Tschüss: Ein Abschiedsjubiläum nach genau 15 Jahren StudiVZ

Vor 15 Jahren ist das StudiVZ gestartet, ein Abklatsch von Facebook. Die US-Version steht in der Kritik. Das VZ ist heute nicht mal dafür noch bedeutend genug.

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So soll das neue VZ ausschauen.

(Bild: VZ)

Lesezeit: 5 Min.

Das StudiVZ ist 15 Jahre alt. Es ist tatsächlich so alt geworden, auch wenn es inzwischen nur noch VZ heißt und eine turbulente Zeit hinter sich hat. Wobei sich turbulent eher auf die Eigentumsverhältnisse bezieht denn auf Trubel unter den Nutzern. Das Original, Facebook, war und ist deutlich erfolgreicher. Dennoch möchten wir zum Jubiläum einen Abschiedsgruß verfassen.

Bis ein Trend oder ein Dienst über den großen Teich geschwappt ist, hat es 2005 noch gedauert. Ein Grund dafür war sicherlich, dass es die sozialen Netzwerke noch nicht gab, bei denen man garantiert mit jedem Unfug von Challenge bis Buffalo-Boot-Revival vollgeballert wird. Bevor damals also das eine erste soziale Netzwerk in Europa wirklich bekannt wurde, hatten es andere schon quasi kopiert und StudiVZ genannt. Rot statt Blau, deutsch statt englischsprachig. Man konnte jemanden gruscheln statt poken – wobei beides gleichermaßen erdacht und in der Bedeutung leer war. Viel mehr Unterschied gab es nicht. Facebooks Klage gegen das Plagiat scheiterte dennoch.

Das StudiVZ richtete sich zunächst an, steckt im Namen, Studierende. Auch das entsprach dem Vorbild. Schnell erweiterte sich dieser Kreis. Um niemanden auszuschließen, taufte man die Schwester MeinVZ und verknüpfte die beiden Netzwerke. Facebook hatte dieses Problem immerhin nie, Gesichter haben wir ja schließlich alle. Was der Ableger auch vergaß: Studierende und große Teile der Bevölkerung sind des Englischen mächtig. Entsprechend kam es schon nach wenigen Jahren zu einer Abwanderung. Was blieb? Die Gruppen. Ein Alleinstellungsmerkmal des VZs.

Statt sich nur mit Beiträgen in der Timeline, Fotos und Statusmeldungen zu präsentieren, geschah dies bei StudiVZ auch über die für andere sichtbaren Gruppen, in denen man Mitglied war. Sie waren weniger zum Austausch und mehr als Statement gedacht. Jeder Texter für blöde Bürotassen, T-Shirts und Wandtattoos blickt wahrscheinlich bis heute heimlich neidvoll auf die Kreativität des Schwarms.

Ein paar Sprüche aus der Erinnerung:

  • SPSS: Das A fehlt nicht umsonst
  • Wer ist eigentlich dieser LAN und warum macht er so viele Partys?
  • Sicheres Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit
  • Wenn Jura einfach wäre, würde es BWL heißen
  • Ich habe ein Motivationsproblem bis ich ein Zeitproblem habe
  • Ich lebe in meiner eigenen Welt. Das ist OK, man kennt mich dort
  • Meine Damen und Herren, es sinkt für Sie: das Niveau!

Die zuletzt genannte Gruppe zeigt dann aber eben auch, nicht nur, dass es ein Original gab und diese Tatsache an sich schon Mitglieder zog, das StudiVZ hatte auch etwas tendenziell Provinzielles. Während man sich bei Facebook mit seinen Freunden auf der ganzen Welt austauschen konnte, so man diese denn hatte, blieb es im VZ auf die DACH-Region beschränkt. Die schon deshalb limitierte Mitgliederzahl sank weiter. Zu Hochzeiten waren es immerhin 17 Millionen. Und heute?

Versuche, das Netzwerk wieder aufleben zu lassen, sind verzweifelter als jeder Gruppenname auf ein T-Shirt gedruckt in der Hoffnung, einem Gegenüber damit Freude zu bereiten. Es gab ein nahezu unüberblickbares Wirrwarr an Investoren. Holtzbrink stieg ein, verkaufte an Vert Capital, die nannten das Unternehmen Poolworks, der nächste Verkauf an die Momentous Entertainment Group stand an, es folgte die Insolvenz und erst vor Kurzem wieder ein Versuch.

Nun sollte es nur noch VZ heißen, im April kündigte man den Neustart an. Der Lieferando-Gründer Jörg Gerbig hatte die Netzwerke aus der Insolvenzmasse übernommen. Social Media solle wieder sozial gemacht werden, hieß es in einer Pressemitteilung. Das ist ja ein schöner Gedanke, aber sozial würde bedeuten, dass Menschen dort miteinander agieren müssten. Und nunja, nicht mal das eigene Social-Media-Team, geschweige denn der Blog des VZs werden von Menschen gepflegt. Nach der Ankündigung folgte dort nichts mehr.

Ein paar Hunderte Mitglieder hat manche Gruppe aktuell. Beiträge können dort mit einem lachenden Katzengesicht goutiert werden. Es erinnert alles ein bisschen an die unliebsame WhatsApp-Gruppe, in der immer jemand noch ein witziges Bild mehr postet, das man nicht sehen möchte. Daher:

Liebes VZ, ich wünsche dir zum Geburtstag ungefähr: Nichts. Lass uns tschüss sagen und nicht auf Wiedersehen. Es wird nicht besser. Noch ist ein bisschen schöne Erinnerung geblieben: An Zeiten, in denen soziales Netzwerk nicht Projektionsfläche für Werbetreibende hieß und Daten in SPSS ausgewertet wurden. Mach das nicht auch noch kaputt. Kauf ein A, löse Bockwurst und lass gut sein. 15 ist doch ein stolzes Alter. Google hat viele seiner Dienste sehr viel früher auf den Friedhof getragen. Also, Tschüss.

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