Kinderschutz: Der erste Verfassungszusatz blockiert Gesetze mehrerer US-Staaten

In drei US-Bundesstaaten haben Richter Gesetze zum Schutz von Kindern im Internet vorläufig blockiert – Grund ist das Recht auf freie Meinungsäußerung.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 30 Kommentare lesen

(Bild: Zolnierek/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Während im Bundesstaat Montana ein Richter im Rahmen einer Klage gegen das TikTok-Verbot Anhörungen durchführt, wurde in Kalifornien ein Gesetz zum Schutz von Kindern in den sozialen Medien vorläufig blockiert. Bereits im August handelten Bundesrichter in Arkansas und Texas in ähnlichen Fälle identisch – und alle mit der gleichen Begründung: Der erste Verfassungszusatz garantiere das Recht auf freie Meinungsäußerung. Das kann auch dem Gesetzesvorhaben in Montana zum Verhängnis werden.

Im April dieses Jahres brachte der US-Bundesstaat Montana ein Gesetz zum Verbot von TikTok auf den Weg. Der US-Bezirksrichter Donald Molloy prüft nun die Klage TikToks gegen das Verbot, berichtet Reuters. Während einer Anhörung zu dem Fall stellte Molloy das Argument des Staates Montana – Behörden und Geheimdienst der Volksrepublik China könnten Informationen von US-Bürgern sammeln – als "paternalistisch" infrage.

Die Nutzer gäben Ihre Daten auf TikTok schließlich freiwillig preis und wie könne man sie dann schützen, so Molloy. Er interpretierte die Aussagen des Bundesstaates so, dass die Benutzer demnach nicht wissen, was sie tun und dass das TikTok-Verbot den Bürgern "bestimmte individuelle Freiheiten" verwehre. Der Generalstaatsanwalt von Montana, Christian Corrigan, argumentierte, "dass der Staat auch dann tätig werden könnte, wenn die Verbraucher ihre Daten freiwillig herausgeben würden".

Der TikTok-Anwalt Alexander Berengaut verwies in der Anhörung auf den ersten Verfassungszusatz, gegen den das Verbot in Montana verstoße. Außerdem versuche der Staat "eine Außenpolitik für den Staat Montana zu erklären" – das jedoch sei, wie auch das Recht auf freie Meinungsäußerung, Bundesangelegenheit. Der chinesische Konzern Bytedance, der hinter der Kurzvideo-App steckt, bestritt lange Zeit die Vorwürfe der Datenspeicherung in China und den Zugriff durch die chinesische Regierung – auch in einer Anhörung vor einem US-Ausschuss – gestand anschließend allerdings ein, dass bestimmte Daten von europäischen und US-amerikanischen Nutzern doch in China gespeichert werden. Der Richter Moloy wolle so schnell wie möglich eine Entscheidung treffen.

Im vergangenen Herbst hat der kalifornische Gesetzgeber im Rahmen eines Gesetzes zur Offenlegung der Regularien im Umgang mit Hass und Extremismus auch den Schutz der Privatsphäre von Kindern im Internet verabschiedet. Es soll den Umgang der Plattformen für soziale Medien und Videospiele mit Minderjährigen regeln. Gouverneur Gavin Newsom erklärte damals, dass man aggressive Maßnahmen ergreife, "um die Gesundheit und das Wohlbefinden unserer Kinder zu schützen".

Das Gesetz hat ein Bundesrichter in Kalifornien nach einer Klage, der sich unter anderem TikTok und Meta angeschlossen habe, nun vorläufig blockiert, weil es "wahrscheinlich gegen den ersten Verfassungszusatz verstoße", berichtet die New York Times. Gesetzgeber, Gouverneure, Kindergruppen und Eltern hatten demnach die Hoffnung, den Einfluss von Plattformen wie etwa TikTok, Instagram und YouTube einzudämmen, den sie auf viele Kinder und Jugendliche ausüben.

Bereits im August entschied ein Bundesrichter in Arkansas ähnlich. Das neue Gesetz sollte bestimmte Social-Media-Plattformen zur Altersüberprüfung ihrer Nutzer verpflichten und notfalls die Zustimmung der Eltern einzuholen, bevor sie Minderjährigen die Einrichtung von Konten erlauben. Im selben Monat blockierte ein Amtskollege in Texas vorübergehend ein neues Anti-Pornografie-Gesetz, das Websites mit pornografischen Inhalten das Alter verifizieren und Gesundheitswarnungen anzeigen müsse, bevor sie die entsprechenden Inhalte ausspielen.

Alle Bundesrichter bezogen auf den 1. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika.

Es sei besorgniserregend, "dass wir als Kinderschützer so unterlegen sind, wenn es darum geht, ein Gesetz zu verabschieden, und dass sich der Richter dann auf die Seite der gut finanzierten Argumente der Industrie schlägt", sagte Josh Golin, Geschäftsführer von Fairplay for Kids, einer gemeinnützigen Organisation, die das kalifornische Gesetz unterstützt hat.

Die Bemühungen um den Schutz von Kindern im Internet seien der New York Times zufolge nur Teil eines viel größeren Kampfes um die zukünftige Kontrolle über das Internet. Dabei würden sich "Tech-Giganten, Handelsgruppen und Aktivisten für Meinungsfreiheit mit aktivistischen Gouverneuren, Gesetzgebern, progressiven Kindergruppen und konservativen Elternrechtsgruppen gegenüberstehen".

Auch der US-Gesundheitsminister hat sich in einem im Mai veröffentlichten Bericht für die Erhöhung des Mindestalters und einen eingeschränkten Zugang zu den sozialen Medien für Kinder ausgesprochen. "Obwohl soziale Medien einige Vorteile bieten können, gibt es zahlreiche Hinweise darauf, dass sie auch ein Risiko für die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen darstellen können."

Während einige Mitglieder des US-Kongresses immer noch auf Bundesgesetze zum Schutz von Kindern im Internet drängen würden, hätten Gesetzgeber der Bundesstaaten in erstaunlichem Tempo Maßnahmen verabschiedet. Allein dieses Jahr haben demnach etwa Utah und Arkansas mindestens 10 Gesetze verabschiedet, die den Zugang Minderjähriger zu sozialen Medien und Internet-Angeboten mit pornografischen Inhalten einschränken.

(bme)