Wirtschaftsminister: "Erneuerbare Energien dienen der öffentlichen Sicherheit"

Das Bundeswirtschaftsministerium hat zwei Gesetzentwürfe für den schnellen Umbau der Energiewirtschaft vorgelegt und schreibt dabei einen neuen Grundsatz fest.

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Windräder in der Bremer Hemelinger Marsch.

(Bild: heise online / anw)

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Das Bundeswirtschaftsministerium hat zwei Entwürfe für Gesetze vorgelegt, mit deren Hilfe die erneuerbaren Energien beschleunigt ausgebaut werden sollen. Dabei will es im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) den Grundsatz verankern, dass die Nutzung erneuerbarer Energie (EE) "im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient". Damit sollen den EE Vorrang eingeräumt werden.

Was hier unter "öffentlicher Sicherheit" zu verstehen ist, wird in dem Gesetzentwurf nicht näher erläutert. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine ist viel davon die Rede, dass Deutschland mithilfe erneuerbarer Energien unabhängiger von autoritär regierten Staaten werden könne, Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sprach jüngst von "Freiheitsenergien".

Im " Entwurf eines Gesetzes zu Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und weiteren Maßnahmen im Stromsektor " (EEG 2023, PDF) geht es darum, den Anteil der EE am Bruttostromverbrauch von 42 Prozent im Jahr 2021 bis 2030 fast zu verdoppeln. Zudem wird erwartet, dass der Stromverbrauch von 560 TWh im Jahr 2021 auf bis zu 750 TWh im Jahr 2030 steigen wird. Für die erforderliche Ausbaudynamik soll das gesamte EEG überarbeitet werden.

Das neue EEG soll verankern, dass inländisch Strom bis 2035 nahezu treibhausgasneutral erzeugt wird. 2030 sollen insgesamt rund 572 TWh in Deutschland aus Erneuerbaren Energien bereitgestellt werden. Die Ausbaupfade und Ausschreibungsmengen für Wind an Land und Solar werden angehoben. "Die technologiespezifischen Mengen starten auf hohem Niveau und werden weiter ansteigend ausgestaltet", heißt es in dem Gesetzentwurf.

Der Finanzierungsbedarf für die EE soll künftig über den Bundeshaushalt ausgeglichen und die EEG-Förderung über den Strompreis beendet werden. Dadurch würden die Stromverbraucher entlastet und die Sektorenkopplung gestärkt. Rechtstechnisch werde dies durch entsprechend hohe Bundeszuschüsse auf das EEG-Konto der Übertragungsnetzbetreiber umgesetzt, heißt es in dem Entwurf.

Die Ausschreibungsmengen für Windenergie auf See werden durch die parallele Novelle des Windenergie-auf-See-Gesetzes (WindSeeG, PDF) angehoben, wie es der Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP vorsieht. Das heißt, zur See sollen bis 2030 mindestens 30 GW Strom aus Wind erzeugt werden, bis 2035 mindestens 40 und 70 GW bis 2045. Momentan liegt die Leistung offshore bei knapp 8 GW.

Das WindSeeG sieht vor, dass Ausschreibungen für zentral voruntersuchte Flächen vorgezogen und zudem auch nicht zentral voruntersuchte Flächen ausgeschrieben werden, und zwar an zwei separaten Ausschreibungsterminen im Jahr. Die Ausschreibung von Flächen dieser beiden Kategorien, für die unterschiedliche Ausschreibungsdesigns eingeführt werden sollen, werde auch nach der Erreichung des Ausbauziels von 30 GW hinaus fortgesetzt.

Umweltprüfungen und Beteiligungsrechte sollen stärker gebündelt werden. Erneute Erhebungen bereits zuvor untersuchter Aspekte entfallen. Der Zeitraum für die Gebotsabgabe bei zentral voruntersuchten Flächen werde auf vier Monate verkürzt, Flächen, die keinen Zuschlag bekommen haben, werden erneut im anderen Ausschreibungsdesign ausgeschrieben. Die Offshore-Netzanbindung soll künftig direkt nach Aufnahme der Fläche in den Flächenentwicklungsplan vergeben werden. Das soll die Auftragsvergabe um mehrere Jahre beschleunigen.

Für den Ausbau der Windenergie an Land sieht das Wirtschaftsministerium wesentliche Hemmnisse im Planungsrecht, im Natur- und Artenschutzrecht und in zu geringen Flächenausweisungen. Diese sollen durch gesonderte Gesetzgebungsverfahren abgebaut werden, das im Sommer dieses Jahres von der Bundesregierung beschlossen werden soll. Die Größenbegrenzung für Pilotwindenergieanlagen wird aufgehoben. Die Frist für die bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung wird angesichts der technischen Herausforderungen gelockert, und der Funknavigationsbericht wird um weitere Bereiche erweitert, in denen Genehmigungshemmnisse bestehen. Er soll zu einem Bericht weiterentwickelt werden, der grundsätzlich alle Hemmnisse bei der Windenergie an Land in den Blick nehmen soll.

Die Rahmenbedingungen für die Solarenergie sollen durch Einzelmaßnahmen für die verschiedenen Anlagentypen wie Dachanlagen, Freiflächenanlagen und besondere Solaranlagen verbessert werden. Die Ausschreibungsmengen werden angehoben, ebenso die Bagatellgrenzen für die Ausschreibungen. Neue Dachanlagen, die ihren Strom vollständig in das Netz einspeisen, sollen wieder erhalten eine angemessene Förderung erhalten. Wind- und Solarprojekte von Bürgerenergiegesellschaften sollen von den Ausschreibungen ausgenommen und könnten dadurch unbürokratisch realisiert werden, heißt es in dem Entwurf zur Novelle des EEG.

Die Förderung der Biomasse soll sich stärker auf hochflexible Spitzenlastkraftwerke konzentrieren, "damit die Bioenergie ihre Stärke als speicherbarer Energieträger zunehmend systemdienlich ausspielen kann und einen größeren Beitrag zu einer sicheren Stromversorgung leistet", schreibt das Ministerium. Neue Biomethan- und neue KWK-Anlagen werden darüber hinaus auf Wasserstoff ausgerichtet werden ("H2-ready").

Beide Gesetze sind noch nicht innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. Sie gehen nun erst einmal in die Verbandsanhörung.

(anw)