Bundestag fordert mehr Einsatz gegen Internet-Zensur weltweit
Das Parlament hat die Bundesregierung mit den Stimmen der großen Koalition und der FDP aufgefordert, das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit global durchzusetzen und der zunehmenden Kontrolle des Internet entgegenzutreten.
Der Bundestag hat die Bundesregierung mit den Stimmen der großen Koalition und der FDP aufgefordert, das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit global durchzusetzen und der vor allem im Mittleren und Fernen Osten zunehmenden Internetzensur entschiedener entgegenzutreten. Die Abgeordneten billigten in diesem Sinne einen Antrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD gemäß der Beschlussempfehlung (PDF-Datei) des federführenden Menschenrechtsausschusses. Die Grünen enthielten sich. Sie hatten einen eigenen Vorschlag (PDF-Datei) zur Fassung der Pressefreiheit als Fundament der Demokratie eingereicht, der aber keine Mehrheit fand.
Die Regierung soll laut der Entschließung unter anderem international auf die Einhaltung eingegangener völkerrechtlicher Verträge mit Zusicherungen der Meinungsfreiheit drängen. Darüber hinaus ergeht an sie der Auftrag, sich für die Freilassung von "unfair" verurteilten Journalisten sowie die lückenlose Aufklärung von Überfällen und Morden an Pressevertretern einzusetzen. Eine Aussprache über die Anträge hielten die Parlamentarier nicht für nötig. Sie gaben ihre Reden zu Protokoll (PDF-Datei).
"Kein Land der Welt kann sich je solcher Werte wie Demokratie und Meinungsfreiheit sicher sein", ging Holger Haibach von der Unionsfraktion in seinem Beitrag auf Kritik aus der Opposition am Vergessen der Situation im eigenen Lande ein. Gerade westliche, als gefestigt geltende Demokratien nähmen diese Werte zu oft als gegeben hin. Im Unterschied zu autoritären Staaten verfüge Deutschland aber "über einen funktionierenden Justizapparat, parlamentarische Kontrolle, eine wache Zivilgesellschaft und eine vielfältige und kritische Medienlandschaft". Wenn es hierzulande also zu nicht hinnehmbaren Einschränkungen der Pressefreiheit komme, "kann dem entgegengetreten werden und wird dem entgegengetreten".
In anderen, vielmals bei diesem Thema kritisierten Staaten scheint laut Haibach teils Besserung in Sicht. So habe der neue russische Staatspräsident Dmitrij Medwedew in Berlin ein Bekenntnis zur Pressefreiheit abgelegt. Auch in China habe der Umgang der dortigen Medien mit der jüngsten Erdbebenkatastrophe eine bis dahin nie gekannte Offenheit und Transparenz gezeigt.
Herta Däubler-Gmelin von der SPD-Fraktion bezeichnete die Pressefreiheit generell als einen "zuverlässigen Gradmesser für die Offenheit einer Gesellschaft und für den Respekt, den die jeweiligen Machthaber den Menschenrechten und der Stellung der einzelnen Menschen entgegenbringen". Heute seien "Pressefreiheit, Informations- und Meinungsfreiheit in der Freiheit zum ungehinderten Zugang zum Internet gebündelt." Aber auch hier gelte, dass das Netz nicht missbraucht und "etwa als Mittel zur Vorbereitung und Begehung von schwersten Verbrechen genutzt werden darf", betonte die Ex-Justizministerin. Die notwendigen Begrenzungsregelungen dürfen andererseits nicht als Vorwand für Zensur missbraucht werden.
Zwei Schwächen des Koalitionsantrags machte Florian Toncar mit den Augen der FDP-Fraktion aus: "Obwohl die Forderungen sich auch auf den Bereich der elektronischen Medien beziehen, hätte die in einigen Fällen negative Rolle westlicher IT-Firmen bei der Einschränkung der Meinungsfreiheit in einigen Staaten näher beleuchtet werden können." Ferner würden die Probleme, die in Deutschland bei der Achtung der Pressefreiheit aufgetreten seien, "völlig ausgeblendet". Die Beschnüffelung von Journalisten durch den Bundesnachrichtendienst (BND) oder der aktuelle, vor allem Journalistenkontakte betreffende Überwachungsskandal bei der Telekom würden belegen, "dass auch in Deutschland die Pressefreiheit besser geschützt werden muss". Insgesamt sei das Gesuch jedoch "sinnvoll und ausgewogen".
Im Namen der Linken monierte Michael Leutert, dass es ist in vielen Ländern wie Weißrussland "geradezu selbstverständlich ist, in die Medienberichterstattung informell oder gar regierungsamtlich einzugreifen". Wo dieses Mittel nicht ohne Weiteres zur Hand sei, drangsaliere man unabhängige Journalisten mit konstruierten Anklagen. Der Ruf nach uneingeschränktem Zugang zum Internet der Koalition sei aber nicht glaubwürdig. Die vom Bundestag gerade auf den Beratungsweg gebrachten heimlichen Online-Durchsuchungen oder die Vorratsdatenspeicherung seien nämlich "geeignete Mittel, das Kommunizieren via Telefon, Fax oder Internet zu behindern". Eine solche Behinderung von Information "bedeutet zwangsläufig auch die Einschränkung von Pressefreiheit".
Volker Beck von den Grünen sah in der "hemmungslosen" Aufzeichnung elektronischer Nutzerspuren ebenfalls eine Bedrohung der Meinungsfreiheit im Internet. Ein Skandal sei es auch, "wenn Firmen wie Yahoo, Google oder Microsoft mit Diktaturen zusammenarbeiten und sich aktiv an Zensurmaßnahmen beteiligen, wie dies in China geschehen ist". Generell komme die Ausrüstung zur Überwachung des Internet "zu großen Teilen von westlichen Unternehmen". Viele Staaten würden an immer ausgefeilteren Methoden zur Kontrolle des Netzes durch raffinierte Filtertechnologien und Überwachung der elektronischen Kommunikation oder den Aufbau einer Cyberpolizei arbeiten, weil das Internet das bevorzugte Medium "für Dissidenten, Menschenrechtsverteidiger und Demokraten" geworden sei. Es lohne sich, für freie Medien weltweit einzutreten, da diese Missstände aufdecken, gesellschaftliche Toleranz fördern und der Diskriminierung und Marginalisierung von einzelnen Gruppen entgegenwirken könnten. (Stefan Krempl) / (pmz)