Zensur: Auch Compuserve sperrt Host

Compuserve hat mit sofortiger Wirkung den gesamten Host "http://ourworld.compuserve.com/homepages/" gesperrt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Frank Möcke

Compuserve hat mit sofortiger Wirkung den gesamten Host "http://ourworld.compuserve.com/homepages/" gesperrt. Im Unterverzeichnis "angela1" befand sich die Seite der stellvertretenden Bundesvorsitzenden der PDS, Angela Marquardt. Mit dem Hinweis, daß sie zwar die dort geäußerten Ansichten nicht teile, aber das Recht auf freie Meinungsäußerung fördern wolle, gab Marquardt einen Link auf die Seiten des Autonomenmagazins "Radikal". Die Seiten enthielten einen "Kleinen Leitfaden zur Behinderung von Bahntransporten aller Art".

Die Bundesanwaltschaft Karlsruhe hat die Provider massiv unter Druck gesetzt. Sie moniert die "Radikal"-URLs des niederländischen Anbieters xs4all sowie den Link von Angela Marquardt auf diese Seiten. Sie hegt "Anfangsverdacht wegen strafbaren Werbens für eine terroristische Vereinigung, zudem wegen öffentlicher Billigung von Straftaten sowie der Anleitung zu Straftaten".

Von der Drohung des Generalbundesanwalts "Sie werden darauf hingewiesen, daß Sie sich möglicherweise einer Beihilfe zu diesen Straftaten strafbar machen, soweit Sie weiterhin den Abruf dieser Seiten über Ihre Zugangs- und Netzknoten ermöglichen sollten" ließen sich 13 Provider einschüchtern und sperrten den Zugriff auf den gesamten Host des Anbieters xs4all für 28 Tage. Daß der Bundesanwalt selbst einen Link auf die Radikal-Seiten als "Beihilfe zur Straftat" ansieht, hat Compuserve nun zur Blockierung des gesamten Hosts veranlaßt, auf dem die Homepage von Angela Marquardt beheimatet ist. Eine Stellungnahme will Compuserve erst im Verlauf des Freitagnachmittag abgeben.

Angela Marquardt erhielt die Nachricht über die Blockierung ihrer Seite direkt aus den USA. Ein Larry Wood teilte ihr heute mit, als "Our World WorldMaster Administrator", habe er "by order of CompuServes Legal Department" die Seiten gesperrt.

xs4all hat mittlerweile die IP-Nummer geändert. Seine Aufforderung, die beargwöhnten Seiten möglichst oft zu spiegeln, ist zahlreich befolgt worden. Wer bislang noch nicht auf den "Leitfaden zur Behinderung von Bahntransporten" gestoßen ist, findet ihn nun garantiert...

Unterdes wurden weitere Zensurmaßnahmen bekannt: Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften hat über die Indizierung von Web-Seiten entschieden. Das Familienministerium hatte die Ächtung von acht Seiten des Deutschkanadiers Ernst Zündel beantragt.

Zündel gehört der äußersten Rechten an, als "Revisionist" versucht er unter anderem zu beweisen, daß der nationalsozialistische Völkermord an den Juden eine aliierte Propagandalüge gewesen sei. Solche Behauptungen sind in der Bundesrepublik unter Strafe gestellt. Doch von Kanada aus kann er seine Thesen übers Internet ohne Probleme verbreiten.

Die Begründung: Zündels Web-Seiten seien ihrem Inhalt nach geeignet, Kinder und Jugendliche "sozialethisch zu desorientieren". Sie propagierten nationalsozialistisches beziehungsweise rechtextremistisches Gedankengut, indem sie unter anderem nationalsozialistische Verbrechen leugneten und das NS-Regime und damit zugleich dessen Ideologie durch Geschichtsklitterung aufzuwerten und zu rehabilitieren suchten und bei jugendlichen Lesern eine entsprechende Zielorientierung auslösen könnten.

Zündel reagierte heiter gelassen -- er weiß genau, daß ihm die deutschen Behörden im liberalen Kanada nichts anhaben können; feinsinnigerweise stellte er den Brieftext gleich mit ins Netz.

Die Frage ist nun, wieweit staatliche Behörden in der Lage sein werden, die Indizierung durchzusetzen.

Die Provider geben sich gereizt und fordern eine rechtliche Stellungnahme der Bundesanwaltschaft. Sie hegen praktische und rechtliche Bedenken, außerdem widerspreche eine Sperrung den geschlossenen Verträgen. Um eine angeordnete URL-Sperrung durchzusetzen, kann sie die Provider mit Zwangsgeld bedroht und gegebenfalls eine "Ersatzvornahme" durchführen - was nichts anderes heißt, als daß die Behörde Polizeibeamte schickt, die Computer, Festplatten und sonstiges Equipment zur Beweissicherung ausbauen und mitnehmen. Geschähe dies, würde der gesamte Betrieb eines Providers stillgelegt werden. "Was das wirtschaftlich bedeutet, können Sie sich ausmalen", so der Rechtsanwalt der ICTF, des Verbunds der Internet-Provider, Michael Schneider, zu c't. (fm)