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Tiger Lake im Test: Intel schlägt bisherige Notebook-Quad-Cores deutlich

| Nico Ernst

Intels Tiger-Lake-CPUs überzeugen in ersten Benchmarks. Die neuen Kerne setzen Rekorde bei der Singlethread-Leistung, doch die Xe-Grafik hat noch Probleme.

In den nächsten Wochen und Monaten erscheinen die ersten Notebooks mit Intels Tiger-Lake-CPUs alias elfter Core-i-Generation [1]. Wie gehabt – und anders als bei AMDs Ryzen-4000-Chips – handelt es sich bestenfalls um Vierkerner. Allerdings wurde die Architektur grundrenoviert, und Intel verlässt die gewohnten 15-Watt-Pfade: Das cTDP-Fenster (configurable TDP) reicht nun bis 28 Watt. Intel animiert die Notebook-Hersteller, dies auch auszuschöpfen; in einem "Dynamic Tuning" genannten Modus dürfen CPU-Kerne und die integrierte GPU sogar kurzzeitig bis zu 36 Watt verheizen.

Zur Architektur: Was bei den Sunny-Cove-Kernen in Ice-Lake-Notebooks (zehnte Core-i-Generation) noch etwas enttäuschend war, entfaltet sich jetzt endlich durch Intels dritte Generation der 10-Nanometer-Fertigung mit "SuperFin"-Transistoren. Die nun Willow Cove [2] genannten Cores sind vor allem bei Single-Thread-Aufgaben sehr schnell: Bis zu 600 Punkte auf einem Kern im Cinebench R20 haben wir in einem Notebook mit Abstand noch nicht gesehen. Dazu kommt noch die völlig neue integrierte Xe-Grafik, die bei Notebooks "Iris Xe" heißt, und rund doppelt so schnell wie Gen11-Grafik in Ice-Lake-Chips arbeitet.

Referenz-Notebook in Intel-Blau

Referenz-Notebook in Intel-Blau

(Bild: Nico Ernst)

Da fertige Notebooks mit Tiger Lake noch nicht zu haben sind – und wohl auch weil AMDs Ryzen-4000-Chips Rekorde einsammeln – stellte Intel dem Autor in München für einen Tag ein Referenzdesign mit den neuen Bausteinen zur Verfügung. Das 1,2 Kilo leichte 14-Zoll-Gerät basiert auf MSIs Prestige-Serie [3], soll laut Intel aber weder in der getesteten Bestückung noch in diesem Design auf den Markt kommen. Solche Vorseriengeräte lassen Chiphersteller fertigen, um damit interne Tests durchzuführen und Kunden schon Monate vor dem eigentlichen Marktstart von den Plattformen zu überzeugen.

Das Notebook war natürlich mit dem schnellsten Tiger-Lake-Modell Core i7-1185G7 bestückt, der mit vier Kernen und acht Threads bis zu 4,8 GHz im Turbo schafft. Der Basistakt hängt von der festgelegten TDP (und dem Kühlsystem) ab: Bei 15 Watt sind nur magere 1,2 GHz garantiert, bei 28 Watt hingegen 3,0 GHz. 16 GByte LPDDR4-4266 und eine 1-TByte-SSD PM981a von Samsung dienten als Speicher. Intel hatte etliche Benchmarks und auch echte Anwendungen vorinstalliert, die wir aber links liegen ließen, weil wir dazu keine Vergleichsdaten haben.

Intel gewährte jedoch bis auf das Aufschrauben des Geräts freie Hand, sodass wir Software aus unserem eigenen Fundus installiert haben. Neben der reinen CPU-Leistung waren wir vor allem auf die Xe-Grafik gespannt, weshalb wir einige Spiele ausprobiert haben. Zum Testen praktisch: Die cTDP war auf dem Vorseriennotebook in Stufen von 15, 28 und rund 36 Watt unter Windows umschaltbar, was wir mit einem mitgebrachten Wattmeter kontrolliert haben.

Die Leistung der Willow-Cove-Kerne und auch das Taktverhalten unter Last waren auf dem Referenzsystem beeindruckend. Schon bei 15 Watt schlägt Tiger Lake im Cinebench R20 fast alle aktuellen Quad-Core-Notebooks (siehe Tabelle). Mit 28 Watt sind dann 599 und 2249 Punkte drin, was sogar Intels Sechskerner der Core-i-10000-Serie und ebensolche Ryzen-4000U fast einholt. Um das ins Verhältnis zum Zustand vor einem Jahr zu setzen: Selbst 45-Watt-Hexacores wie der in Gaming-Notebooks oft verbaute Core i7-9750H schaffen bestenfalls rund 440 und 2600 Punkte, in vielen Notebooks weniger. Es müssen heute also nicht mehr durch die Kühler schwere Geräte mit kürzerer Akkulaufzeit sein, um solche Leistung zu erzielen.

