Wirecard: Insolvenzverwalter will 1,5 Milliarden von Wirtschaftsprüfern

Der Insolvenzverwalter des zusammengebrochenen Finanzdienstleisters Wirecard hat die Wirtschaftsprüfer EY auf 1,5 Milliarden Schadensersatz verklagt.​

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(Bild: Framalicious/Shutterstock.com)

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Der Insolvenzverwalter des spektakulär zusammengebrochenen Finanzdienstleister Wirecard fordert von dessen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY 1,5 Milliarden Euro Schadenersatz. Insolvenzverwalter Michael Jaffé habe kurz vor Weihnachten Klage beim Landgericht Stuttgart eingereicht, bestätigte eine Gerichtssprecherin dem Handelsblatt am Freitag (Az. 32 O 109/23 KfH).

Der Insolvenzverwalter wirft EY langjähriges systematisches Versagen vor bei der Prüfung der Jahres- und Konzernabschlüsse der Wirecard AG sowie der Jahresabschlüsse der Wirecard Technologies GmbH vor. EY "habe ihre vertraglichen und gesetzlichen Pflichten als Abschlussprüferin vielfach, schwerwiegend und bewusst verletzt", fasst das Gericht die Klage gegenüber der Nachrichtenagentur dpa zusammen.

Der Insolvenzverwalter hat die Klage seit zwei Jahren vorbereitet und die Vorwürfe schon damals öffentlich vorgetragen. EY hat diese Vorwürfe zurückgewiesen und betont, zur Aufklärung beitragen zu wollen. Dazu werden sie nun offenbar Gelegenheit bekommen – vor Gericht.

Der damals im Dax notierte Zahlungsdienstleister Wirecard war 2020 zusammengebrochen, nachdem 1,9 Milliarden angeblich auf Treuhandkonten verbuchte Euro nicht auffindbar waren. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY hatte dennoch jahrelang die Bilanzen testiert. Hätten die Prüfer ihren Job richtig gemacht, wäre das früher aufgefallen, argumentiert der Insolvenzverwalter.

Dass die Prüfer von EY (früher Ernst & Young) nicht allzu genau hingesehen haben können, hatte im April 2023 bereits die Berufsaufsicht der Wirtschaftsprüfer gerügt. Bei der Prüfung der Wirecard-Abschlüsse von 2016 bis 2018 seien Berufspflichtverletzungen als erwiesen anzusehen. Auch ein Sonderprüfer hatte zuvor Unregelmäßigkeiten bei den Abschlussprüfungen bemängelt.

Der wegen Betrugs angeklagte frühere Vorstandschef Markus Braun steht seit einem Jahr vor einer Strafkammer des Landgerichts München. Braun will von den Vorgängen bei Wirecard keine Kenntnisse gehabt haben.

Eine Schlüsselrolle bei Wirecard spielte der seit 2020 untergetauchte Vertriebschef Jan Marsalek, der sich vermutlich in Russland aufhält. Der Österreicher wird mit internationalem Haftbefehl gesucht. Zuletzt gab Marsalek ein Lebenszeichen von sich, als er sich über seinen Anwalt beim Landgericht München meldete.

Wirecard war im Juni 2020 implodiert, nachdem die Wirtschaftsprüfer von EY letztlich keine Hinweise auf 1,9 Milliarden Euro gefunden hatten, die in der Bilanz als Guthaben aus Drittpartnergeschäften geführt wurden. Das Unternehmen musste die Luftbuchungen einräumen und Insolvenz anmelden. Im August 2020 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet, seither hat Insolvenzverwalter Jaffé verschieden Geschäftsbereiche und Tochterfirmen verkauft.

(vbr)