Zum 100. Geburtstag von Gene Roddenberry: Star Trek lives long and prospers

Am 19. August 1921 wurde Gene Roddenberry geboren. Sein Star Trek ist getragen von wissenschaftlicher Neugier und Humanismus.

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Gene Roddenberry mit einem Modell des Raumschiffs Enterprise.

(Bild: Roddenberry Foundation)

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Inhaltsverzeichnis

Meine Erinnerung an die Erstausstrahlung des "Raumschiff Enterprise" seit dem 27. Mai 1972, wie die Fernsehserie "Star Trek" vom ZDF genannt wurde? Spärlich. Sie kollidierte auf ihrem Sendeplatz mit der Sportschau in der ARD, seinerzeit gab es keinen Videorekorder, also zeitversetztes Schauen, und wer das Geld nach Hause trug, hatte auch die Macht über den einzigen (Schwarzweiß-)Fernseher – und das war nicht ich mit meinen 7 Lebensjahren. So hatte ich seinerzeit nur sporadisch Gelegenheit, die Abenteuer von James Tiberius Kirk und seiner Besatzung zu verfolgen. Erst ein gutes Jahrzehnt später verfolgte ich die Fernsehserie auf Sat.1 ausführlicher, mit einem etwas mehr gereiften Bewusstsein und nachdem das Raumschiff Enterprise wieder aus dem medialen Trockendock geholt worden war.

Die vom US-amerikanischen Drehbuchautor Gene Roddenberry konzipierte Fernsehserie war 1969 wegen mageren Zuschauerinteresses nach drei Staffeln eingestellt worden. Mehr Anklang fand sie danach durch die Zweitverwertung in anderen US-Fernsehanstalten und schließlich im Ausland, auch befördert durch die erste Mondlandung am 20. Juli 1969. Es folgten eine nicht sehr erfolgreiche Zeichentrickserie, bereits 1972 die erste Star Trek Convention, Kinofilme und schließlich die Fernsehproduktion "Star Trek: The Next Generation" (TNG), die mir Roddenberrys Botschaft – oder Vision – erst richtig nahebringen konnte: Er hatte sich eine Zukunft vorgestellt, in der Vielfalt und Toleranz gefördert werden und in der Inklusivität und Gleichheit die Norm sind, wie es die Roddenberry Foundation ausdrückt.

In Zukunft würde das menschliche Potenzial, "bemerkenswert" zu sein, eine bessere, gerechtere Welt hervorbringen, eine Welt ohne Hunger, Armut, Vorurteile oder Gier. Star Trek biete eine Art von Science Fiction, die uns einlade, "den Status Quo zu überdenken, zu hinterfragen und herauszufordern", mit dem Ziel, "eine bessere Zukunft" zu schaffen.

Kein Wunder, dass mich während meiner Studienzeit ein vom ZDF und später Sat.1 gezeigter münzschlitzfreier Replikator faszinierte, der lediglich auf Zuruf alle Getränke und Speisen präsentierte, schließlich musste ich damals jeden Groschen dreimal umdrehen. Eine Märchenwelt, die mich aber wesentlich mehr faszinierte als jene wohl eher für kindliche Gemüter gedachte Galaxie der Star Wars mit ihrem esoterischen Grundrauschen.

Dieses Raumschiff Enterprise der nächsten Generation mit Jean-Luc Picard, einem Philosophen in Uniform als Captain, hatte ebenfalls Roddenberry entworfen; es war seine letzte Idee für dieses Franchise, wie es nun genannt wird, das bis heute weitere Fernseh- und Kino-Produktionen abwirft: live long and prosper – mit Diversität, wie sie heute genannt wird. Er starb im Oktober 1991, noch während der Erstausstrahlung im US-amerikanischen Fernsehen.

Geboren wurde Roddenberry heute vor einhundert Jahren im texanischen El Paso. Er wuchs in Los Angeles auf und studierte Polizeiwissenschaft, lernte fliegen, meldete sich während des Zweiten Weltkriegs freiwillig für den Dienst im Army Air Corps und flog fast hundert Einsätze. Nach dem Krieg arbeitete er als Pilot für Pan American World Airway, später als Polizist in Los Angeles, so wie zuvor schon sein Vater. Zu der Zeit begann Roddenberry, Drehbücher an Fernsehsender zu verkaufen und widmete sich dem bald vollzeitlich. Beispielsweise trug er 24 Episoden zu der Westernserie "Have Gun – Will Travel" bei und eine zu der eher in Deutschland bekannten Serie "Die Leute von der Shiloh Ranch".

1986 trat Roddenberry der American Humanist Association bei. Diese bemüht sich nach eigenen Angaben, eine fortschrittliche Gesellschaft zu schaffen, in der das Gute ohne Gott eine akzeptierte und geachtete Art ist, das Leben zu leben. Dafür verteidige sie die bürgerlichen Freiheiten und säkulare Regierungsarbeit und nehme Kontakt auf zu der wachsenden Zahl von Menschen ohne traditionellen religiösen Glauben.

In einem Interview mit der Zeitschrift The Humanist schilderte Roddenbery, seine Mutter sei sehr religiös gewesen, jeden Sonntag sei er mit ihr – nicht aber mit seinem Vater – in die Baptistenkirche gegangen. Er habe Religion nicht wirklich ernst genommen, ihm sei von Beginn an klar gewesen, dass es Dinge gebe, über die nachgedacht werden müsse, aber als Kind habe er sich nicht darum kümmern wollen. Später, im Alter von etwa 14 Jahren, habe er sich erstmals bewusst eine Predigt angehört. Von da an sei ihm klar geworden, dass Religion weitgehend magisch und abergläubisch sei, schlicht: Unsinn.

