Upload-Filter und Leistungsschutzrecht: EU-Gremien einigen sich auf Copyright-Reform

Online-Plattformen haften künftig mit wenigen Ausnahmen für Urheberrechtsverletzungen der Nutzer. Kritiker beklagen einen Angriff auf das freie Netz.

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Upload-Filter und Leistungsschutzrecht: EU-Gremien einigen sich auf Copyright-Reform
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Verhandlungsführer des EU-Parlaments, des Rates und der Kommission haben sich am Mittwochabend auf einen Deal rund um die Urheberrechtsreform verständigt. Es bleibt demnach bei dem besonders umkämpften Artikel 13 der geplanten Richtlinie bei dem Kompromiss aus dem Ministergremium, den Deutschland und Frankreich vorige Woche ausgemacht hatten. Gegner hatten ihn vorab als "Extremversion" kritisiert, da damit praktisch nur sehr wenige Online-Plattformen am Einsatz der gefürchteten Upload-Filter vorbeikämen.

EU-Copyright-Reform: Upload-Filter und Leistungsschutzrecht

Betreiber von Plattformen mit nutzergenerierten Inhalte haften laut dem vereinbarten Text für unautorisierte Veröffentlichungen urheberrechtlich geschützter Werke. Alternativ müssen sie sich um Lizenzen auch für das von Dritten hochgeladene Material bemühen und prinzipiell Mechanismen vorhalten, um Werke gar nicht erst verfügbar zu machen, bei denen die Rechteinhaber ihre Ansprüche nachgewiesen haben.

Im Endeffekt dürften sie so dem Haftungsregime und Sanktionen nur entkommen, indem sie auf Filter setzen. Dies entspricht einem Paradigmenwechsel zur bisherigen, in der E-Commerce-Richtlinie verankerten Rechtslage.

Die verabredete Version von Artikel 13 enthält eine Ausnahmeklausel für Startups, die weniger als drei Jahre auf dem Markt sind und deren Jahresumsatz unter 10 Millionen Euro liegt. Wenn sie im Monat auf über 5 Millionen Besucher kommen, sollen auch diese begünstigten jungen und kleinen Firmen aber zusätzlich zeigen, dass sie "bestmögliche Bemühungen" unternehmen, um weitere Uploads angezeigter Werke zu verhindern. Kleines Zugeständnis an die Nutzerrechte ist die Möglichkeit, die beliebten Internet-Memes beziehungsweise Parodien erstellen und teilen oder aus geschützten Werken weiterhin zitieren zu dürfen.

Der deutsch-französische Ansatz hatte vergangene Woche Kritiker fast aller Seiten auf den Plan gerufen. Bürgerrechtler und IT-Branchenverbände warnten vor einer automatisierten Zensur mit unabsehbaren Folgen für die Meinungsfreiheit. Die Medien- und die Musikindustrie sowie Produzentenvereinigungen befürchteten dagegen, dass mit dem Deal zu viele Online-Portale aus der Verantwortung entlassen werden. Erstmals werde mit der Ausnahmeregel ein "sicherer Hafen" für einige digitale Plattformen direkt in der Richtlinie geschaffen.

Der Berichterstatter des EU-Parlaments für das Dossier, Axel Voss (CDU), lehnte den Kompromiss im Sinne der Rechteinhaber zunächst als inakzeptabel ab und wollte schärfere Regeln. Um die gesamte Novelle nicht zu gefährden, lenkte er auf den letzten Metern aber ein.

Das neue EU-weite Leistungsschutzrecht für Presseverleger im Internet ähnelt der deutschen Variante, die seit Jahren die hiesigen Gerichte und mittlerweile auch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) beschäftigt. Wer mehr als "einzelne Wörter oder sehr kurze Auszüge" aus geschützten Artikeln im kommerziellen Umfeld verwendet, muss dafür eine Lizenz erwerben.

Ein "privater Gebrauch" von Zitaten soll erlaubt bleiben, wovon werbefinanzierte Blogs aber vermutlich schon nicht mehr profitieren würden. Das Leistungsschutzrecht wird sich zudem nicht auf Hyperlinks beziehen. Unklar ist hier aber, ob dies auch für URLs gilt, die ganze Überschriften enthalten. Wer diese gewerblich verwendet, dürfte ins Risiko gehen. Im Gegensatz zum deutschen Leistungsschutzrecht ist das europäische Pendant nicht nur auf Suchmaschinen und News-Aggregatoren eingegrenzt.

Voss sprach von einem "wichtigen Schritt", um eine Situation zu korrigieren, die es "ein paar Unternehmen erlaubt hat, große Geldsummen zu verdienen, ohne die tausenden Kreativen und Journalisten angemessen zu vergüten, von denen sie abhängen". Gleichzeitig würden Meme und der legale Einsatz von "Snippets" stärker geschätzt als je zuvor.

Die Schattenberichterstatterin Julia Reda, die sich den Grünen angeschlossen hat, wertete den Deal dagegen als "Gefahr für kleine Verlage, Autoren und Internetnutzer gleichermaßen". Das Internet, "wie wir es kennen", drohe damit "ausschließlich in die Hände der Technik- und Medienriesen" gelegt zu werden. "Upload-Filter funktionieren nicht, Algorithmen können den Unterschied zwischen Urheberrechtsverletzungen und legaler Weiterverwendung, wie zu Parodiezwecken, nicht erkennen", warnt die Piratin Reda.

Reda setzt angesichts dieses "Angriffs auf das freie Internet", mit dem selbst eine anteilige Vergütung der Autoren bis zur Wirkungslosigkeit verwässert und Total-Buy-Out-Verträge ausdrücklich zugelassen würden, vor allem noch auf das Plenum des Parlaments. Dieses muss – genauso wie der Rat – das Verhandlungsergebnis noch bestätigen.

Diese finalen gesetzgeberischen Vollzugsakte gelten in der Regel zwar als Formsache. Laut Reda überschreitet die Einigung aber "die Schmerzgrenze des Europäischen Parlaments bei Weitem". Sie gehe deutlich über die im Herbst abgesteckte Position der Abgeordneten hinaus. Es sei daher sinnvoll, eine bereits von 4,7 Millionen Nutzern unterzeichnete Petition gegen Upload-Filter zu unterstützen und über Kampagnenseiten die Volksvertreter zu kontaktieren. (anw)