FĂĽr und Wider im Bundestag zur geplanten Novelle des BKA-Gesetzes
In einer Anhörung im Bundestag hat BKA-Präsident Jörg Ziercke für die geplanten umfassenden neuen Kompetenzen geworben. Einige Sachverständige warnten hingegen vor dem Verwischen von Grenzen zwischen Polizei und Geheimdiensten.
In einer Anhörung im Innenausschuss des Bundestags zur Novelle des Gesetzes für das Bundeskriminalamt (BKA) am heutigen Montag äußerte die Mehrheit der Sachverständigen verfassungsrechtliche und datenschutzrechtliche Bedenken. So warnten Experten etwa vor dem Verwischen der Grenzen zwischen Polizei und Geheimdiensten, Strafverfolgung und Prävention sowie Länderpolizeien und BKA. Einige der geladenen Juristen sahen zudem den absoluten Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung, von Kontakt- und Begleitpersonen sowie von Vertrauensverhältnissen etwa mit Ärzten nicht ausreichend gewahrt.
BKA-Präsident Jörg Ziercke warb für die geplanten umfassenden neuen Kompetenzen. So seien etwa heimliche Online-Durchsuchungen und die Quellen-Telekommunikationsüberwachung angesichts der anhaltenden terroristischen Bedrohung "weitere notwendige Instrumente". Derzeit würden hierzulande rund 200 Ermittlungsverfahren mit terroristischem Hintergrund geführt, 100 "Gefährder" stünden unter Beobachtung, und 23 Tatverdächtige seien bereits verurteilt worden.
Laut Ziercke gibt es "vier bis fünf schwere Gefährdungslagen pro Jahr", in denen das BKA handeln können müsse. 95 Prozent aller Gefahrenabwehrfälle würden weiter von den Ländern wahrgenommen, eine Präventivabteilung werde bei der Wiesbadener Behörde nicht aufgebaut. Das BKA könne mit den Befugnissen nur "in eng begrenzten Fällen" und nicht vorab agieren. Nur weil die Ermittler "auch dunkle Autos fahren und Kameras einsetzen, werden wir damit nicht zu einem Geheimdienst". Schließlich unterstünden alle Maßnahmen früher oder später einem Richtervorbehalt. Der Präsident des Bayerischen Landeskriminalamtes Peter Dathe räumte ein, dass es "Parallelzuständigkeiten" mit den Ländern gebe. Diese sollten sich aber im "täglichen Doing" aussortieren, sodass der Gesetzgeber hier keine Grenzen ziehen müsse.
Unterstützung erhielten die Praktiker von Markus Möstl, Staatsrechtler an der Universität Bayreuth. Insgesamt genüge der Entwurf den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts, nutze die von ihm gegebenen Spielräume zur Überwachung etwa von "Störern" nicht ganz aus. Vorabbefugnisse würden durchaus geschaffen, seien aber gerechtfertigt. Auch Möstls auf Internetrecht spezialisierter Kollege Dirk Heckmann von der Universität Passau sieht das Vorhaben als weitgehend verfassungsgemäß an. Es gelte, keinen "Diskretionsabstand" zu Urteilen der höchsten Richter einzuhalten. Unter anderem müssten aber die Medien, die einen Missbrauch kontrollieren sollten, besser geschützt werden. Ein "Zugriff auf Presserechner" durch verdeckte Online-Durchsuchungen "schafft kein Vertrauen".
Mehrere Experten kritisierten hingegen, dass eine Definition des Kernbegriffs des "internationalen Terrorismus" im Entwurf fehle. Damit sei der "Angelpunkt" des Vorhabens "wackelig", gab der frühere Chef des Bundesnachrichtendienstes Hansjörg Geiger zu bedenken. In der Begründung würden derzeit etwa auch "ideologische Strömungen" erfasst, was "außerordentlich unpräzise" sei. Kutscha fürchtete, dass gar "gewerkschaftliche Streikorganisationen, die international abgestimmt werden, darunter fallen könnten".
Christoph Möllers von der Universität Göttingen sieht als "unausgesprochenes Organisationskonzept" des Entwurfs, möglichst allen Sicherheitsbehörden alle bekannten Kompetenzen zu geben. Das Beispiel USA mit einem FBI, das auch geheimdienstliche Befugnisse habe, zeige aber, dass "das nicht gutgeht". Es werde eine "Form von Verantwortungslosigkeit" begünstigt. Die Meinung teilt der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar. Darüber hinaus protestierte Schaar gegen die vorgesehene Möglichkeit zur Erhebung von Nutzungsdaten bei Telemediendiensten, die weit über Befugnisse für den Verfassungsschutz hinausgingen. Es wäre dem BKA damit etwa gestattet, von Medienangeboten im Internet die Herausgabe von Seitenabrufen durch bestimmte Nutzer zu verlangen. Dies wäre ein tiefer Eingriff in die Meinungsfreiheit. Zugleich plädierte der Datenschützer für eine unabhängige Evaluation und Befristung des Gesetzes.
Laut dem Bielefelder Staatsrechtler Christoph Gusy gehen die geplanten Befugnisse zwar nicht über die Bestimmungen in Landesgesetzen hinaus. Praktisch ergäbe sich aber eine "erhebliche Verschiebung bei der Polizeiarbeit", da viele Kompetenzen in den Ländern wegen mangelnder Ausrüstung, fehlendem Personal und Willen "nicht durchgeführt werden". Dies wäre bei der Bundesbehörde anders. "Komplizierte Datenschutzregelungen allein" bewirkten zudem "noch kein hohes Maß an Datenschutz".
Martin Kutscha von der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege Berlin wandte ein, man könne nicht quasi einen Kriegszustand postulieren und rechtsstaatliche Regeln außer Kraft setzen. Besonders kritisierte er neben den seines Erachtens schwammigen Bestimmungen zum Einsatz des "Bundestrojaners" fehlende Schutzvorkehrungen bei der Übermittlung von Daten an ausländische Sicherheitsbehörden. Da diese Folgen "bis hin zur Verschleppung" haben könnten, sei der Transfer klar einzugrenzen. Der Bochumer Rechtsprofessor Ralf Poscher appellierte an die Abgeordneten, den Gestaltungsspielraum bei der Eingrenzung von Befugnissen wahrzunehmen. So spreche etwa alles dafür, die Regelungen zum Kernbereichsschutz für alle heimlichen Maßnahmen quasi "vor die Klammer zu ziehen" und nicht abgestuft vorzusehen.
Zu den Auseinandersetzungen um die Terrorismus-Bekämpfung, die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:
(Stefan Krempl) / (anw)