c't 3003: Besser wird Retro-Gaming nicht mehr - MISTer FPGA vs. Raspi 4

Verzögerungsfreie Spiele-Emulation verspricht das FPGA-System MISTer. c't 3003 macht den Praxisvergleich gegen einen Raspi 4.

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Lesezeit: 16 Min.
Von
  • Jan-Keno Janssen

Wer gerne Retro-Konsolen emuliert, kennt das Problem: Leichte Verzögerungen können gerade bei Fighting-Games den entscheidenden Nachteil geben. Abhilfe soll das FPGA-System MISTer schaffen. Aber erkennt Host Keno den Unterschied zu einem normalen Raspi4-Retro-Gaming Setup? c’t 3003 macht den Blindtest.

(Hinweis: Dieses Transkript ist für Menschen gedacht, die das Video oben nicht schauen können oder wollen. Der Text gibt nicht alle Informationen der Bildspur wieder. In diesem Video sind drei Personen zu sehen. Der Text wurde entsprechend als Interview dargestellt, dabei wurde die Sprache übernommen und nicht geschönt.)

Guckt mal hier, das ist MISTer, ein Gerät, das alte Rechner und Spielkonsolen 100% exakt nachbilden soll. Das Krasse ist: Das hier ist kein Computer, sondern ein sogenanntes FPGA. Größter Unterschied: Anders als bei “normaler” Emulation, soll es keinen Lag geben, also keinerlei Verzögerungen zwischen dem Drücken eines Controller-Buttons und der Reaktion des Spiels. Das werde ich gleich ausprobieren, im Vergleich mit der guten alten Emulation auf einem Raspi 4. Ob ich den Unterschied merke? Bin selbst sehr gespannt.

Wir haben auch noch Pascal am Start, der ist sowas wie ein Pro-Gamer, hat mal hauptberuflich Twitch gemacht und der spielt Fighting-Games. Mal gucken, ob er erkennt, was MISTER ist und was normale Emulation. Über das technische weiß Dennis Bescheid, der hat den MISTer nämlich schon auf Herz und Nieren getestet. So, jetzt aber direkt mal ausprobieren, ob man einen Unterschied merkt. Bleibt dran.

Ich fang jetzt einfach mal an zu spielen. Also ich weiß wirklich nicht, welches von den beiden Super Mario Worlds Raspi ist und was MISTer. Die Controller haben wir natürlich über Kabel angeschlossen, damit wir nicht noch zusätzliche Verzögerung einbauen. Also es fühlt sich extrem direkt an. Wenn das der Raspi ist, kann das eigentlich nicht geschlagen werden, weil das fühlt sich super direkt an. Also da habe ich irgendwie überhaupt nichts auszusetzen.

Dann probiere ich jetzt mal das zweite Gerät aus. Oha! Gut, das fühlt sich genauso direkt an. Diese Animation, diese Aufpixel-Animation, die sah irgendwie falsch aus. Also ich spüre zwar keine Latenz, aber irgendwie wirkt das auf mich eine Art und Weise ruckelig. Doch, ganz klar. Ja, ne, ich glaube das habe ich mir nur eingebildet. Auch das Ruckeln sieht genauso aus. Ja, ich muss ganz ehrlich sagen, ich könnte jetzt nicht sagen, das hat eine Verzögerung, das hat keine Verzögerung. Ich merke das nicht auf Anhieb. Was ich jetzt mal probiere, ist, dass ich jetzt super gleichzeitig bei beiden Gamepads den X-Knopf drücke, um zu gucken, ob ich das irgendwie erkennen kann, dass es da einen Unterschied gibt. Ich hatte das Gefühl, dass es da eine Idee früher da war. Ich würde dazu tendieren zu sagen, dass das das FPGA ist und das ist der Raspi.

Keno: Ich würde jetzt aber mal an den Profi weitergeben. Wie fühlt sich das an? Erste Sekunde fühlt es sich gut an. Hast du schon mal gespielt?

Pascal: Ich hab das schon 300-mal durchgespielt. Deswegen guck ich, was sind die Stellen, die man blindspielt. Und klappt das, wenn ich's blindspiele, trotzdem? Da muss ja eine kleine Verzögerung sein, weil an mir kann es nie liegen.

Keno: Ich verstehe.

Pascal: Es fühlt sich richtig an. Allerdings brauche ich jetzt den Vergleich. Ja, ich mach mal. Der ist schneller, der ist direkter.

