei- bis dreistelliger Millionenhöhe zu tragen hat. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Überwachung sei damit nicht mehr gegeben und die für das neue TKG in gleicher Form vorgesehene Kostenregelung verfassungswidrig. Zudem würden Innovationen behindert, da Firmen hierzulande das für die Forschung benötigte Geld in die Überwachung ihrer Kunden stecken müssten. Das mache den Standort Deutschland für die Telekommunikationsindustrie unattraktiv. (Stefan Krempl) / (jk)