re:publica 2023: Es geht um Cash und noch mehr Künstliche Intelligenz

Sonne, Berlin, Hipster – aber auch Klos, KI und Öffentlich-Rechtliche: Die re:publica23 startet mit Meredith Whittaker und unter dem Motto "Cash".

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Zum Start ist die Wand noch recht leer, Besucher der re:publica können Post-its mit Antworten an die Wand kleben.

(Bild: emw)

Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

Das offizielle Motto der re:publica 2023 ist "Cash: Lasst uns über Geld sprechen!" Das tun beispielsweise die Millionenerbin und Aktivistin für die Erbschaftssteuer Marlene Engelhorn und Douglas Rushkoff, dessen Keynote "Survival of the richest" heißt und sich mit dem Mindset im Silicon-Valley befasst, inklusive Prepper-Attitüden bei Superreichen. Inoffiziell könnte das Motto allerdings wie derzeit überall lauten: Künstliche Intelligenz. Doch in Berlin kommen nach dem Hype und der Phase mit Schnappatmung nun langsam die leiseren und praktischen Töne durch.

"tante" (alias Jürgen Geuter) nennt es in seiner Vortragsbeschreibung beispielsweise: "Zwischen den Heilsversprechen von Evangelist*innen und den Untergangsszenarien einiger Kritiker*innen ist es schwer, über diese Systeme zu sprechen. Die Systeme mögen sich wie eine unaufhaltbare Flutwelle anfühlen, aber das sind die nicht."

Im Perspective Lab der ARD, die mit den Öffentlich-Rechtlichen einen großen Anteil am Programm und als Partner gestalten, heißt es "Ist ChatGPT das neue...Nein!" Dennis Horn spricht darüber, wie sie versucht haben, KI für die Sportschau zu nutzen und schlussendlich scheiterten. Das Problem sei: ChatGPT kann einfach nicht streng mit Fakten umgehen. Björn Ommer vom Lehrstuhl für KI für Computer Vision und Digital Humanities an der LMU München und Mitentwickler von Stable Diffusion fordert einen kritischen Dialog hinsichtlich der Möglichkeiten generativer KI.

Zum Start begrüßen jedoch erstmal (etwas verspätet) die vier Gründer der re:publica das Publikum: Andreas Gebhard, Tanja (nur im Publikum) und Johnny Haeusler und Markus Beckedahl. Nilz Bokelberg kündigt sie an, einer von drei Moderatoren neben Geraldine de Bastion und Anna Dushime.

Johnny Haeusler sagt, als sie das Thema Cash im Herbst gefunden hatten, ging es um die Ausgestaltung: Supermarkt. Alles ist grell, Neon, schreit wie im Supermarkt. Bäckereikisten finden ihren Einsatz auf der Bühne und auf dem Gelände. Er erinnert daran, dass wir weniger im Kleinklein mit dem Finger aufeinander zeigen sollten, wenn doch klar sei, dass die Probleme ganz anderswo zu finden sind – er meint die großen Konzerne und Superreichen. Zugleich fordert er von allen, den Parteien und den Medien ein starkes Bündnis gegen Rechtsextremisten, denn sie versuchten die Demokratie abzuschaffen. "Es zieht ein ekelhafter Trumpismus ein." Haeusler bekommt viel Zwischenapplaus.

Markus Beckedahl stellt das Programm vor, gibt dabei zu, wir haben mehr Schwerpunkte, als bei den bisherigen Veranstaltungen: Das eine sei Cash, das andere Künstliche Intelligenz. Beckedahl hält später am Tag noch einen Vortrag, dass ein besseres Internet immer noch möglich sei. Ach ja, da war ja was. Während für die meisten Besucher digital hier völlig normal sein dürfte, stockt es in Sachen Digitalisierung noch immer an vielen Stellen – wie in der Bildung und bei Behörden – obwohl die KI schon freundlich im Nacken knabbert.