Keno: Das hatte ich auch schon gesagt.

Pascal: Gerade wenn ich mich hier so ganz schnell hin und her mal bewege, das fühlt sich nicht an, als würde er irgendwie hinterherziehen. Aber es ist nicht so, dass man denkt, wow, was für ein krasser Unterschied. Das ist komplett spielbar und ohne Probleme und du kannst da deine coolen Tricks machen. Ich glaube, wenn's wirklich hart auf hart kommt, würd ich mir diesen hier greifen.

Keno: Ja, ist ja auch meine These. Okay, dann würde ich jetzt sagen, lass uns mal auf "Street Fighter 2" probieren. Das ist ja auch so dein ...

Pascal: Ich spiel's gerne. Gut, also dieses Spiel bringt mir jetzt ... Also, weil ich das letzte Mal vor ungefähr 300 Jahren gespielt hab. Das fühlt sich für mich ganz normal an. Aber ich kann es überhaupt nicht beurteilen.

Keno: Also, du gewinnst schon mal damit.

Pascal: Ich gewinn schon mal. Jetzt ist natürlich die Frage, hätte ich viel besser gewonnen, hätte ich auf dem Gerät gespielt?

Keno: Probier's aus.

Pascal: Das fühlt sich schon einiges knackiger an. Ja, das ist wirklich ...

Keno: Aber würdest du auch sagen, das ist besser?

Pascal: Ich würd sagen, dass das nicht nur besser ist, sondern auch definitiv besser. Ich glaube, ich hatte weniger Leben beim anderen. Deswegen ist das, glaub ich, ein Zeichen dafür.

Keno: Wir haben unsere Antwort jetzt eingeloggt. Das ist der FPGA, der MISTer, und das ist der Raspi. Also ich bin mir nicht so sicher, aber Pascal ist sich total sicher. Und wenn das jetzt nicht der FPGA ist, dann fällt das Video aus. Dann weiß ich nicht, warum wir dieses Video machen.

Dennis: Okay. Ta-ta-ta-ta, jetzt machen wir den großen Reveal. Hier hinten ist nämlich extra alles versteckt. Hier haben wir den MISTer-FPGA. Der läuft auf dem, habt ihr richtig erkannt. Und hier ist der Raspi 4. Mit "direkt" habt ihr es schon echt gut beschrieben. Es ist verzögerungsfrei und das kommt super direkt rüber. Und bei dem Raspi 4 muss man schon sagen, ich habe da auch so ein paar Spezialoptionen noch aktiviert. Run Ahead heißt eine. Keno: Ach, das ist aktiviert?

Dennis: Ja, genau, das habe ich extra aktiviert.

Keno: Das wäre mein Joker, den ich jetzt eigentlich aus der Tasche ziehen wollte. Dass ich sag, ja, okay, aber Raspis und schnellere Rechner haben ja dieses Run Ahead Feature. Mir ist es immer so müh aufgefallen, dass es da noch so ein Ticken direkter ist. Aber hier ohne Run Ahead Funktion war es vielleicht auch noch mal müh verzögert da. Aber es waren jetzt keine weltengroßen Unterschiede.

Dennis: Man muss schon sagen, Software-Emulation ist heutzutage wirklich schon sehr, sehr gut. Die Hardware-Emulation von dem FPGA und dem MISTer-Projekt, das setzt noch mal 'ne Schippe obendrauf. Die absoluten Profis schwören da halt drauf. Wir haben's jetzt im Test auch gesehen. Das ist einfach super direkt.

Keno: Ich bin leider jetzt 'n bisschen sauer, weil ich immer gedacht hab, "Raspi 4, geil, kann ich alle alten Spiele noch spielen." Jetzt muss ich die ganze Zeit dran denken, wenn ich mit dem Raspi spiele: Ah, es könnte noch besser sein. Das nervt mich jetzt.

Dennis: Zum Beispiel beim Neo-Geo Metal Slug. Da sind die Slowdowns auf dem Original Neo-Geo, also das Spiel überfordert die Hardware ein bisschen, und die Slowdowns sind genau an den exakt identischen Stellen beim MISTer, wie bei der Original Hardware. Und auch bei den ganzen Arcade Automaten und so. Also das ist schon wirklich eine fast hundertprozentige Reproduktion. Du hast in diesem FPGA quasi 110.000 logische Einheiten, die du programmieren kannst. Es gibt fast 40 Spielkonsolen, die jetzt schon abgebildet sind. Also SNES, NES, Mega Drive, Neo-Geo und so weiter. Dann gibt es fast 60 Heimcomputer. Du kannst auch schon 486er heutzutage emulieren. Also ich habe jetzt "Day of the Tentacle" da nochmal durchgespielt, war sehr cool.