Wenn man das Dynamic Tuning mit rund 36 Watt einschaltet, sind sogar 601 Punkte im Single-Thread-Test des Cinebench R20 drin. Der Multi-Score steigt auf 2422 Punkte. Diesen Modus dürfte aber vor allem in den flachen Evo-Notebooks [4] kaum ein Hersteller aktivieren. Schon das Referenzsystem wurde bei 28 Watt cTDP auf Dauer bis in die Handauflagen gut warm – es stürzte aber nie ab. Stattdessen drosseln die Kerne recht zuverlässig, wenn der Grenzwert von 95 Grad erreicht wird, die Maximaltemperatur von 100 Grad (Tcase) reizte das Design nicht aus.

Dass, wie in den meisten Notebooks, das Kühlsystem die hohen Taktraten nicht dauerhaft halten kann zeigt HWinfo, was laut Intel auch bei Tiger Lake zuverlässig ist: Gestartet wird bei Cinebench mit 4,8 GHz im Mehrkern-Test mit 28 Watt, dann gehen die Frequenzen auf bis zu 3,3 GHz herunter. Ist der Kühler einmal aufgeheizt, gibt es aber stabile Leistung, was wir mit dem schneller ausgeführten Cinebench R15 überpüft haben. Auch nach vier aufeinanderfolgenden Durchläufen liegt der Wert mit 28 Watt TDP bei 960 Punkten, jeweils mit Schwankungen von höchstens vier Zählern, was innerhalb der Messgenauigkeit liegt.

Tiger Lake Performance-Vergleich
CPU Kerne / Threads Notebook Cinebench R20 GeekBench 5 3DMark (Time Spy)
Core i7-1185G7 4 / 8 Pre-Production (15W) 561 / 1601 1594 / 4840 1519
Core i7-1185G7 4 / 8 Pre-Production (28W) 599 / 2249 1593 / 6053 1802
zum Vergleich
Core i7-1065G7 4 / 8 LG Gram 17 431 / 1232 1332 / 3949 801
Core i7-1065G7 4 / 8 Dell XPS 13 (9300) 457 / 1674 1292 / 4720 857
Core i5-1038G7 4 / 8 Apple MacBook Pro 13 437 / 1808 1254 / 4332 k.A.
Core i7-10710U 6 / 12 MSI Prestige 14 412 / 2267 1179 / 5147 k.A.
Core i7-10510U 4 / 8 Asus ExpertBook B9 372 / 1191 1220 / 3208 445
Core i5-L16G7 5 / 5 Samsung Galaxy Book S 208 / 575 670 / 1454 395
Ryzen 7 4800U 8 / 16 Lenovo IdeaPad 5 484 / 3944 1156 / 6720 1216
Ryzen 7 4700U 8 / 8 Lenovo Yoga Slim 7 469 / 2617 1113 / 5596 1166
Ryzen 5 Pro 4650U 6 / 12 Lenovo ThinkPad T14s 455 / 2277 1107 / 4872 937
Ryzen 5 4500U 6 / 6 Acer Swift 3 (SF314-42) 447 / 1919 1080 / 4151 963
Core i9-10980HK 8 / 16 Asus Zephyrus Duo 15 525 / 3990 1367 / 8229 k.A.
Core i7-10750H 6 / 12 Dell XPS 15 (9500) 462 / 2752 1246 / 6193 k.A.
Ryzen 9 4900HS 8 / 16 Asus Zephyrus G14 492 / 4260 1208 / 7990 k.A.
Ryzen 5 4600H 6 / 12 Lenovo Legion 5 452 / 3458 1120 / 6625 k.A.
Nico Ernst

Bei Rise of the Tomb Raider hatte die Iris-Xe-GPU mit Grafikfehlern zu kämpfen.

(Bild: Nico Ernst)

Auch die Xe-Grafik mit 96 Clustern, bei Intel EUs genannt, löst viele Versprechen ein – zumindest unter DirectX 11. 3DMark Time Spy, Night Raid, Fire Strike und Sky Diver liefen problemlos und ohne Grafikfehler. Ein Gesamtwert von 1519 und 1802 bei Time Spy (15/28 Watt) können sich für integrierte Grafik mehr als sehen lassen: Die kleinen GeForce-MX-GPUs von Nvidia, die Notebookhersteller oft aus Marketinggründen verbauen, sind nun obsolet. Etwas ältere Titel wie Rise of the Tomb Raider sind mit hohen Details mit 26 und 34 Bildern pro Sekunde (Preset "Hoch", DX11, Full-HD, 15/28 Watt) annehmbar spielbar. Schwierigkeiten gab es aber mit DirectX 12: Sowohl Rise of the Tomb Raider wie Shadow of the Tomb Raider starteten entweder nicht mit Hinweis auf einen abgestürzten Grafiktreiber oder produzierten sichtbare Bildfehler. Bei Rise of the Tomb Raider, das mit DX12 immerhin lief, half dagegen ein Abschalten der Umgebungsverdeckung.