KI, KI, KI: Die erste Keynote-Speakerin ist Meredith Whittaker, Präsidentin der Signal-Stiftung und schon vor der aktuellen Welle Expertin für KI und Datenschutz. Sie startet ihren Vortrag mit der Geschichte, woher der Begriff Künstliche Intelligenz überhaupt kommt – ein Marketingkniff aus den 50er Jahren für Investoren. Während die grundlegende Idee und Technik nicht besonders neu sei, können erst seit den 2010er Jahren die massiven Mengen an Daten genutzt werden. Das allerdings auch nur von den Big Tech. Etwas, das sie immer wieder kritisiert.

Auch den Zustand, dass OpenAI billige Arbeitskräfte nutzte, um ChatGPT zu trainieren, kreidet Whittaker an: Menschen hätten gesundheitliche Probleme davongetragen. Ein weiterer Kritikpunkt ist die Nutzung von Kunstwerken für das Training von Bildgeneratoren, ohne die Urheber zu beteiligen. Profiteure seien immer die großen Unternehmen.

Meredith Whittaker auf der re:publica23.

(Bild: emw)

Neuralink von Elon Musk habe Schweine und Affen getötet, jetzt dürfen sie Chips in die Schädel von Menschen pflanzen. "Warum sollte man das wollen?" Musk behauptet, so Whittaker, ohne diese Chips könne der Mensch bald nicht mehr mit KI mithalten. Zudem wolle Musk Behinderungen und Altersschwächen mittels des Chips mildern. Whittaker gibt zu bedenken, dass nicht jeder, beispielsweise auch nicht jede hörgeschädigte Person, Musks Vision teilt. Nach den körperlichen Merkmalen könnte eine Steuerung der Emotionen folgen, gesteuerte Emotionen, gesteuertes Sozialverhalten, gesteuert von großen Unternehmen – lässt sich der Vortrag verkürzt wiedergeben.

Warum sie keinen Vortrag hält, in dem sie versucht, uns von Signal zu überzeugen? Weil sie in Berlin auf der re:publica ist und davon ausgeht, dass wir eh schon alle Signal nutzen. Signal stehe aber auch für Privatsphäre, Werte und Ansichten, die sie in dem Vortrag geteilt habe.

Nun noch zu den Toiletten. Keine Sorge, die vor Ort sind sauber und ausreichend vorhanden. Die Frage ist vielmehr, kann Kacke die Welt retten? Nicht nur gehen dem die Filmmacher Valentin Thurn und Ruben Abruna nach, sie veröffentlichen auch einen Song dazu. Am Dienstag folgen dann "Klos für alle?" Es geht um "Barrieren und die Inklo*sion". In beiden Fällen wird aber auch über die Möglichkeiten gesprochen, Nährstoffe aus den Hinterlassenschaften zu nutzen. Auf dem wunderschönen Areal der Arena Berlin samt Badeschiff, alter Lagerhallen-Romantik und Strandgefühl gibt es aber auch eine Reihe nicht nutzbarer Toiletten. Mitten im Weg stehen die verschiedenen Versionen von Schüsseln, etwa ein Unisex-Urinal – zum Stehen und Hocken. Das ist ziemlich smart und zum Glück überhaupt nicht (künstlich) intelligent.

(Bild: emw)

Und dann war da ja das eigentliche Thema Cash. Es hat die Schufa hervorgelockt, die sich nicht zuletzt nach einigen aktuellen Gerichtsverfahren den Kritikern auf dem Podium stellen möchte. Theresa Brückner fragt, was Gleichberechtigung, Gender Care Gap und Social Media miteinander zu tun haben. Der Vortrag macht auf die Missstände aufmerksam, dass 52 Prozent mehr Care-Arbeit von Frauen geleistet wird. Kinderbetreuung, Haushalt, Pflege von Angehörigen – all das führt zugleich oft genug zu einem Missverhältnis. Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbandes, spricht über den digitalen Euro und wie wir eigentlich bezahlen wollen.

Statt Werbung hängen auf dem Gelände Plakate mit Zahlen zum Cash oder dem Klima.

(Bild: emw)

(emw)