Filesharing-Verfahren: Harvard-Professor fordert Live-Ăśbertragung ins Internet
Der Jurist Charles Nesson hat einen Antrag eingereicht, die Gerichtsverhandlung im Fall RIAA gegen Joel Tenenbaum live im Internet ĂĽbertragen zu dĂĽrfen.
Als der Verband der großen US-Labels (Recording Industry Association of America, RIAA) kurz vor Weihnachten bekannt gab, im Kampf gegen Filesharer künftig auf Massenklagen verzichten zu wollen und stattdessen auf die Zusammenarbeit mit den Zugangsanbietern zu setzen, sprachen Kritiker der übermächtige Klagemaschinerie der US-Musikindustrie bereits von einem Ende der Schreckensherrschaft. Doch ganz so einfach ist es nicht: Wie befürchtet, betreiben die RIAA beziehungsweise deren Mitglieder bereits laufende Verfahren weiter – darunter auch die seit September 2003 anhängige Schadensersatzklage gegen Joel Tenenbaum. Dem heute 24-Jährigen wird vorgeworfen, mit der Verteilung von sieben Songs über ein Filesharing-Netzwerk die Urheberrechte des Unternehmens Sony BMG verletzt zu haben. Im schlimmsten Fall droht ihm die Verurteilung zu einer Schadenersatzzahlung in Höhe von mehr als einer Million US-Dollar. Doch Tenenbaum hat einen kompetenten Rechtsbeistand gefunden: Der Harvard-Professor Charles Nesson, seines Zeichens auch Gründer des "Berkman Center for Internet & Society", hat die Verteidigung Ende Oktober 2008 übernommen.
Und Nesson, der den Fall mittlerweile selbst unter der Bezeichnung "Harvard Professor & Studenten gegen die RIAA" führt, macht jetzt ordentlich Druck: In einer Pressemitteilung erklärte der Jurist, einen Antrag beim zuständigen Gericht eingereicht zu haben, das "Internet in den Gerichtssaal zu lassen". Konkret geht es darum, die gesamte Gerichtsverhandlung im Verfahren Tenenbaum vs. RIAA in Bild und Ton live ins Internet übertragen zu dürfen, was bislang nach US-amerikanischen Recht nicht erlaubt ist. Nelson begründet seinen Antrag damit, dass der Fall geradezu ein Lehrstück in Zivilrecht darstelle und von vielen Seiten genau beäugt werde. "Es geht in diesem Fall um mehr als nur Musik", so auch Nessons Studentin Debbie Rosenbaum. Vielmehr sei nach ihrer Ansicht ein antiquiertes System endlich ins 21. Jahrhundert zu bringen. Rechtsexperten gehen davon aus, dass die RIAA beantragen wird, Nessons Antrag abzuweisen.
Eine zentrale Rolle in der Verteidigung von Joel Tenenbaum spielt auch die immense Summe, zu der Nessons Mandant verurteilt werden könnte. Nesson und sein Team fordern daher einen regulären Prozess, der dem Beklagten eine Stellungnahme zu den Vorwürfen ermöglicht, sowie eine Erstattung der bisher entstandenen Kosten. Darüber hinaus werfen sie der RIAA den Missbrauch von Gesetzen und der Justiz vor. Die Harvard-Juristen stellen die Frage der Verfassungsmäßigkeit: Der geforderte gesetzliche Schadensersatz sei unverhältnismäßig und verstoße damit gegen durch die Verfassung garantierte rechtsstaatliche Prinzipien sowie das Verbot überzogener Strafen. (nij)