Agrosprit-Kampagnen gewinnen "Worst EU Lobbying"-Award

Internetnutzer haben drei Interessensvertretungen, die Treibstoffe aus Agrarprodukten über den grünen Klee lobten, die Negativauszeichnung für das am meisten irreführende Lobbying zugedacht. Eine finnische EU-Abgeordnete erhielt einen eigenen Preis.

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Drei Interessensvertretungen, die Treibstoffe aus Agrarprodukten über den grünen Klee lobten, haben die Online-Wahl für das am meisten irreführende Lobbying in der EU für sich entschieden. Mit 52 Prozent der rund 8400 abgegebenen Stimmen machten das Malaysian Palm Oil Council, eine unter dem Titel UNICA agierende Initiative brasilianischer Zuckerbarone und der Energiekonzern Abengoa Bioenergy das Rennen bei den "Worst EU Lobbying Awards 2008". Nominiert waren die Agrosprit-Lobbyisten für ihre manipulative Werbung, mit der sie "Biosprit" als nachhaltige Alternative zu gängigen Tankflüssigkeiten während der entscheidenden Debatten im EU-Parlament und im Ministerrat dargestellt haben sollen.

Dieses "Grünfärben" (Greenwashing) der angeblich grünen Treibstoffe schien den meisten Beteiligten an der Abstimmung als reif für die Negativauszeichnung. Sie folgten der Ansicht der Ausrichter, dass damit die Schäden für die Umwelt wie Entwaldung und für die Lebensgrundlagen der Bevölkerung vor Ort ignoriert würden. Die wenig erfreuliche Trophäe bekommen die Öffentlichkeitsbearbeiter am heutigen Dienstagabend in Brüssel im Rahmen einer feierlichen Zeremonie überreicht. Zuvor hatte es schon Blumen für alle Nominierten bei Besuchen in deren Brüsseler Büros gegeben.

Deutlich auf die Plätze zwei und drei verwiesen die Agro-Tanker die International Air Transport Association (IATA) für ihre Lobbykampagne gegen Vorschriften zur Reduktion des CO2-Ausstoßes im Luftfahrtsektor, sowie die PR-Agenturen Gplus und Aspect Consulting, welche die Verbreitung von Kriegspropaganda im jüngsten Konflikt zwischen Russland und Georgien unterstützt haben sollen. Auch im vergangenen Jahr hatten Umweltaspekte bereits eine große Rolle gespielt, als die Autobauer BMW, Daimler und Porsche abräumten.

Den erstmals vergebenen Preis für den größten Interessenskonflikt bei den Adressaten von Lobbybemühungen bei Gesetzgebern, der EU-Kommission und im sonstigen Brüsseler Verwaltungsgetriebe sprachen die Internetnutzer mit 26 Prozent der Stimmen knapp der finnische EU-Abgeordneten Piia-Noora Kauppi zu. Die Aktivisten von Corporate Europe Observatory, Friends of the Earth Europe, LobbyControl und Spinwatch, die den Worst Lobbying Award verleihen, werfen ihr vor, die Interessen ihres künftigen Arbeitgebers in Form einer Banken-Lobby bereits zu ihren Zeiten als aktives Mitglied im EU-Parlament vertreten zu haben. So habe sie durchgehend auf eine geringe Regulierung des Bankensektors gedrängt. Ab Januar 2009 werde sie dann offiziell bei der Federation of Finnish Financial Services angestellt sein. Für die Ausrichter gibt die Wahl Kauppis die berechtigte Sorge der Teilnehmer wieder, dass Parlamentarier zu eng mit Wirtschaftslobbyisten verbandelt seien. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, bedürfe es härteren Regeln und "Abkühlphasen" für Abgeordnete, die vor einem Wechsel in die Industrie stehen.

Kauppi dicht auf den Fersen waren die britische Volksvertreterin Caroline Jackson wegen ihrer ausgemachten Doppelrolle als Umweltpolitikerin und Beraterin eines Müllentsorgungskonzerns und der deutsche CDU-Abgeordnete Klaus-Heiner Lehne, der als Regulierungsexperte im Parlament auch als Anwalt mit ähnlichem Schwerpunkt tätig ist. Eine rechtliche Auseinandersetzung hatte es vor der Verleihung mit dem ebenfalls nominierten EU-Beamten Fritz-Harald Wenig gegeben. Er wollte nach Angaben der Veranstalter erreichen, dass sein Name von der Auswahlliste gestrichen und auch sonst nicht weiter erwähnt werde. Das angerufene Gericht habe am Freitag aber geurteilt, dass die Meinungsfreiheit in diesem Fall wichtiger sei. (Stefan Krempl) / (pmz)