Ungenutzte Windernte: Netzbetreiber beklagt verlorene Jahre des Stromnetzausbaus

Netzengpässe, durch die weniger Windstrom als eigentlich möglich erzeugt wird, verteuern den Strom. Das kann noch zehn Jahre so weitergehen, vermutet Tennet.

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Strommast in Bremen.

(Bild: heise online / anw)

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Stromnetzbetreiber Tennet beklagt "viele verlorene Jahre" des Netzausbaus. Dessen COO Tim Meyerjürgens sieht zwar in jüngster Zeit "endlich Fortschritte" dank der Beschleunigungsmaßnahmen der Regierung, aber wegen "der immer noch zahlreichen Engpässe im Stromnetz an Land müssen immer öfter die großen Windparks in der Nordsee abgeregelt werden, weil es kaum noch konventionelle Großkraftwerke im Norden gibt, die stattdessen gedrosselt werden könnten", sagte er laut einer Mitteilung.

Der durch die Netzengpässe nötige Redispatch, bei dem Reservekraftwerke einspringen oder auch Strom aus dem Ausland importiert wird, bremse nicht nur die Erzeugung von Offshore-Windstrom, er belaste auch die Preisentwicklung, argumentiert Tennet für einen schnelleren Netzausbau. Hinzu kommt, dass dort, wo das Bestandsnetz ausgebaut werde, die stromführenden Leitungen temporär abgeschaltet werden müssten, um diese Maßnahmen sicher durchführen zu können.

Die Kosten für das Engpassmanagement taxierte die Bundesnetzagentur für das erste Halbjahr 2023 auf 1,6 Milliarden Euro. Auch bedingt durch höhere Gaspreise betrugen die Kosten im gesamten Jahr 2022 rund 4,2 Milliarden Euro. Die Kosten des Engpassmanagements enthalten auch die Vergütung für ungenutzten Windstrom. Tennet geht davon aus, dass es an die zehn Jahre dauern könnte, die Kosten der Netzeingriffe wieder auf ein Minimum zu senken.

Am Sonntag war bereits bekannt geworden, dass Offshore-Windkraftanlagen in der Nordsee im vergangenen Jahr wegen Engpässen im Netz an Land weniger Strom geliefert haben als 2022. Insgesamt seien 19,24 Terawattstunden (TWh) Windenergie an Land übertragen worden, geht aus Zahlen von Tennet hervor, 2022 waren es 21,13 TWh. Insgesamt seien an Land und auf See voriges Jahr 148,97 TWh Windstrom erzeugt worden gegenüber 122,79 TWh im Jahr 2022.

Der Anteil des Nordseestroms lag 2023 mit rund 13 Prozent etwa 4 Prozentpunkte unter dem des Vorjahres. Seit Fertigstellung der 13. Offshore-Netzanbindung namens DolWin6 im September 2023 hat sich laut Tennet die Offshore-Übertragungskapazität des Unternehmens auf 8032 MW in der deutschen Nordsee erhöht; im Vorjahr waren es 7132 MW.

Um diesen und anderen Windstrom von Norden nach Süden zu transportieren, werden Stromtrassen gebaut. Insgesamt sollen es 14.000 Kilometer Hochspannungsleitungen werden. Für eine sichere Stromversorgung notwendig wären nach allgemeiner Einschätzung auch neue (Gas)-Kraftwerke. Tennet beziffert den Bedarf auf 21 Gigawatt gesicherter Leistung bis 2031, davon zwei Drittel im Süden.

(anw)