WHO-Studie: Eins von sechs Schulkindern wird Opfer von Cybermobbing

Heranwachsende werden zunehmend online bedroht und beleidigt. Die WHO fordert eindringlich besseren Schutz.​

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Eine Gruppe Jugendlicher vor einer Schule

Das Symbolbild zeigt eine Schülergruppe vor ihrer Schule

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 4 Min.

Hinweis: In Deutschland finden Sie Hilfe und Unterstützung bei Problemen aller Art, auch bei Fragen zu Mobbing und Suiziden, bei der telefonseelsorge.de und telefonisch unter 0800 1110111. Die Nummer gegen Kummer (Kinder- und Jugendtelefon) lautet 116 111. In Österreich gibt es ebenfalls kostenfreie Hilfsangebote, darunter speziell für Kinder der Kindernotruf unter 0800 567 567 sowie Rat auf Draht unter 147. Dieselbe Telefonnummer führt in der Schweiz zu Pro Juventute.

Auf dem Schulhof ist der Ton manchmal gemein und rau, aber im Internet geht es unter Jugendlichen oft noch härter zur Sache. 15 Prozent der älteren schulpflichtigen Kinder beziehungsweise fast jedes Sechste sahen sich bereits mit Cybermobbing konfrontiert. Dies geht aus der zweiten Auflage der Studie Health Behaviour in School-aged Children (HBSC) hervor, den das europäische Regionalbüro der Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Mittwoch veröffentlicht hat. Der Anteil von Jungen (15 Prozent) und Mädchen (16 Prozent) liegen dabei eng beieinander. Dies stellt einen Anstieg gegenüber 2018 dar, nämlich von jeweils drei Prozentpunkten.

Für die Untersuchung hat die WHO 279.000 Jugendliche im Alter von 11, 13 und 15 in 44 Staaten und Regionen wie Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Großbritannien und Kanada befragen lassen. Ungefähr zwölf Prozent der Teilnehmer geben demnach an, andere im Internet zu mobben. Jungen räumen mit 14 Prozent häufiger ein als Mädchen (9 Prozent), Dritte schon über digitale Kommunikationsmedien wie Smartphones beleidigt, bedroht, bloßgestellt oder belästigt zu haben. Gegenüber der ersten Welle der Umfrage 2018 hat der Anteil der Jungen um drei und der von Mädchen um zwei Prozentpunkte zugenommen.

Ungefähr elf Prozent der Jugendlichen wurden direkt in der Schule analog gemobbt, wobei zwischen den Geschlechtern kein signifikanter Unterschied besteht. Durchschnittlich sechs Prozent der Befragten haben eingestanden, andere in der Schule schikaniert zu haben. Dieses Verhalten ist bei Jungen (8%) öfter anzutreffen als bei Mädchen (5%). Jeder zehnte Jugendliche war in körperliche Auseinandersetzungen wie Raufen verwickelt. Auch dabei gibt es einen deutlichen Geschlechterunterschied: 14 Prozent der Jungen gegenüber sechs Prozent der Mädchen.

Cyberbullying stelle Jugendliche vor große Probleme, "die über die Schultore hinaus bis in die vermeintliche Sicherheit ihres Zuhauses und Privatlebens reichen", schlägt die WHO Alarm. Ob virtuelle Formen der Gewalt die Präsenzversionen ersetzten, bleibe eine offene Frage, sagt die Studie. Cybermobbing sollte nun aber auf jeden Fall "als eine große gesellschaftliche Priorität in den Vordergrund gerückt werden".

"Dieser Bericht ist ein Weckruf für uns alle, Mobbing und Gewalt zu bekämpfen, wann und wo immer sie passieren", betont Hans Henri Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa. Junge Menschen verbrächten bis zu sechs Stunden täglich online. Jeden Tag könnten selbst kleine Veränderungen in der Häufigkeit von Mobbing und Gewalt "tiefgreifende Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden Tausender Menschen haben". Von Selbstverletzung bis hin zu Suizid sei schon häufig zu sehen gewesen, "wie Cybermobbing in all seinen Formen das Leben junger Menschen und ihrer Familien zerstören kann." Das sei sowohl eine Gesundheits- als auch eine Menschenrechtsfrage. Die Gesellschaft müsse sich daher stärker dafür einsetzen, Kinder online wie offline vor Gewalt und Schaden zu schützen.

"Die digitale Welt bietet zwar unglaubliche Möglichkeiten zum Lernen und zur Vernetzung", unterstreicht die Koordinatorin der HBSC-Studie, Joanna Inchley. Doch es gebe auch Schattenseiten. Für Regierungen, Schulen und Familien sei angesichts der Ergebnisse entscheidend, bei der Bewältigung von Online-Risiken zusammenzuarbeiten. Sie müssten sicherstellen, "dass Jugendliche ein sicheres und unterstützendes Umfeld" für die eigene Entfaltung haben. Die WHO hat dazu jüngst ein erstes Hinweispapier veröffentlicht. Es soll Regierungen dabei unterstützen, Datenkonzerne nach ihren Schutzmechanismen zu befragen.

2020 hat die WHO anhand der ersten HBSC-Runde bekannt gegeben, dass über ein Drittel (35 Prozent) der Jugendlichen den ganzen Tag über fast ständig online mit ihren Freunden kommunizieren. Die Neigung dazu sei bei Mädchen höher als bei Jungen. Sieben Prozent der Heranwachsenden berichteten damals von problematischer Social-Media-Nutzung, die durch suchtähnliche Symptome gekennzeichnet sei. Mehr als jeder zehnte Jugendliche tausche sich lieber online mit Freunden aus als persönlich. Weniger als jeder fünfte (19%) habe der globalen Empfehlung von 60 Minuten körperlicher Aktivität pro Tag Folge geleistet.

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(ds)