DatenschĂĽtzer bezeichnet WM-Akkreditierungsverfahren als rechtswidrig
Der Berliner Landesdatenschutzbeauftragte Alexander Dix hat den Innensenat aufgefordert, endlich eine Rechtsgrundlage für die "Zuverlässigkeitsprüfungen" vor Großveranstaltungen wie der Leichtathletik-WM zu schaffen.
Der Berliner Landesdatenschutzbeauftragte Alexander Dix hat die Senatsinnenverwaltung der Hauptstadt aufgefordert, endlich eine angemessene Rechtsgrundlage für die "Zuverlässigkeitsprüfungen" vor Großveranstaltungen wie der am morgigen Samstag startenden Leichtathletik-Weltmeisterschaft zu schaffen. Die derzeit vom Veranstalter des Sportspektakels, dem Berlin Organising Committee 2009 (BOC), geforderte Einwilligung für Journalisten und Servicepersonal erfolge nicht freiwillig, erklärte eine Sprecherin des Datenschützers gegenüber heise online. Ein Berichterstatter könne nur "Ja" sagen, wenn er seinem Beruf nachgehen wolle. Damit ergebe sich "keine ausreichende Legitimation" für die Weitergabe seiner persönlichen Daten an die Polizei zum Abgleich mit diversen Datenbanken der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern.
Dix hat die Praxis der Überprüfungen in der "taz" klar als "rechtswidrig" bezeichnet. Die Berliner Tageszeitung hatte Anfang August die Berichterstattung über die Leichtathletik-WM aus Protest gegen das Screening im Rahmen des Akkreditierungsverfahrens abgesagt. Mit der für Stadien-Reporter nicht zu umgehenden Einverständnis-Erklärung muss der Betroffene einwilligen, dass seine persönlichen Daten etwa mit Datensammlungen wie INPOL-neu oder der umstrittenen Hooligan-Datei "Gewalttäter Sport" abgeglichen werden. Das Landeskriminalamt (LKA) Berlin stellt zudem personenbezogene Nachfragen beim Berliner Verfassungsschutz. Liegen Erkenntnisse bei den Sicherheitsbehörden vor, teilt das federführende LKA diese Tatsache dem BOC und der betroffenen Person ohne Angabe von Einzelheiten mit.
Wie Dix herausstellt, ist die Übermittlung personenbezogener Daten an Dritte durch die Polizei mit Einwilligung aber "nur dann rechtens, wenn echte Freiwilligkeit gegeben ist". In jedem Fall führten solche Überprüfungen zu Eingriffen in die Grundrechte der Pressefreiheit und der informationellen Selbstbestimmung und im schlimmsten Fall zu "Stigmatisierungen" von Journalisten. Auch dafür sei eine "glasklare gesetzliche Grundlage" nötig, wie sie bereits bei der Fußball-WM 2006 vergeblich angemahnt worden sei. Der Datenabgleich sei zudem auch unzulässig, weil die Datei "Gewalttäter Sport" laut Urteil des niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts von Ende 2008 ihrerseits einer rechtlichen Basis entbehre.
Die Verantwortlichkeit für den Abgleich der Journalistendaten mit den Datenbanken von Polizei, Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst sieht Dix beim Land Berlin und nicht beim Organisationskomitee als privatem Veranstalter. "Damit haben wir nicht die Befugnis, bei dem Verfahren den Stecker zu ziehen", erläuterte seine Sprecherin. "Wir können im öffentlichen Bereich nur beanstanden." Das Berliner Abgeordnetenhaus habe daraufhin vor Kurzem eine Beschlussempfehlung des federführenden Unterausschuss Datenschutz angenommen, mit dem es ebenfalls für einen rechtlichen Rahmen für Zuverlässigkeitsprüfungen eintritt. Nun müsse das Innenressort einen entsprechenden Entwurf vorlegen. Nach der Sommerpause werde das Anliegen der Parlamentarier am 22. September noch einmal im Unterausschuss debattiert. Die Leichtathletik-WM sei schließlich nicht das letzte geplante Großereignis in Berlin.
Die taz sieht sich derweil ebenfalls die Hände gebunden. Man könne gegen die Ablehnung zweier ihrer Reporter, die ihre Einwilligung zum Screening nicht abgaben, nicht klagen, schreibt das Blatt. Schuld daran sei die "Flucht des Staates ins Privatrecht", da es sich beim BOC um einen privatwirtschaftlichen Veranstalter handle. Aber nur gegen eine Verwaltungsentscheidung ließe sich mit Aussicht auf Erfolg vor Gericht ziehen. Die Zwangsüberprüfung dient laut Veranstalter dazu, die Sicherheit der Zuschauer, Athleten, Mitarbeiter und aller weiteren Personen an den Stätten der Leichtathletik-WM zu gewährleisten. (Stefan Krempl) / (jk)