Keno: Okay, cool. Denn jetzt lass uns doch mal einmal das MISTer-Menü angucken.

Dennis: Hier hast du die verschiedenen Cores, die sind sortiert nach Arcade, Computer, Konsole. Wenn du hier reingehst, findest du dann hier vom Atari 2600 über ein Game Boy. Was auch ganz cool ist, die haben zum Beispiel Game Boy Advance 2 Player. Also das ist wie als würdest du dich mit dem Link-Kabel verbinden, aber mit einem Splitscreen kannst du Game Boy gegeneinander spielen. Super Nintendo natürlich, Super Game Boy, also es ist vieles dabei. Aktuell ist Ende der Fahnenstange PlayStation 1. Der Core ist so groß, dass er den FPGA komplett vollmacht. Da ist noch ein deutscher Entwickler, der heißt „FPGAzumSpass“. Der sitzt grade am N64-Core. Der ist guter Dinge, dass er das noch hinkriegt. Aber das würde das Ende der Fahnenstange sein, dann ist der FPGA ausgelastet. Keno: Und Dreamcast, PS2?

Dennis: Da ist nichts dran zu denken. Nee, auf keinen Fall. Das sind ja dann schon auch die großen 32-Bit-Konsolen, die kriegst du in diesem FPGA nicht mehr abgebildet.

Keno: Kannst du mir noch mal sagen, wie teuer ist das jetzt?

Dennis: Also, wenn du wirklich nur ein Basic-Paket von dem MISTer nimmst, da kriegst du im Endeffekt nur das FPGA-Board. Da hast du alle Schnittstellen dran, HDMI, Netzwerk, Micro SD-Karte und einen USB-Anschluss. Und dann holst du dir noch einen USB-Hub, damit du überhaupt Controller anschließen kannst. Das FPGA-Board kostet 220 Euro ungefähr. Dann brauchst noch ein Netzteil, also du kommst auf jeden Fall unter 300 Euro in der Minimalausstattung weg. Wenn du ein bisschen mehr Komfort haben willst, sprich mehr USB-Schnittstellen, wenn du einen optischen Wenn du einen Tonausgang brauchst, wenn du einen VGA, einen analogen Bildausgang, brauchst du noch Zusatzboards im Gehäuse. Vollausstattung zusammengebaut, da bist du dann schon so 600 Euro los.

Keno: Dann geh doch mal in Super Nintendo rein.

Dennis: Jetzt liegt da den Core, dass er jetzt quasi dem FPGA sagt: Du bist jetzt ein Super Nintendo. Dann kann man die Spiele hier auswählen. Also das Menü ist, man sieht's, schwarz-weiß, es ist absolut schlicht bis hässlich. Aber zum Auswählen von Spielen reicht es aus.

Keno: Es gibt ja zum Beispiel in der RetroArch-Community gibt's so was wie RetroAchievements, dass man für alte Spiele Achievements bekommt. Ist das da auch eingebaut?

Dennis: Nee, das gibt's da nicht.

Keno: Was kann ich noch zusätzlich machen, was ich mit der normalen Konsole nicht machen könnte?

Dennis: Du könntest hier quasi noch ein paar Videofilter dazuschalten. Man kann Scanline-Filter aktivieren, das simuliert dann diesen zeilenartigen Bildaufbau von diesen alten Röhrenfernseher. Da gibt es zum Beispiel auch Core-specific welche, die sind dann auf das NES ausgelegt. Zum Beispiel Super Nintendo Scanlines. Zack. Wenn ich das jetzt anmache, dann sieht man gleich, dass hier dieser typische Effekt von einem Röhrenmonitor dann abgebildet wird. Da haben die sich richtig Mühe gegeben. Das sieht super authentisch aus. Dann kannst auch ein Fünffach-Scaling machen, nennt sich das. Also dann skaliert er die alte Auflösung von 320 mal 216 auf 1080p hoch, Full HD. Dann hast du quasi eine pixelperfekte Skalierung.

Keno: Ich würde aber jetzt aus dem Gefühl sagen, dass das mehr aussieht für den Röhrenfernseher. Da baut er jetzt hier noch Scanlines ein. Da ist halt noch so 'ein bisschen mehr, ne? Sieht noch 'n bisschen echter aus.

