US-Politik untersucht umstrittenen Vertrag über .com-Domainregistry

Bei einer Anhörung im US-Kongress sollte geklärt werden, ob ICANN durch die Verisign zugestandenen Preiserhöhungen und die automatische Verlängerung des .com-Registrybetriebs Barrieren für die DNS-Nutzung durch kleine Unternehmen schafft.

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Von
  • Monika Ermert

Der Ausschuss für kleine und mittelständische Unternehmen des US-Abgeordnetenhauses hat sich in einer Anhörung mit dem neuen .com-Vertrag zwischen der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) und Verisign befasst. Dabei sollte geklärt werden, ob ICANN durch die dem Ex-Domainmonopolisten zugestandenen Preiserhöhungen und die automatische Verlängerung des .com-Registrybetriebs Barrieren für die DNS-Nutzung durch kleine Unternehmen schafft. Der von der überwiegenden Mehrheit der ICANN-Interessengruppen abgelehnte Vertrag liegt nach wie vor bei der ICANN-Oberaufsicht vom US-Handelsministerium zur endgültigen Absegnung.

"Das Handelsministerium sollte ein Ausschreibungsverfahren durchführen, mindestens aber erst einmal den vorgeschlagenen Vertrag zurückweisen", sagte in der Anhörung Champ Mitchell, CEO vom Registrierungsdienstleister Network Solutions Inc. (NSI), der sich nach der Trennung von der Verisign-Mutter zu einem der Hauptkritiker aufgeschwungen hat. Mitchell beklagte erneut, die bedingungslose Dauervergabe und die möglichen Preiserhöhungen seien schockierend und unakzeptabel. Zwar würden 1,86 Dollar Mehrbetrag für die Domainregistrierung bei der Registry innerhalb der kommenden sechs Jahre als nicht viel erscheinen, Verisign aber treibe damit ungerechtfertigt 1,3 Milliarden Dollar mehr ein. ICANN wirft Mitchell eine Selbstbedienungsmentalität vor, da die private Netzverwaltung ein gutes Stück von dem Kuchen abbekommt.

62 Prozent der kleinen Unternehmen in den USA hätten Sicherheit und Verlässlichkeit über die Preisfrage gestellt, hielt Steve DelBianco, Geschäftsführer von NetChoice, Mitchell entgegen. Der Prozentsatz sei noch höher, wenn man nur die Unternehmen betrachte, die stark auf ihre Netzpräsenzen angewiesen sind. DelBianco warf den ICANN-Registraren wie NSI vor, um ihren Einfluss auf ICANN zu fürchten, wenn sie durch die .com-Registry-Abgabe plötzlich nicht mehr Hauptzahler von ICANN sind. Der Preis für eine Domain sei heute kleiner als der für Papier und Bleistift, ergänzte ICANNs Hausjurist John Jeffrey. Mit der Trennung des Betriebs der Registry (der Registrierungsdatenbank) und der Tätigkeit als Registrierungsdienstleister für Endkunden (Registrar) seien die Preise für Verbraucher von über 50 Dollar pro Jahr auf 6 bis 8 Dollar gefallen. Die Registrare selbst würden Preissenkungen der Registries, wie etwa nach der Neuvergabe der .net-Registry an VeriSign, allerdings nicht immer an ihre Kunden weitergeben.

Zu den Möglichkeiten des Handelsministeriums hätte der Ausschuss, der vor einem Jahr bereits einmal Wettbewerbsprobleme im Domaingeschäft untersucht hatte, gerne mehr gehört. Laut US-Berichten hatte das Ministerium und seine für die ICANN zuständige Behörde, die National Telecommunications and Information Administration (NTIA), die Einladungen zur Anhörung aber abgelehnt. So konnte zur NTIA-Rolle nur Becky Burr, ehemalige NTIA-Verantwortliche für ICANN und heute Anwältin, angehört werden. Burr räumte ein, dass das Zustimmungsverfahren durch die NTIA wenig transparent ist. Es rührt von den vertraglichen Beziehungen der US-Administration mit Verisigns Vorgänger beziehungsweise der Tochter NSI – beim Verkauf von NSI behielt Verisign den Registry-Betrieb für .com sowie .net und gab lediglich das Registrargeschäft ab. Bei den Verhandlungen zwischen ICANN und Verisign sitzt die NTIA praktisch immer mit am Tisch; darüber hinaus hat die US-Administration noch die Aufsicht über die zentrale DNS-Rootzone und muss alle Änderungen darin eigens absegnen, ein Ärgernis aus Sicht internationaler Regierungen.

Laut Burr sind zwei Fragen bei der Zustimmung zum aktuellen .com-Deal zu überprüfen: Entspricht er den Vorgaben der vertraglichen Vereinbarungen über den Privatisierungsprozess der DNS-Aufsicht? Unterminiert er den ICANN-Prozess? Auch die Wettbewerbsbehörden – in den USA und anderswo – könnten den Deal ebenso wie ausländische Regierungen im Rahmen des ICANN-Regierungsbeirates (GAC) prüfen, meinte Burr zudem. Ein Verfahren bei den EU-Wettbewerbsbehörden hat die Coalition for ICANN transparency (CFIT) angestoßen. Die Organisation beklagte wie viele andere Kritiker unter anderem das Verfahren der Vertragsvergabe.

Die US-Administration ist nun in der Zwickmühle. Winkt sie den Vertrag ohne Weiteres durch, setzt sie sich dem Vorwurf aus, einmal mehr den Ex-Monopolisten – und ein US-Unternehmen – begünstigt zu haben. Stoppt sie das Verfahren, unterstreicht sie einmal mehr ihre (ungeliebte) Aufsichtsmacht. Das Komitee des Abgeordnetenhauses will erst noch zwei Wochen lang schriftliche Stellungnahmen entgegennehmen. (jk)