Strom-Bremsen zu Spitzenlastzeiten: Bundesnetzagentur legt Regeln fest

Falls immer mehr Wärmepumpen oder Elektroautos Strom benötigen, könnte das Netz überlastet werden. Dafür hat die Bundesnetzagentur nun Regeln vorgelegt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 798 Kommentare lesen

Hchspannungsmast in Bremen.

(Bild: heise online / anw)

Lesezeit: 4 Min.

Die Bundesnetzagentur hat Regeln für die dynamische Rationierung von Strom zu Spitzenlastzeiten festgelegt. Demnach dürfen Netzbetreiber den Anschluss von neuen Wärmepumpen oder privaten Ladeeinrichtungen für Elektroautos zukünftig nicht mehr ablehnen oder verzögern, weil ihr Netz möglicherweise lokal überlastet wird. Im Gegenzug dürfen Netzbetreiber die Belastung des Netzes reduzieren, indem sie den Strombezug steuerbarer Verbrauchseinrichtungen temporär "dimmen", und zwar "wenn eine akute Beschädigung oder Überlastung des Netzes droht".

Dabei muss immer eine Mindestleistung bereitstehen, sodass Wärmepumpen betrieben und Elektroautos weiter geladen werden können, schreibt die Bundesnetzagentur. Die Netzbetreiber dürfen dabei den Bezug für die Dauer der konkreten Überlastung auf bis zu 4,2 kW senken. Damit könnten Wärmepumpen weiter betrieben und Elektroautos in zwei Stunden für 50 km Strecke nachgeladen werden, erläutert die Bundesnetzagentur. Der reguläre Haushaltsstrom sei davon nicht betroffen, die besonderen Anforderungen von Großwärmepumpen würden berücksichtigt.

Die von ihr nach zwei Konsultationen nun veröffentlichten Regeln gelten ab dem 1. Januar 2024. Sie konkretisieren den Paragraf 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Hintergrund ist die zunehmende Elektrifizierung des Wärme- und des Verkehrssektors. Steuerbare Verbrauchseinrichtungen wie Wärmepumpen und private Ladeeinrichtungen für E-Autos haben höhere Leistungen als die meisten Haushaltsgeräte. Diese beziehen auch häufiger gleichzeitig Strom. Das Niederspannungsnetz könne einzelne neue Anwendungen aufnehmen, auf einen schnellen Hochlauf sei der größte Teil der Niederspannungsnetze aktuell allerdings noch nicht ausgelegt, erklärt die Bundesnetzagentur. Für die Netze, die noch nicht optimiert wurden, soll mit den neuen Regelungen vorgesorgt werden.

Die Bundesnetzagentur geht davon aus, dass Netzbetreiber nur in Ausnahmefällen eingreifen müssen, es sei auch nicht mit wesentlichen Komforteinbußen zu rechnen. Steuerbare Verbrauchseinrichtungen dürften nicht komplett abgeschaltet werden.

Die Verbraucher haben die Wahl, einzelne Anlagen direkt vom Netzbetreiber ansteuern zu lassen oder von ihrem Netzbetreiber den Wert für einen zulässigen Strombezug zu erhalten, der nicht überschritten werden darf. In dem Fall koordinieren die Verbraucher eigenständig die Reduzierung durch ein Energiemanagementsystem für mehrere steuerbare Verbrauchseinrichtungen eigenständig. Dabei können selbst erzeugte Energiemengen eingerechnet werden, zum Beispiel darf eine Wallbox mehr Strom beziehen, wenn dieser aus der eigenen Solaranlage stammt.

Betreiber von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen sollen ein reduziertes Netzentgelt zahlen. Die Reduzierung besteht entweder aus einem netzbetreiberindividuellen pauschalen Betrag oder einer Reduzierung des Arbeitspreises um 60 Prozent. Technische Voraussetzung hierfür ist ein separater Zählpunkt für die steuerbare Verbrauchseinrichtung. Der pauschale Rabatt kann je nach Netzgebiet zwischen 110 und 190 Euro (brutto) im Jahr betragen.

Die Netzbetreiber müssen Steuerungseingriffe in einem einheitlichen Format auf einer gemeinsamen Internetplattform detailliert ausweisen, geht weiter aus den Regeln hervor. So soll für eine breite Öffentlichkeit nachvollziehbar sein, wenn in einzelnen Netzbereichen Überlastungsprobleme auftreten und der Netzbetreiber sein Netz besser ausstatten muss. Wenn ein Netzbetreiber die Leistung reduzieren muss und mit weiteren Maßnahmen zu rechnen ist, muss er dies in seiner Netzausbauplanung berücksichtigen.

Für Bestandsanlagen, für die eine Vereinbarung zur Steuerung durch den Netzbetreiber besteht, sieht die Bundesnetzagentur Übergangsregelungen vor. Dauerhaft ausgenommen bleiben Bestandsanlagen ohne eine solche Vereinbarung. Nachtspeicherheizungen sollen dauerhaft nicht unter die neuen Regelungen fallen.

Für Netzbetreier gilt: Solange sie noch nicht die notwendigen Vorbereitungen für die netzorientierte Steuerung getroffen haben, können sie maximal 24 Monate vorsorglich steuern und müssen dabei einige Rahmenregelungen beachten.

Die Regelungen sollen nun schnell "praxistauglich konkretisiert" werden. Dafür bittet die Bundesnetzagentur die Netzbetreiber, gemeinsam mit anderen Marktteilnehmern Empfehlungen auszuarbeiten, damit die netzorientierte Steuerung standardisiert und massengeschäftstauglich umgesetzt werden kann.

(anw)