VW-Chef Müller: "VW fährt auf Sicht" – aber keine massiven Streichungen

VW muss sparen – aber nicht auf Kosten der Zukunft. Das ist die Botschaft von Konzernchef Müller. Erneut kam in Wolfsburg der Aufsichtsrat zusammen. Es ging vor allem um Zahlen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 22 Kommentare lesen
Abgasrohr

(Bild: dpa)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • dpa
Inhaltsverzeichnis

Volkswagen streicht trotz der immensen Kosten für den Abgas-Skandal seine Investitionen vorerst nicht massiv zusammen. Im kommenden Jahr will der Konzern bei den Sachinvestitionen zwar eine Milliarde Euro kürzen. Man wolle aber nicht auf Kosten der Zukunft sparen, sagte VW-Chef Matthias Müller am Freitag nach einer Aufsichtsratssitzung in Wolfsburg.

Zugleich betonte der 62-Jährige aber: "Wir fahren in den kommenden Monaten auf Sicht." VW werde in den nächsten Wochen weitere Ausgaben überprüfen und gegebenenfalls auch streichen oder strecken.

Der Abgas-Skandal bei VW

Konkret will das Unternehmen die Sachinvestitionen für das Jahr 2016 auf maximal 12 Milliarden Euro reduzieren. Das sei eine Milliarde Euro weniger als im Durchschnitt der vergangenen Jahre. Müller sagte, VW wolle sich auf die Technik der Zukunft konzentrieren – das sind die Elektromobilität und die Digitalisierung der Branche mit immer mehr Internet im Auto.

So sollen im kommenden Jahr 100 Millionen Euro mehr als bisher geplant in alternative Antriebe investiert werden. Bereits vor Wochen hatte der Konzern für die Hauptmarke VW Einsparungen von einer Milliarde Euro angekündigt.

Gespart werden soll zum Beispiel bei einem geplanten Designzentrum in Wolfsburg. Der Bau soll verschoben werden, dies führe zu Einsparungen von 100 Millionen Euro, hieß es. Außerdem solle der Bau einer Lackiererei in Mexiko überprüft werden. Bei der Modellpalette werde wie bereits bekannt der Nachfolger des Phaeton verschoben, der dann als Elektroauto auf den Markt kommen soll.

Fast die Hälfte der Sachinvestitionen fließt laut VW in die deutschen Standorte. Dies sei auch ein Bekenntnis zum Heimatmarkt des größten europäischen Autoherstellers.

Noch vor einem Jahr hatte VW bis 2019 im Konzernbereich Automobile insgesamt Ausgaben von 85,6 Milliarden Euro angepeilt. Dabei beliefen sich die Sachinvestitionen auf 64,3 Milliarden Euro. Eine vergleichbare Fünf-Jahres-Planung gab VW aber diesmal nicht bekannt.

Trotz der gekürzten Investitionen sieht Müller nach wie vor keine akute Gefahr für die Jobs in der Kernbeschäftigung. "Gemeinsam mit den Arbeitnehmer-Vertretern werden wir weiterhin alles dafür tun, um die Stammbelegschaft an Bord zu halten." Ähnlich hatte sich bereits VW-Markenchef Herbert Diess geäußert.

Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh sagte, der Betriebsrat werde weiter ein "besonders wachsames Auge" auf die Beschäftigungssituation haben. Risiken gebe es vor allem bei den Jobs von Leiharbeitern.

Das Thema Investitionen solle in der ersten Sitzung des Jahres 2016 erneut mit dem Aufsichtsrat überprüft werden, sagte Osterloh: "Wir müssen in diesen Zeiten ein Stück weit auf Sicht fahren, wie wir es beispielsweise auch in der Krise 2008 gemacht haben." 2008 war der Automarkt infolge der weltweiten Finanzkrise eingebrochen.

In China hält VW die Investitionen stabil und plant 2016 Ausgaben in Höhe von rund 4,4 Milliarden Euro. Diese Investitionen sind nicht in den genannten 12 Milliarden Euro enthalten, weil sie aus den Gemeinschaftsunternehmen von VW mit chinesischen Partnern aus den eigenen Mitteln finanziert werden.

Müller versprach außerdem erneut, VW werde "entschlossen" an Lösungen für Kunden arbeiten, deren Fahrzeuge vom Abgas-Skandal betroffen sind. Einzelheiten dazu nannte er aber in einem kurzen Statement nicht. Fragen waren nicht zugelassen.

VW ist in einer schweren Krise, seitdem der Konzern Mitte September zugegeben hatte, mit Hilfe einer Software Abgastests bei Dieselfahrzeugen manipuliert zu haben. Dabei ging es um Werte für das gesundheitsschädliche Stickoxid. Außerdem hat VW bei 800 000 Autos falsche Angaben zum Ausstoß des klimaschädlichen CO2 gemacht. Es drohen Milliardenkosten.

In einem ersten Schritt hatte VW 6,7 Milliarden Euro für technische Nachbesserungen der manipulierten Dieselautos zurückgelegt. Weitere Risiken durch die später hinzugekommenen falschen CO2-Werte wurden zunächst auf 2 Milliarden Euro veranschlagt. Daneben drohen aber hohe Kosten etwa für mögliche Strafzahlungen.

Unterdessen gab die EU-Kommission Volkswagen Zeit bis zum Jahresende für genaue Angaben zum Kohlendioxid-Ausstoß der Fahrzeuge. Das bestätigte eine Sprecherin am Freitag in Brüssel. Ein entsprechender Brief sei an das Unternehmen verschickt worden. Eigentlich hatte die Brüsseler Behörde Auskunft bis zum Donnerstag verlangt. Der Autobauer hatte aber um eine Verlängerung gebeten. (anw)