Time Warner stellt die Weichen für AOL

Die Abspaltung der Zugangssparte vom Portalgeschäft gilt als Signal für einen anstehenden Verkauf. Der Access-Bereich könnte von einem Netzbetreiber übernommen werden. Auch die Zukunft des Portals gilt als unsicher.

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44 Milliarden US-Dollar will Microsoft für Yahoo auf den Tisch legen. Das Übernahmeangebot elektrisiert die Branche. Glaubt man US-Berichten, dann berät der Verwaltungsrat von Yahoo am heutigen Freitag über Redmonds drängende Avancen. Ob Nummer Zwei und Drei des Online-Werbemarktes dem Primus Google gemeinsam Paroli bieten können, wird sich erst nach dem Vollzug des Geschäfts zeigen. Gibt der Internetveteran dem Werben des Softwareriesen nach, hat ein anderer Wettbewerber zwei Optionen weniger: AOL.

AOL, das ist der ehemalige Zugangsanbieter, der dank seiner irren Marktkapitalisierung auf dem Höhepunkt der Dotcom-Blase sich den Old-Media-Giganten Time Warner für über 160 Milliarden US-Dollar einverleibte. Das ist eine Menge Geld, speziell für ein Unternehmen, das keine 5 Milliarden Dollar Umsatz machte. Der Deal das Jahrhunderts gilt heute als einer der größten Flops der Wirtschaftsgeschichte. Einen Börsencrash und acht Jahre später, das Breitbandzeitalter ist angebrochen, versorgt der Dial-up-Anbieter zwar immer noch über 9 Millionen Menschen mit Internetzugang, doch waren das mal fast 27 Millionen.

Der Kundenstamm blutet aus, klagt die Wall Street. Allein im vergangenen Jahr verlor AOL 3,8 Millionen Kunden. Das Geschäftsmodell der Kombination von Zugang und Inhalten, mit der zunächst geschlossene Portalanbieter wie Compuserve und AOL das Internet in der grauen Vorzeit der Branche erschlossen, hat sich längst überlebt. Auch bei AOL steht die Zugangssparte zur Disposition. Der Konzern will sich auf das Portalgeschäft konzentrieren. In Europa ist man da schon weiter, das deutsche Zugangsgeschäft hat sich im vergangenen Jahr die Telecom-Italia-Tochter Hansenet gesichert.

Jetzt geht es auch dem noch profitablen US-Geschäft an den Kragen. Das Problemkind AOL solle aufgespalten werden, sagte der neue Time-Warner-Chef Jeffrey Bewkes in einer Analystenkonferenz. Mit der Trennung von Portal- und Zugangsgeschäft will sich Bewkes alle strategischen Optionen offen halten. Beobachter sehen darin ein klares Signal, dass die Zugangsparte verkauft werden soll. Auch die Beteiligung am Kabelnetzbetreiber Time Warner Cable werde überprüft.

AOL muss sehen, wo es bleibt. In entscheidenden Geschäftsbereichen liegt es hinter der Konkurrenz zurück. Die Werbeumsätze wachsen, aber langsamer als bei der Konkurrenz. Durch eine Fusion von Microsoft und Yahoo würde AOL bei Online-Werbung zwar auf den dritten Platz vorrücken, aber mit einem nahezu uneinholbaren Rückstand auf die beiden Giganten Google und Microhoo auf den vorderen Plätzen. Zudem dürften damit Überlegungen, sich im Portalgeschäft durch eine Fusion mit einem Wettbewerber gegen Google zu stärken, mangels möglicher Partner erschwert werden.

Bleibt noch Google selbst. Der Suchmaschinenriese ist mit 5 Prozent an AOL beteiligt und gilt US-Berichten zufolge als möglicher Käufer. Allerdings nicht für die Zugangssparte: Google, so wird gemutmaßt, könnte sich den Portalbereich unter den Nagel reißen. Bewkes dürfte auch das Recht sein. Sein Auftrag ist, den schwerfälligen Gemischtwarenladen Time Warner wieder zu einem modernen Konzern zu trimmen. Eine Schlankheitskur ist da genau das Richtige. (vbr)