Intels Iris Xe mochte DirectX-11-Spiele.

Intels Iris Xe mochte DirectX-11-Spiele.

(Bild: Nico Ernst)

Kurios war das Verhalten von Metro Exodus. Dessen mitgelieferter Benchmark ließ beim Start mit DirectX 12 mehrere Minuten auf sich warten, sodass wir das Programm beendeten. Das eigentliche Spiel stürzte schon im Menü ab. Mit DirectX 11 lief hingegen alles, sogar ohne Bildfehler. Der recht fordernde Benchmark kommt dabei auf 11,5 und 12,3 fps (Preset "High"). Im 36-Watt-Modus sind sogar 14,3 fps drin, was wir auf eine gute Energieverteilung weg von der CPU zur GPU zurückführen, denn die Cores sind dabei selten ganz ausgelastet. Intel ist das Verhalten von Metro bekannt: Der Start könne schon mal fünf Minuten dauern.

Nico Ernst

Mit Dirext-12-Engines gab es aber noch einige Probleme.

(Bild: Nico Ernst)

Seltsame Probleme gibt es unter anderem auch mit Red Dead Redemption 2, Hitman 2 und der Videosoftware Handbrake. Um all das zu lösen, sollen bis zum Marktstart, der frühestens im Oktober erfolgt, noch gründlich überarbeitete Grafiktreiber zur Verfügung stehen. Solche Bugs ließen sich auch bei anderen komplett neuen Grafikarchitekturen Monate vor dem Marktstart beobachten. Dennoch sollte man bei den fertigen Tiger-Lake-Notebooks bei DirectX 12 genau hinsehen.

Den bei Notebooks nicht unwichtigen Aspekt Akkulaufzeit konnten wir auf dem Referenzgerät mangels Zeit gar nicht testen; auch hier muss also noch auf Serien-Hardware gewartet werden. Und nicht zuletzt bleibt spannend, für welche cTDPs sich die Hersteller denn in ihren konkreten Systemen entscheiden werden. Bislang liefen nur wenige Notebooks mit hochgedrehter cTDP; das Gros verblieb bei 15 Watt – was 1:1 auf die Performance durchschlägt.

Mehr von c't Magazin Mehr von c't Magazin [5]

Tiger Lake ist als Intels Hoffnungsträger für kleine und leichte Notebooks ein großer Schritt nach vorne. Bei Singlethreading liegt Intel deutlich vorne, bei Multithreading schafft man mit vier Kernen die Performance, für die AMD sechs braucht – wenngleich es bei Ryzen 4000 aber bis zu acht Kerne und dadurch noch mehr Power gibt. Von sechs CPU-Kernen, wie Intel sie zuletzt (in homöopathischen Dosen) aus seiner 14-Nanometer-Fertigung gequetscht hat, fehlt derzeit noch jede Spur; irgendwann später will Intel Tiger Lake mit bis zu acht Kernen bringen. Da die meisten Notebooks nicht mit den absoluten Top-Prozessoren verkauft werden, ist es verständlich, dass Intel die erst jetzt halbwegs rund laufende 10-Nanometer-Fertigung zunächst für Mainstream-Modelle nutzt.

Die Willow-Cove-Kerne an sich sind grundsätzlich so vielversprechend, dass man sie sich statt der immer wieder aufgegossenen Lake-Architekturen auch mit mehr als vier Kernen und für Desktop-PCs wünscht. Dort steht als Nächstes mit dem im Frühjahr 2021 erwarteten Rocket Lake-S ein weiterer 14-Nanometer-Prozessor an. [Ergänzung 16:00 Uhr: Technisch wird dieser allerdings sehr interessant, weil dort die 10-Nanometer-Willow-Cove-Kerne in einer Rückportierung auf 14 Nanometer (Cypress Cove) enthalten sein werden. Wir sind gespannt, wie sich das in der Performance niederschlagen wird.] (mue [6])


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[1] https://www.heise.de/news/Tiger-Lake-Intel-startet-die-11-Core-i-Generation-4884417.html
[2] https://www.heise.de/news/Intel-verspricht-deutliche-Leistungssteigerung-fuer-Tiger-Lake-Prozessoren-4868590.html
[3] https://www.heise.de/news/MSI-Summit-Neue-Notebook-Serie-fuers-Home-Office-mit-Core-i-1100G-4885281.html
[4] https://www.heise.de/news/Tiger-Lake-Intel-startet-die-11-Core-i-Generation-4884417.html
[5] https://www.heise.de/ct/
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