Dennis: Du kannst auch 'nen WLAN-Dongle an den MISTer hängen. Dann bist du im Internet und kannst dir über Update-Skripte ganz simpel die neuen Cores holen oder neue Videofilter. Dass das alles mehr oder weniger automatisiert.

Keno: Ich benutze, ehrlich gesagt, auf dem Raspi benutze ich auch so Funktionen wie Savegames, also dass ich abspeichere, obwohl es die Funktionen im Spiel eigentlich nicht gibt, und zurückspulen. Das hat der MISTer wahrscheinlich auch nicht.

Dennis: Ne. Der MISTer ist, sagen wir mal, so auf Authentizität getrimmt, dass das Erlebnis genauso wie früher ist. Das ist in dem Bereich ein riesen Nachteil. Klar, wenn du jetzt, nehmen wir mal wieder ein Super-Nintendo-Spiel, genau an der Stelle, wo früher das Super-Nintendo speichern konnte, auf der Batterie im Spielmodul, kannst du auch speichern. Aber es gibt nur eine Handvoll Cores, die diese Save States bieten. Also, dass du zu jedem Zeitpunkt speichern kannst. Der NES-Core kann das, der PlayStation-1-Core kann das. Die Cores, die das nicht können, werden es wohl nie können, weil das extrem aufwendig ist. Im Grunde muss der Core von Grund auf mit Safe State im Hinterkopf entwickelt werden. Sonst ist es so komplex, dass du's nicht hinkriegst. Rückspulfunktionen gab's früher im Kinderzimmer nicht und gibt's bei MISTer auch nicht. Kleiner Nachteil, aber du kannst Cheats aktivieren. Fast für jedes Spiel füllest du Cheats. Dann kannst du dich unbesiegbar machen oder machst dir 99 Leben bei Mario.

Keno: Ich mein, das ist schon ein großer Unterschied. Wenn ich jetzt in das Menü reingehe, dann habe ich einen Packshot zu jedem Spiel, ich habe ein Video zu jedem Spiel. In Puncto Optik schlägt der Raspi das natürlich um Welten.

Ja, mein Fazit. Der große Vorteil ist: Einfach nahezu verzögerungsfrei und den Unterschied merkt sogar ich, der absolut kein Pro-Gamer ist. Aber wenn man natürlich so Spiele spielt, wie Pokémon, dann muss man sich so ein Ding nicht anschaffen, dann bringt das nichts. Ansonsten hat der MISTer gegenüber so einem Raspi halt viele Nachteile. deutlich teurer, ab 300 Euro bis 600 Euro. Viele Cores haben keine Save Games, er hat keine RetroAchievements. Das Menü ist deutlich hässlicher und deutlich fummeliger als beim Raspi. Der Raspi 4 zum Vergleich hat Vorteile: Günstig, superflexibel, kann zum Beispiel auch Dreamcast emulieren, das kann das FPGA-System nicht. Man kann es rückspulen, man hat Save Games. Der Nachteil ist allerdings, man hat einen leichten Lag, vielleicht 5 Frames oder so, den hat man bei dem FPGA-System nicht. Also wenn man jetzt mal so eine Empfehlung aussprechen soll - geht nicht, ist eine total individuelle Sache. Das heißt, wenn es euch darum geht absolut das Originalsystem nachzubilden und euch wirklich 2 Frames Latenz auffallen und ihr solche Spiele spielt, bei denen das auch eine Rolle spielt, dann solltet ihr euch den MISTer etwas genauer angucken. Bei allen anderen, denen es um Komfort geht und solche Geschichten und die vielleicht mit diesen 2 Frames leben können, dann seid ihr mit dem Raspi4 oder einem alten, gebrauchten Thin-Client besser bedient. Ja, wie seht ihr das? Seid ihr da empfindlich, was Latenz angeht? Merkt ihr das? Dann schreibt es gerne in die Kommentare und natürlich abonnieren. Tschüss!


c't 3003 ist der YouTube-Channel von c't. Die Videos auf c’t 3003 sind eigenständige Inhalte und unabhängig von den Artikeln im c’t Magazin. Die Redakteure Jan-Keno Janssen und Lukas Rumpler sowie die Video-Producer Şahin Erengil und Pascal Schewe veröffentlichen jede Woche ein Video.

(jkj)