Wirecard: Lebenszeichen von Jan Marsalek

Österreicher-Connection bei Wirecard: Der flüchtige Jan Marsalek schreibt an das Landgericht München. Ein Versuch, den Prozess aus der Ferne zu beeinflussen.

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Brennendes Wirecard-Logo

(Bild: Plateresca/Shutterstock.com)

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Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek hat über einen Anwalt einen Brief an das Landgericht München I geschickt. Marsalek ist flüchtig und wird in Russland vermutet, wo ihm russische Dienste eine neue Identität verschafft haben sollen. Der Österreicher "steht in dringendem Verdacht, sich des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs, des besonders schweren Falls der Untreue sowie weiterer Vermögens- und Wirtschaftsdelikte strafbar gemacht zu haben", heißt es im Steckbrief. Dazu äußert sich der Mann in seinem Schreiben aber nicht.

Vielmehr belaste er seinen Ex-Wirecard-Kollegen Oliver Bellenhaus und versuche, die Verteidigungslinie des ebenfalls österreichischen Ex-Vorstandschefs Markus Braun zu stützen. Das berichtet die Wirtschaftswoche unter Berufung auf Justizkreise. Offiziell bestätigen Landgericht und Staatsanwaltschaft nur den Erhalt des Schreibens, gehen auf den Inhalt aber nicht ein.

Wirecard war ein deutscher Zahlungsabwickler, der Teil des Börsenindex DAX war. Im Juni 2020 musste Wirecard Insolvenz anmelden, weil an die zwei Milliarden Euro angeblichen Geldvermögens nicht aufzufinden waren. Deutsche Banken mussten Milliardenkredite abschreiben, die sie Wirecard gewährt hatten. Finanzaufsicht und Buchprüfer schauen gar nicht gut aus. Die Wirtschaftsprüfer-Aufsicht hat EY sanktioniert.

Journalisten der Financial Times, allen voran Dan McCrum und Stefania Palma, hatten seit 2015 auf Unstimmigkeiten bei Wirecard hingewiesen. Das brachte den Aufdeckern allerdings nicht nur eine Klage Wirecards ein, sondern auch eine strafrechtliche Untersuchung der Staatsanwaltschaft München unter dem Verdacht der Marktmanipulation. Deutschland wollte nicht wahrhaben, dass beim DAX-Liebling Wirecard nicht alles koscher war.

Heute läuft ein Strafverfahren gegen Braun, Bellenhaus und den ehemaligen Chefbuchhalter Stephan von Erffa. Braun wird vorgeworfen, seit 2015 von Verlusten gewusst und diese verschleiert zu haben. Bellenhaus hat jene Wirecard-Tochterfirma in Dubai geleitet, bei der die Luftbuchungen erfundener Geschäfte und Einnahmen erfolgt sein sollen. Juristisch lauten die Vorwürfe auf gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Untreue, Marktmanipulation, und unrichtige Konzernabschlüsse. Für Braun und von Erffa gilt die Unschuldsvermutung. Marsalek hat sich durch seine Flucht der juristischen Aufarbeitung entzogen.

Während Bellenhaus geständig ist, die Staatsanwaltschaft unterstützt und als deren Kronzeuge fungiert, stellen sich Braun und von Erffa im Wirecard-Strafprozess als Opfer dar: Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft bezüglich erfundener Geschäfte seien unrichtig. Diese Umsätze und Einnahmen habe es tatsächlich gegeben, doch hätten Dritte das Geld veruntreut.

Marsaleks Schreiben stütze diese Verteidigungslinie und belaste Bellenhaus, berichtet die Wirtschaftswoche. Außerdem behalte sich der Flüchtige vor, sich zu einem späteren Zeitpunkt erneut zu Wort zu melden. Von einem Angebot, sich zu stellen, ist in dem Bericht keine Rede.

(ds)