Trump teilt gegen Twitter aus - wegen Richtigstellungen zu Tweets des Präsidenten

Twitter hat erstmals irreführende Tweets Donald Trumps gekennzeichnet. Nun wirft Trump Twitter Einmischung in den Wahlkampf vor – was Twitters gutes Recht wäre.

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Eine US-Fahne hängt lahm am unteren Ende einer Fahnenstange und somit im nassen Erdreich

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 4 Min.

"Trump hat fälschlicherweise behauptet, dass Briefwahlen zu einer 'geschobenen Wahl' führen würden. Tatsächlich sagen Faktenprüfer, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass Briefwahlen mit Wahlbetrug in Verbindung stehen." So steht es auf einer von Twitter eingerichteten Webpage. Zu ihr gelangt man über einen Link, der unter dem irreführenden Tweet des US-Präsidenten steht. Trump empfindet das als Majestätsbeleidigung.

"Twitter mischt sich nun in die Präsidentenwahlen 2020 ein", zürnt Trump, wiederum per Tweet. Die Überprüfung seiner Behauptungen seien "Fake News von CNN und der Amazon Washington Post." Die Washington Post gehört nicht zu Amazon. Die Zeitung gehört einer Holding, die Amazon-CEO Jeff Bezos gehört, der für Trump schon lange ein Feindbild ist.

"Twitter unterdrückt die FREIE REDE komplett", polterte Trump weiter. "Und ich, als Präsident, werde das nicht zulassen!" Tatsächlich steht es Twitter frei, Meinungsäußerungen von Usern zu kommentieren oder auch gänzlich zu löschen. Ebenso steht es dem Unternehmen frei, sich durch Äußerungen in US-Wahlen einzumischen.

Das ist die Folge der im US-Recht besonders hoch gehaltenen Redefreiheit. Der Erste Zusatzartikel der US-Verfassung schützt Bürger und Unternehmen vor Gesetzen, die Redefreiheit, Religionsfreiheit oder Pressefreiheit einschränken würden. Ein rechtlicher Schutz des Präsidenten vor kritischen Hinweisen eines US-Unternehmens wäre dem US-Recht wesensfremd.

Twitter-Chef Jack Dorsey (Archivbild) will seinen vielleicht berühmtesten User nicht in die Schranken weisen.

(Bild: cellanr CC-BY-SA 2.0)

Die Redefreiheit für Unternehmen geht sogar so weit, dass sie in unbegrenzter Höhe für Wahlkampagnen spenden dürfen. Das hat der US Supreme Court 2010 in seinem höchst umstrittenen Fall Citizens United vs. FEC festgehalten: "Wenn der Erste Zusatzartikel irgendeine Kraft hat, verbietet er dem Congress, Bürger oder Zusammenschlüsse von Bürgern zu bestrafen oder einzusperren, nur weil sie sich politischer Rede befleißigen", steht in der von einer knappen Mehrheit der Richter getragenen Entscheidung.

Und weil Geld quasi Rede sei, wurden nicht nur bestehende Spendenbegrenzungen als verfassungswidrig aufgehoben, sondern auch eine frühere anderslautende Entscheidung des Supreme Court selbst. Erkämpft hat die neue Rechtsprechung, die Unternehmen wie Twitter das unbegrenzte Recht zur Einmischung in US-Wahlen durch Meinungsäußerungen garantiert, die konservative Organisation Citizens United. Sie wird nach wie vor von dem Republikaner David Bossie geleitet. Derselbe Bossie war stellvertretender Leiter der Wahlkampagne Donald Trumps.

Twitters Webpage zu Trumps haltlosen Behauptungen vom Dienstag weist noch auf eine andere Unterstellung Trumps hin: Der Präsident hatte behauptet, der US-Staat Kalifornien werde "allen Menschen, die im Staat leben, egal wer sie sind oder wie sie dahin gekommen sind", Stimmzettel schicken. Tatsächlich bekommen nur jene Kalifornier Stimmzettel, die wahlberechtigt sind und sich als Wähler registriert haben. Außerdem weist Twitter darauf hin, dass alle US-Staaten längst in bestimmten Fällen Briefwahl anbieten, und fünf US-Staaten sogar ausschließlich auf dem Postweg wählen.

Dennoch hagelt es in den USA derzeit Kritik an Twitter. Anlass sind weitere unappetitliche Tweets von Trump, die Twitter nach wie vor wissentlich verbreitet. Mehrfach beschuldigt Trump einen Journalisten und ehemaligen Republikanischen Abgeordneten vor 19 Jahren eine Praktikantin ermordet zu haben. Tatsächlich hat die Frau damals in einem Büro in Florida aufgrund eines unbekannten Herzfehlers das Bewusstsein verloren und sich beim Sturz eine tödliche Kopfverletzung zugezogen. Ihr Arbeitgeber weilte zu der Zeit im weit entfernten Washington, DC. Dennoch lässt Twitter die Unterstellungen Trumps unbeanstandet.

Der Witwer der Verstorbenen hat sich mit einem bewegenden Brief persönlich an Twitter-Chef Jack Dorsey gewandt und um Löschung der Anwürfe ersucht. Sie verstießen gegen die Nutzungsbedingungen und fügten ihm und anderen Hinterbliebenen große psychische Schmerzen zu. Dorsey will aber keinen Verstoß Trumps gegen Twitters Nutzungsbedingungen erkennen und lehnt das Löschbegehren ab.

Update 10:15 Uhr: Parteizugehörigkeit des Abgeordneten korrigiert (ds)