Der junge Roddenberry ging nicht mehr in die Kirche, das Thema Religion hat ihn erst wieder beschäftigt, als er anfing, sich mit Star Trek zu befassen. Seinerzeit hätten Leute gefordert, an Bord der Enterprise müsse es auch einen Priester geben, doch er habe das strikt abgelehnt. "Wie könnten wir einen Kaplan haben, wenn es so viele Menschen unterschiedlicher und außerirdischer Überzeugungen auf einem Schiff gibt? Bei so vielen Planeten, wie wir besucht haben, müsste jeder Mensch auf dem Schiff ein Kaplan sein!" Es sei sogar ernsthaft gefordert worden, der Vulkanier Spock müsse christlich beerdigt werden, nachdem dieser – temporär – im zweiten Star-Trek-Kinofilm gestorben war.

1969 heirate Roddenberry Majel Barrett, eine Schauspielerin, die im Star-Trek-Pilotfilm "The Cage" 1966 die Erste Offizierin der Enterprise verkörperte. In TNG spielte sie die von Roddenberry geschaffene Rolle der Lwaxana Troi, Mutter der Halb-Betazoidin Deanna Troi, psychologische Beraterin der Enterprise. Lwaxana fällt damit auf und mitunter auch auf die Nerven ihrer Mitmenschen, dass sie immer genau das sagt, was sie denkt und wann immer sie es denkt, ohne Flunkereien aus gesellschaftlicher Konvention heraus. Schließlich entstammt sie einem Volk, in dem ohnehin alle die Gedanken aller lesen können. Roddenberry selbst hingegen gab an, er habe gelernt, in einem widrigen Umfeld seine Gedanken für sich zu behalten. Das habe sich geändert, als er Star Trek entwickelte.

Exemplarisch für Roddenberrys Gesinnung mag die Episode "Who Watches the Watchers?" stehen, der vierten in der dritten TNG-Staffel. Darin versagt einem Anthropologenteam der Föderation, das bis dahin unbemerkt die Bewohner des Planeten Mintaka III beobachtet, die Tarntechnik. Die Einheimischen, die bereits vor hunderten Jahren ihren Götterglauben abgelegt hatten – was Captain Picard lobt –, entdecken ihre Beobachter. Einige der Mintakianer wollen daraufhin zum alten Götterglauben zurückkehren, um sich damit die Existenz der Außerirdischen erklärbar zu machen. Captain Picard bemüht sich daraufhin sehr darum, die Mintakianer davon zu überzeugen, dass er wie sie ein Sterblicher ist.

Roddenberry sagte, er habe seine Neigung zur Weitsicht wohl von seinem Vater geerbt. Die US-Raumfahrtbehörde, die am heutigen Donnerstag Roddenberry 100. Geburtstag würdigt, bescheinigt dem Star-Trek-Schöpfer grundlegendes astronomisches Wissen. Da herkömmliche Geschwindigkeiten wohl für eine einstündige Episode zu langweilig gewesen wären, habe er sich den Warpantrieb ausgedacht, einer Verzerrung des Einsteinschen Raum-Zeit-Kontinuums. Damit konnten die Schiffe in Stunden oder Tagen weit entfernte Sterne und Planeten erreichen.

Roddenberry und einige Star-Trek-Darsteller zur Vorstellung des Space Shuttle Enterprise.

(Bild: NASA)

Roddenberry und andere Star-Trek-Autoren hätten sich zwar magisch anmutende Dinge wie den Transporter, das Holodeck oder den Tricorder ausgedacht, aber sie setzten diese als leistungsstarke Werkzeuge ein, die von menschlichen Ingenieuren in einer Zukunft des menschlichen Fortschritts gebaut wurden, schreibt David Allen Batchelor vom Goddard Space Flight Center der NASA. Sie seien keine Wissenschaftler, daher hätten sie manche wissenschaftlichen Details falsch verstanden.

Es sei aber nicht fair, Star Trek deshalb zu diskreditieren, wie es manche seiner Physikerkollegen machten, meint Batchelor. Genaue Wissenschaft sei selten aufregend und spektakulär genug, um wöchentlich eine Fernsehserie zu bestreiten. Im Allgemeinen sei Star Trek ziemlich intelligent geschrieben und wissenschaftsgetreuer als jede andere Science-Fiction-Serie, die jemals im Fernsehen gezeigt wurde. Es sei fast die einzige fiktive Fernsehsendung, die Wissenschaftler und Ingenieure positiv als Vorbilder darstellt.

Der Name Roddenberry lebt nicht nur auf der Erde weiter. Die Internationale Astronomische Union beschloss 1994, einen Krater auf dem Mars nach ihm zu benennen. Ein 1981 entdeckter Asteroid wurde (4659) Roddenberry genannt. Als die NASA 1976 ankündigte, dass sie ihr erstes Space Shuttle anlässlich ihrer Einführung am 17. September, dem Jahrestag der Ratifizierung der US-Verfassung, "Constitution" benennen würde, wandten sich Trekkies in Briefen an den damaligen US-Präsidenten Gerald Ford. Dieser wies die NASA daraufhin an, das erste Space Shuttle umzubenennen. Als es aus dem Hangar im kalifornischen Palmdale rollte, wurde die Enterprise real.

Die Star-Trek-Serien im Überblick (8 Bilder)

Star Trek, In Deutschland "Raumschiff Enterprise": Mit dieser Crew hat alles angefangen (einfach Chekov wegdenken, der kam erst in Staffel 2 dazu).
(Bild: Startrek.com / CBS Entertainment
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(anw)